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LI-Freiheitsfeier 2022: Wie steht es um den Liberalismus?

Summary:
Der Liberalismus befindet sich in den letzten Jahren weltweit auf dem Rückzug. Werte wie Eigenverantwortung, Subsidiarität, freiwillige Solidarität, Privatautonomie und Privatsphäre werden zunehmend aufgeweicht, der freie Markt für Güter, Dienstleistungen und Ideen unterminiert. Verdrängt werden sie von einem wiedererstarkten Glauben an die Allwissenheit und Allfähigkeit des Staates: der Quasireligion des Etatismus. Gibt es eine Chance für ein Revival des Liberalismus? Welche Bedingungen könnten dazu führen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der diesjährigen Freiheitsfeier des Liberalen Instituts. Einführend stellte LI-Direktor Olivier Kessler fest, dass die öffentliche Zustimmung für Staatsinterventionen und Freiheitsbeschränkungen in den letzten Jahrzehnten laufend gewachsen sei. Der

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Der Liberalismus befindet sich in den letzten Jahren weltweit auf dem Rückzug. Werte wie Eigenverantwortung, Subsidiarität, freiwillige Solidarität, Privatautonomie und Privatsphäre werden zunehmend aufgeweicht, der freie Markt für Güter, Dienstleistungen und Ideen unterminiert. Verdrängt werden sie von einem wiedererstarkten Glauben an die Allwissenheit und Allfähigkeit des Staates: der Quasireligion des Etatismus. Gibt es eine Chance für ein Revival des Liberalismus? Welche Bedingungen könnten dazu führen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der diesjährigen Freiheitsfeier des Liberalen Instituts.

Einführend stellte LI-Direktor Olivier Kessler fest, dass die öffentliche Zustimmung für Staatsinterventionen und Freiheitsbeschränkungen in den letzten Jahrzehnten laufend gewachsen sei. Der Niedergang im liberalen Denken habe viele Ursachen. Unter anderem verstehe es die Politik so gut wie noch nie, Ängste in der Bevölkerung zu schüren: Ängste vor Terror, Krankheitswellen, Kriegen, Klimaveränderungen, Einwanderung, Wirtschaftskrisen, Armut, neue «gefährlichen» Technologien, Energiemangel usw. Jede tatsächliche oder vermeintliche «Krise» werde dazu genutzt, die eigene Macht auszuweiten. Diese Machtausweitung gehe mit einer zunehmenden Staatsabhängigkeit der Bürger einher, die sich immer stärker an die «komfortable Stallfütterung» (Wilhelm Röpke) gewöhnten.

Hinzu käme, dass Eigenverantwortung heute oft als Last wahrgenommen werde: Hier käme der Wohlfahrtsstaates vielen gerade recht, der verspreche, all die mühselige Arbeit abzunehmen, welche eine eigenverantwortliche Lebensführung erfordere. Auch das Desinteresse der betroffenen Allgemeinheit spiele eine wichtige Rolle, das vor allem der langsamen und scheibchenweisen Erosion der Freiheit geschuldet sei: Die Bürger verhielten sich dabei sprichwörtlich wie Frösche im kalten Wasser, das man langsam erhitze. Dabei realisierten die Frösche zu spät, wie prekär ihre Lage bereits sei, sodass sie letztlich im kochenden Wasser verelendeten, weil sie den Zeitpunkt verpasst haben, um hinauszuspringen.


In seinem Referat befasste sich Bruno S. Frey, ständiger Gastprofessor an der Universität Basel sowie Gründungsmitglied und Forschungsdirektor des Center for Research in Economics, Management and the Arts (CREMA) in Zürich, mit dem Zustand des Liberalismus. Dieser befinde sich in einer sehr schlechten Verfassung. Junge Geisteswissenschaftler kennten liberale Geistesgrössen heute kaum noch. Einer der Gründe für den Niedergang des Liberalismus sei, dass er den Kontakt zur modernen (ökonometrisch ausgerichteten) Nationalökonomie verloren habe. Hier habe der Liberalismus wenig beizutragen. Ein weiterer Grund für die Erosion des liberalen Gedankenguts sei die Rückwärtsgewandtheit vieler heutiger Liberaler: Dauernd zitierten diese historische Geistesgrössen wie Menger, Hayek oder Röpke. Doch die Jungen von heute interessierten sich kaum für diese Geistesgrössen. Liberale sollten in der Kommunikation deshalb besser in den Vordergrund stellen, was der Liberalismus leiste.

