BuchbesprechungKurt Weyland: Democracy’s Resilience to Populism’s Threat – Countering Global Alarmism, Cambridge University Press, 2024.Bücher über Politikwissenschaft sind aus mehreren Gründen oft komplex und mit Fachterminologie gefüllt, wie z.B.Präzision und Nuancen: politische Phänomene sind nämlich oft komplex und vielschichtig. Fachbegriffe ermöglichen es Autoren, präzise Bedeutungen und subtile Unterscheidungen zu vermitteln, die in der Alltagssprache möglicherweise ...
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Buchbesprechung
Kurt Weyland: Democracy’s Resilience to Populism’s Threat – Countering Global Alarmism, Cambridge University Press, 2024.
Bücher über Politikwissenschaft sind aus mehreren Gründen oft komplex und mit Fachterminologie gefüllt, wie z.B.
Präzision und Nuancen: politische Phänomene sind nämlich oft komplex und vielschichtig. Fachbegriffe ermöglichen es Autoren, präzise Bedeutungen und subtile Unterscheidungen zu vermitteln, die in der Alltagssprache möglicherweise schwer auszudrücken sind.
Akademische Tradition: Wie viele akademische Bereiche hat auch die Politikwissenschaft im Laufe der Zeit ihren eigenen Jargon entwickelt. Diese Fachsprache hilft Wissenschaftlern, effizient miteinander zu kommunizieren und auf vorhandenem Wissen aufzubauen.
Theoretische Rahmenbedingungen: In der Politikwissenschaft werden zur Erklärung von Phänomenen häufig spezifische theoretische Modelle verwendet. Diese Modelle verfügen über ein eigenes Vokabular und eigene Konzepte.
Deshalb ist es wichtig, von Anfang an klarzustellen, dass der Autor den im Buch oft verwendeten Begriff „personalistische plebiszitäre Führung“ (als politisch-strategische Definition) synonym mit dem Begriff «Populismus» verwendet. Und
„Vetospieler“ sind einzelne oder kollektive Akteure, deren Zustimmung für eine Änderung des Status Quo notwendig ist. Diese Spieler können institutioneller (z. B. Präsident, Legislative) oder parteiischer (z. B. Parteien in einer Koalitionsregierung) Natur sein. Sie haben die Macht, vorgeschlagene Änderungen an Richtlinien oder Gesetzen zu blockieren.
3 verschiedene Arten von Populismus:
neo-liberal and right-wing populism in Latin America
left-wing populism in Latin America
right-wing and traditionalist populism in Europe
Es dürfte allgemein bekannt sein, dass Politiker mit plebiszitärem Stil versuchen, ihr Handeln durch direkte Appelle an die Öffentlichkeit zu legitimieren und dabei oft traditionelle demokratische Institutionen umgehen: sie nutzen häufig Massenkundgebungen oder soziale Medien, um direkt mit ihren Anhängern zu kommunizieren.
Lateinamerika ist die am stärksten vom Populismus betroffene Region. Beobachter betrachteten den Aufschwung der «Anti-Establishment»-Stimmung dort in der Mitte des 20. Jahrhunderts anfänglich als eine Übergangsphase der Entwicklung. Doch in Lateinamerika stellt der Populismus heute die größte Gefahr für den liberalen Pluralismus in der Region dar.
Arten der institutionellen Schwäche:
Relative Offenheit für institutionelle Veränderungen: Das mit parlamentarischen Systemen verbundene Risiko.
Paralegales Aufzwingen von Veränderungen: Schwäche präsidentieller Systeme.
Hohe Instabilität: Brüchiger institutioneller Rahmen.
Europas populistische Bewegungen hingegen rekrutieren frische, junge Wortführer und bedienen sich attraktiverer Appelle, indem sie neue Themen ansprechen, die die etablierten Parteien nicht ansprechen wollten, wie etwa Einwanderung. Mit ihren unappetitlichen, aber klugen Kampagnen drohen illiberale, antipluralistische Anführer die Qualität der Demokratie zu untergraben, wenn nicht gar ihr Überleben zu gefährden.
Diese Risiken wurden im Jahr 2016 mit dem schockierenden Brexit-Referendum und dem überwältigenden Wahlsieg von Donald Trump äußerst akut und deutlich.
Arten von Vetospielern:
Institutionelle Vetospieler sind bestimmt durch die Verfassung (z. B. Präsident, Parlamentskammern).
Parteiliche Vetospieler sind bestimmt durch das politische Spiel (z. B. Parteien in einer Koalitionsregierung).
Die Gefahr geht vom Kern des Populismus aus, nämlich einer personalistischen, plebiszitären Führung, die antiinstitutionell, polarisierend und konfrontativ ist.
Kurt Weyland legt in seinem Buch eine politisch-strategische Definition an den Tag, um zu zeigen, wie sich der Populismus um eine personalistische, in der Regel charismatische Führung dreht, die durch direkte, unvermittelte und nicht institutionalisierte Verbindungen zu einer heterogenen, amorphen und weitgehend unorganisierten Masse von Anhängern getragen wird.
Demnach stellt personalistische plebiszitäre Führung die Hauptachse des Populismus dar. Da die Unterstützung der Anhänger potenziell wankelmütig ist, versuchen populistische Führer, sie durch gezielte Konfrontation und Polarisierung zu stärken. Und mit dieser schädlichen Taktik stellt der Populismus – ohne Zweifel - eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie dar.
