Die unabgestimmte Massnahmen-Kakofonie zur Pandemie-Bekämpfung hat viele verunsichert oder gar verärgert. Je mehr die Aktionen ins Leere zu laufen schienen, desto mehr geriet der Föderalismus ins Schussfeld der Kritiker. In einer Krise seien einheitliche Regeln und eine starke zentrale Führung gefragt, nicht ein unübersichtliches Massnahmen-Durcheinander. Die Krise wird nun zum Anlass genommen, die als «Kantönligeist» gegeisselte politische Vielfalt grundsätzlich infrage zu stellen. Doch hat der Föderalismus in der Corona-Krise tatsächlich versagt? Ist er angesichts moderner Herausforderungen lediglich noch ein Relikt aus der Vergangenheit? Und was steht auf dem Spiel, wenn an den Grundpfeilern der dezentralen Ordnung gerüttelt wird? Im Rahmen des LI-Gesprächs vom 25. Februar 2021 wurden
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Die unabgestimmte Massnahmen-Kakofonie zur Pandemie-Bekämpfung hat viele verunsichert oder gar verärgert. Je mehr die Aktionen ins Leere zu laufen schienen, desto mehr geriet der Föderalismus ins Schussfeld der Kritiker. In einer Krise seien einheitliche Regeln und eine starke zentrale Führung gefragt, nicht ein unübersichtliches Massnahmen-Durcheinander. Die Krise wird nun zum Anlass genommen, die als «Kantönligeist» gegeisselte politische Vielfalt grundsätzlich infrage zu stellen. Doch hat der Föderalismus in der Corona-Krise tatsächlich versagt? Ist er angesichts moderner Herausforderungen lediglich noch ein Relikt aus der Vergangenheit? Und was steht auf dem Spiel, wenn an den Grundpfeilern der dezentralen Ordnung gerüttelt wird? Im Rahmen des LI-Gesprächs vom 25. Februar 2021 wurden diese Fragestellungen vertieft diskutiert.
Einführend stellte LI-Direktor Olivier Kessler fest, dass es sich beim Föderalismus um einen der elementarsten Erfolgspfeiler der Schweiz handle, dem die Bevölkerung den hohen Grad an Freiheit und die hohen Lebensstandards zu verdanken habe. Um die Rolle des Föderalismus zu verstehen, müsse man sich der zentralen Bedeutung der Eigentumsrechte bewusst sein. Der Schutz der Eigentumsrechte sei entscheidend für das Prosperieren und Gedeihen einer Region. Dies zeige sich beispielsweise Jahr für Jahr im Index der Eigentumsrechte, welcher belege, dass besser geschützte Eigentumsrechte zu höheren Lebensstandards führen. Unter föderalistischen Bedingungen würden Eigentumsrechte besser geschützt, weil die Möglichkeit bestehe, mit den Füssen abzustimmen. Die Gebietskörperschaften müssten sich unter diesen wettbewerblichen Voraussetzungen mit guten Preis-Leistungsverhältnissen um die Gunst der Kunden — Bürger und Unternehmer — bemühen. Andernfalls würden sie gute Steuerzahler vertreiben, was sich auch negativ auf die Einkommen von Politik und Verwaltung auswirken würde.
Sehen Sie sich hier die Einleitung von Olivier Kessler als Video an:
In seinem Referat betonte Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie an der Universität Luzern, dass es sich beim Föderalismus um einen oft unterschätzten Erfolgsfaktor der Schweiz handle. Dieser passe die Kosten- und Leistungsniveaus regional unterschiedlichen Bedürfnissen an, könne Wirtschaftswachstum mittels Haftungsprinzip und Wettbewerb stärken, erhöhe die Effizienz der Staatsführung durch direkte Betroffenheit und Bürgernähe, reduziere die Ungleichverteilung der Markteinkommen in der Gesellschaft und stärke die Innovationskraft. Schaltegger unterstrich zudem die machtbegrenzende Wirkung des Fiskalföderalismus, welcher einer bürgerfernen und freiheitsbedrohenden Leviathan-Regierung im Wege stehe. Es gebe jedoch einige Voraussetzungen, damit das wahre Potenzial des Föderalismus zum Tragen komme: Es brauche unter anderem einen hinreichenden Fragmentierungsgrad und eine hinreichende Autonomie der dezentralen Gebietskörperschaften.
Sehen Sie sich hier das Referat von Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger als Video an:
Prof. Dr. Philipp Bagus, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid und Mitglied des Akademischen Beirats des Liberalen Instituts, befasste sich in seinem Referat mit der Rolle des politischen Wettbewerbs zur Aufrechterhaltung der freiheitlichen Ordnung. Der politische Wettbewerb stehe aktuell unter starkem Beschuss, weil mit vielerlei Vorwänden gefordert werde, dass wir grössere Staaten bräuchten: Es brauche mehr Harmonisierung und mehr Zusammenarbeit, heisse es dann etwa. Oder man benötige eine gewisse Grösse, um in der Weltpolitik als europäischer Block bestehen und die europäischen Interessen durchsetzen zu können. Oder es werde behauptet, dass globale Probleme wie die Klimaerwärmung oder Pandemien eine globale Governance unausweichlich machen würden. Diese Argumente gelte es zu widerlegen, denn sie führten im Ergebnis allesamt dazu, dass der politische Wettbewerb und damit die freiheitliche Ordnung eingeschränkt werde. Dies gereiche den Bürgern und Unternehmen zum Nachteil, weil die staatliche Macht die eigene Bevölkerung vermehrt ausbeuten und einschränken könne, weil es dieser an geografisch nahegelegenen Alternativen fehle, wohin sie ausweichen könnte.
Sehen Sie sich hier das Referat von Prof. Dr. Philipp Bagus als Video an:
Die darauffolgende Diskussion widmete sich unter anderem den Fragen, wie ein föderalistisches System idealerweise ausgestaltet sein sollte, damit es sein wahres Potenzial entfalten kann, was der Föderalismus in einer Krisensituation wie in einer Pandemie beitragen könnte, und welche Entwicklungen und Reformen den Föderalismus stärken würden. Es wurde beispielsweise diskutiert, ob die Fragmentierung und die Autonomie heute, wo immer mehr Kompetenzen an den Bund und an supranationale Organisationen abgetreten werden, in der Schweiz noch hinreichend ausgestaltet sei.
Sehen Sie sich hier die Diskussion als Video an:
25. Februar 2021