Was gilt es aus Sicht von Bruno S. Frey also zu tun? Liberale sollten sich entschlossen gegen die heutigen Universitäten wehren, die mit seriöser Wissenschaft nicht mehr viel zu tun hätten. Universitäten seien ursprünglich ein Ort des Überlegens und des Ideen- und Thesenwettbewerbs gewesen, an welchem die Studenten über die Vorgänge in der Welt reflektierten und Thesen skeptisch hinterfragten. Doch die heutigen Universitäten seien nichts von all dem mehr. Liberale sollten sich deshalb daran machen, sich gegen die Universitäten in ihrer heutigen Form zu wehren, an denen Studenten und Doktoranden aufgrund des Publikationsdrucks nicht mehr überlegten, sondern vor allem noch publizierten, um Punkte zu sammeln (Bologna-System). Es gelte, neue Akademien zu schaffen, in denen man offen diskutieren, denken, vergleichen und hinterfragen könne. Dies gelinge umso besser, wenn diese privat finanziert seien, zumal dann die Versuchung nicht vorhanden sei, die Forschungseinrichtung zu verbürokratisieren und damit zu zerstören. Weiter gelte es darauf zu achten, dass in allen Entscheidungsgremien «advocatus diaboli» eingeführt würden, damit nicht einfach alles abgenickt werde und die Gleichförmigkeit somit durch verschiedene Alternativen verdrängt werden könne. Weiter sei der Föderalismus zu stärken, damit der politische Wettbewerb spielen könne und in 20 Jahren nicht plötzlich alles nur noch vom Bund entschieden werde.


Im zweiten Teil des Abends wurde der diesjährige Röpke-Preis für Zivilgesellschaft des Liberalen Instituts an den Journalisten Dominik Feusi verliehen. Ausgezeichnet wurde er für seinen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Debattenkultur und die beharrlich auf liberale Werte ausgerichtete Publizistik. Dominik Feusi ist eines der wenigen ordnungspolitischen Gewissen im Schweizer Journalismus. Er setzt sich nicht nur mit seinen stets an liberalen Grundsätzen orientierenden Beiträgen und Kommentaren (aktuell im Nebelspalter) für die liberale Sache ein, sondern zeigt als Interviewer und Moderator immer auch mit einer freundlich-skeptischen Haltung und der nötigen Portion Demut ein aufrichtiges Interesse am Gegenüber, damit eine offene Debatte überhaupt erst entstehen kann und fruchtvoll wird. Im heutigen Zeitalter der «Cancel culture» und der Diffamierung von Andersdenkenden ist dies alles andere als selbstverständlich.

Nach seinem Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Theologie an den Universitäten Bern und Innsbruck war Dominik Feusi acht Jahren in der Kommunikationsbranche tätig, zuletzt als Partner der Firma Dynamics Group. Anschliessend wechselte Dominik Feusi in den Journalismus. Während sechs Jahren war er bei der Basler Zeitung, als Leiter der Bundeshausredaktion. Nach dem Verkauf der Basler Zeitung arbeitete Dominik Feusi während zwei Jahren beim Tagesanzeiger als Wirtschaftsredaktor. Seit März 2021 ist er beim Nebelspalter eine liberale Stimme, als stellvertretender Chefredaktor und Mitglied der Geschäftsleitung.