Zwei Arten von Faktoren sind laut dem Autor entscheidende Voraussetzungen für die populistische Zerstörung der Demokratie:
1) eine gewisse institutionelle Schwäche, welche eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass machthungrige Politiker ihre Hegemonie etablieren, die parteiische Opposition untergraben und die Zivilgesellschaft unter Druck setzen können,
2) ungewöhnliche konjunkturelle Gelegenheiten, die populistische Anführer ausnutzen, um ihre plebiszitäre Unterstützung auf himmelhohe Werte zu steigern.
Das Schicksal der Demokratie hängt daher von der Art und Weise ab, wie die drei Arten von „institutioneller Schwäche“ und drei Formen von „konjunkturellen Chancen“ zusammenkommen und zusammenwirken.
Die vom Populismus ausgehende Gefahr ist jedoch laut dem Autor begrenzt, weil nachhaltige Bemühungen, die Demokratie zu ersticken, nur unter relativ restriktiven Bedingungen erfolgreich vonstatten gehen können:
Prof. Weyland macht mit Nachdruck auf das Zusammentreffen und die Überschneidung ausgeprägter institutioneller Schwächen mit ungewöhnlichen konjunkturellen Angelegenheiten aufmerksam, um notwendige Voraussetzungen aufzuzeigen, welche populistische Strangulierung der Demokratie in Lateinamerika und Europa in der Praxis erst ermöglichen können.
Kurt Weylands Theorie zufolge gelingt es populistischen Regierungschefs nur unter besonderen, restriktiven Bedingungen, ihre Macht zu konzentrieren und die Demokratie zu ersticken, nämlich wenn
(1) eine ausgeprägte institutionelle Schwäche mit
(2) einer besonderen «conjunctural»en Gelegenheit (eine Kombination von Umständen oder Ereignissen, die normalerweise eine Krise auslösen) zusammentrifft, um eine überwältigende Unterstützung durch die Massen zu erreichen.
Durch Massenkundgebungen, Fernsehen oder soziale Medien (Twitter, WhatsApp, etc.) rufen populistische Führer ihre Unterstützer mit episodischer Kommunikation von Angesicht zu Angesicht auf, die darauf abzielt, quasi persönliche Bindungen herzustellen.
Der an der University of Texas at Austin lehrende Professor of Government unterscheidet drei Arten institutioneller Schwäche: a) die Anfälligkeit des lateinamerikanischen Präsidentialsystems für paralegale Veränderungen; b) die außergewöhnlich hohe Instabilität in dieser Region; und c) die geschwächten Kontroll- und Ausgleichsmechanismen des europäischen Parlamentarismus.
Dementsprechend verdeutlicht die Theorie die ungewöhnlichen Bedingungen, unter denen 1) einige neoliberale Populisten in Lateinamerika, 2) linke, „bolivarische“ Populisten in Lateinamerika und 3) rechte, traditionelle Populisten in Europa die Demokratie angreifen.
Doch Populismus stellt eine riskante politische Strategie dar. Die personalistischen, plebiszitären Anführer sind von Natur aus eigensinnig und anmaßend, regelwidrig und konfrontativ; sie sind die politische Verkörperung „toxischer Männlichkeit“, so der Autor.
Sie treten aus der politischen Bedeutungslosigkeit (wie Fujimori), der ideologischen Randgruppe (wie Bolsonaro) oder einer anderen Lebenssphäre (wie Trump) auf.
Doch wo Institutionen einen gewissen Ermessensspielraum haben, wo sie leicht und ungestraft missachtet werden können oder wo sie nach Belieben abgebaut oder umgestaltet werden können, besteht ein echtes Potenzial für eine demokratische Rückentwicklung.
Der Ansatz dieses Buches („politisch-strategische Definition des Populismus“ im Gegensatz zu «ideational definitions») besteht darin, die «personalistische plebiszitäre Führung» zu betonen, indem die Aufmerksamkeit auf den entscheidenden Akteur gelenkt wird, dessen Machenschaften für die dem Populismus innewohnende Bedrohung der Demokratie entscheidend sind.
Im Gegensatz zu den rhetorischen Behauptungen ermächtigt der Populismus also das Volk nicht; sondern überträgt er stattdessen dem Wortführer alle Macht und entmachtet so das Volk - einer der Hauptgründe für die angeborene Tendenz zum Autoritarismus.
Eine vorherige institutionelle Schwäche des demokratischen Rahmens, den ein Populist abbauen will, und ungewöhnliche konjunkturelle Gelegenheiten, um die überwältigende Macht zu gewinnen, die für diese Zerstörungsarbeit erforderlich ist.
Die Hauptbotschaft dieses besonders kompakt geschriebenen Buches ist, dass das gefährliche Potenzial des Populismus keineswegs immer Realität wird, sondern dass die Gefahr oft gebannt wird: populistischen Regierungschefs ist es daher nur unter relativ restriktiven Bedingungen und besonderen Umständen gelungen, diese institutionellen Zwänge aufzuheben.
Eine wesentliche Lektüre über die Demokratie angesichts der Herausforderung des zunehmenden Populismus, welche Einblicke in die Bedeutung demokratischer Normen und Institutionen vermittelt und Strategien zur Erhaltung demokratischer Systeme angesichts populistischer Bedrohungen bietet.