Die Laudatio hielt Daniel Eisele. Er betonte, weshalb Dominik Feusi den Preis verdient habe. Seit vielen Jahren nehme man Dominik Feusi als konstante, zuverlässige Stimme für die Freiheit wahr. In einem medial leider recht stark kollektivistisch ausgerichteten Umfeld sei er einer der eher wenigen, aber deutlichen und klaren Vertreter von Freiheit und Individualismus. Dominik Feusi verstehe — wie Röpke — das Wesen und den Vorteil der Marktwirtschaft als Gegensatz zur zentralistischen Kommandowirtschaft. Dominik Feusi setze sich in seiner journalistischen Tätigkeit immer wieder in besonderem Masse für Freiheit, Subsidiarität, Privateigentum und Markt ein. Wenn Politiker in Fragen der Energiepolitik, der Sozialpolitik, der Umweltpolitik oder der Europapolitik auf kollektivistische Lösungen setzten, sei ihnen der Widerspruch von Dominik Feusi gewiss. Bei Dominik Feusi sei der Liberalismus immer angewandte Philosophie. Es seien keine verstaubten, abstrakten oder weltfremden Plattitüden. Sein Schreibstil sei konkret, direkt, auf den Punkt. Er nenne die Sache beim Namen und sei auch in seiner Zeit beim Tagesanzeiger immer angstfrei gewesen. Intellektuelle Kompromisse seien der Feind des guten Journalisten. Journalisten müssten auch unbequem, fragend und kritisch gegenüber der politischen Macht sein. Genau diese Eigenschaften schätze man beim Preisträger.


In seiner Dankensrede betonte Dominik Feusi ganz in der Tradition Röpkes, dass es unzureichend sei, den Liberalismus einzig auf seine ökonomische Komponente zu reduzieren. Liberale würden oftmals als «sozial kalte Wesen» wahrgenommen, weil sie von der Selbstregulierung der Märkte überzeugt seien: Während Linke mehr Geld für Krankenkassenprämienverbilligungen, für die Armutsbekämpfung und familienexterne Kinderbetreuung forderten und Liberale sich dagegenstellten, hafte Liberalen das Etikett des kalten Verhinderers einer «gerechten Gesellschaft» an, während sich Linke als «Menschenfreunde» darstellen könnten. Doch es sei hinlänglich klar, dass freiwillig geschlossene Verträge zwischen Menschen das beste Mittel seien, die Beziehungen in einer Gesellschaft zu organisieren. Freie Preise sorgten für die effiziente Zuteilung knapper Ressourcen, seien es Material, Arbeitskraft oder finanzielle Mittel. Und weil in einer freien Gesellschaft Millionen solcher Verträge entstünden und vergingen, funktioniere sie besser als jede Planwirtschaft und habe unseren Lebensstandard massiv angehoben. Doch dabei seien auch einige Dinge verloren gegangen, z.B. der soziale Zusammenhalt. Was gelte es also aus liberaler Sicht zu tun?

Wilhelm Röpke würde Dominik Feusi zufolge auf die vielfältige und kleinräumige Zivilgesellschaft verweisen, auf einen Gemeinsinn, der nicht «von oben» vom Staat, sondern «von unten» hergestellt werde und aus der freiwilligen Kooperation der Menschen entstehe. Ausserdem würde Röpke auf die Rückbesinnung auf die Subsidiarität pochen: Die Forderung, dass Fragen zuerst vom Individuum, seinen Nächsten und seiner Familie beantwortet und nur dann von einer höheren staatlichen Ebene geregelt werden, wenn es nicht anders geht. Das menschlich nötige Zuhause gebe uns Halt und Sinn, es bewahre uns vor der anonymen Grossgesellschaft. Das Ziel des Liberalismus sei also nicht einfach, genügend Parkplätze zu gewährleisten und die serbelnde Altersvorsorge zu sichern. Ziel sei die sich selbst regierende Gesellschaft. Dominik Feusi brachte dies wie folgt auf den Punkt: «Ich bin liberal, damit meine Kinder ihre Talente und Träume ausleben können, ohne dass sie vorher Cédric Wermuth um eine Erlaubnis bitten müssen.» Es gehe also nur mit einer Entstaatlichung der Zivilgesellschaft und dem Wiederaufbau von liberalen Gemeinschaften: von Zirkeln, Freundeskreisen, Zünften, von Milizorganisationen, freiwilligen Diensten, Kirchen, liberalen Medien, Schulen und Kulturinstitutionen.

Lesen Sie hier die Dankensrede des Preisträgers, Dominik Feusi.

30. November 2022

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