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Für ein Gemeindereferendum auf Bundesebene

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Die Gemeinden spielen in der Schweiz seit je eine Doppelrolle als autonome Zentren demokratischer Entscheide sowie als Vollzugsorgane von Bund und Kantonen. Die Gemeinden verlieren heute aber immer mehr ihrer Gestaltungs- und Innovationsspielräume und werden zunehmend zu (reinen) Vollzugsorganen von Bund und Kantonen.

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Die Gemeinden spielen in der Schweiz seit je eine Doppelrolle als autonome Zentren demokratischer Entscheide sowie als Vollzugsorgane von Bund und Kantonen. Die Gemeinden verlieren heute aber immer mehr ihrer Gestaltungs- und Innovationsspielräume und werden zunehmend zu (reinen) Vollzugsorganen von Bund und Kantonen.

Die Gemeindeautonomie bildet das Bollwerk gegen Zentralisierungstendenzen, und sie ist Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips, eines zentralen Merkmals des schweizerischen Bundesstaats. Wenig Zentralisierung: Das ist Garant der Willensnation Schweiz. Wenn selbständige Gemeinden einen bedeutenden Teil der öffentlichen Angelegenheiten erledigen, wird Macht vertikal geteilt. Die Gemeindeautonomie weist die Macht von Bund und Kantonen in Schranken. Es geht dabei weniger um die abwehrende «Freiheit vom Staat», sondern vielmehr um die Freiheit zur Mitgestaltung der öffentlichen Angelegenheiten. Dieses republikanische Freiheitsverständnis ist in der schweizerischen politischen Tradition sehr gut verankert. Im kleinen Raum der Gemeinde soll die Basis des Engagements der Bürger für das öffentliche Wohl gelegt werden – die freiwillige (politische) Miliztätigkeit ist Ausdruck dafür. Nicht nur die Stimmbürger, vor allem auch ihre Repräsentanten gehen durch die Schule der lokalen Demokratie.

Verfassungslage und Realität

Milizsystem und direkte Gemeindedemokratie setzen beide der Entfremdung der Bürgerinnen und Bürger vom Staat gemeinschaftliche Konzepte entgegen. Dies ist zentral für ein Gemeinwesen wie die Schweiz, gerade auch angesichts der gesellschaftlichen Tendenzen, bei denen der «Wutbürger» zum Gegenspieler von Kompromissfähigkeit, Diskussionskultur und sachbezogener Politik mutiert.

Der Gemeindeartikel (Art. 50 BV), den die Stimmbürger im Rahmen der neuen Bundesverfassung von 1999 angenommen haben, erwähnt die dritte Staatsebene in der Bundesverfassung explizit; diese ist damit nicht «gemeindeblind». In programmatischer Hinsicht wirkt Artikel 50 als Postulat, die Gemeindeautonomie in möglichst hohem Masse zu realisieren. Er auferlegt dem Bund zudem Verpflichtungen in Bezug auf die Gemeinden im Allgemeinen sowie die Städte, Agglomerationen und Berggebiete im Besonderen. Insbesondere Absatz 2 ist einem institutionellen Fokus verpflichtet. Er verlangt, dass der Bund bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden beachtet. Als Handlungsträger angesprochen sind die eidgenössischen Räte, der Bundesrat und die Bundesverwaltung. «Beachten» heisst, dass die Wirkungen solchen Handelns auf die Gemeinden als dritte Staatsebene abgeschätzt und, soweit möglich, unerwünschte Konsequenzen vermieden werden.

Allerdings: Die zunehmende Komplexität der Aufgaben, die Verrechtlichung und die Tendenz zur Kompetenzverlagerung hin zu Kanton und Bund machen es den Gemeinden nicht leicht, ihre Aufgaben auch weiterhin autonom zu erfüllen. Die Gemeinden konnten letztlich ihren Autonomiegrad auch mit dem neuen Artikel 50 BV nicht verbessern. Im Gegenteil: Laut einer seit 1994 regelmässig durchgeführten Befragung der Stadt- und Gemeindeschreiber nimmt die Gemeindeautonomie stetig ab. Die schweizerische direkte Demokratie kann aber nur erhalten werden, wenn sie auch in Zukunft ihre integrierende Wirkung auf allen drei staatlichen Ebenen entfalten kann. Der zur schweizerischen Staatsidee gehörende Anspruch, die politische Gestaltung so weit wie möglich den Bürgern zu überlassen, setzt voraus, dass auch den Kantonen und vor allem den Gemeinden eigenständiger Gestaltungsspielraum verbleibt.

Gemeindereferendum in den Kantonen

Die Gemeindeautonomie sollte weiterhin eine lokale Identifikationsmöglichkeit in der individualisierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts bieten, sonst ist die soziale Kohäsion in Gefahr. Nur wenn Gestaltungsfreiheit gegeben ist, interessieren sich die Bürgerinnen und die Bürger auch für die entsprechenden Milizämter auf Gemeindeebene. Es ist dringend notwendig, dass die Gesetzgeber in Bund und Kantonen stets ernsthaft nach Gemeindeautonomie-freundlichen Lösungen suchen. Entscheide, die nahe beim Bürger gefällt werden, sind in der Regel besser akzeptiert.

Weitergehende institutionelle Mechanismen für die Erhaltung der Gemeindeautonomie drängen sich auf. In sieben Kantonen existiert bereits ein «Gemeindereferendum». Dort können die Gemeinden das Referendum gegen Kantonserlasse ergreifen und so das Volk für eine Abstimmung an die Urne bitten. Es handelt sich um die Kantone Basel-Landschaft, Graubünden, Jura, Luzern, Solothurn, Tessin und Zürich. Beim Gemeindereferendum auf kantonaler Ebene variiert die Anzahl Gemeinden, die nötig sind, damit ein Gemeindereferendum zustande kommt, von Kanton zu Kanton. Allen gemeinsam ist, dass weder eine Mindestanzahl von Einwohnerinnen und Einwohnern vorgesehen ist noch die Einwohnerzahlen der einzelnen Gemeinden berücksichtigt werden.

Mit dem Gemeindereferendum wird die Stellung der Gemeinden im Kanton gestärkt. Beschlüsse des kantonalen Parlaments, welche die Gemeinden in besonderem Masse betreffen, können aktiv bekämpft werden, indem eine Volksabstimmung verlangt wird. Das langwierige und kostenintensive Sammeln von Unterschriften entfällt. Durch das Gemeindereferendum wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Stimmberechtigten über eine dem fakultativen Referendum unterstehende Vorlage abstimmen können, wenn sie für die Gemeinden von zentraler Bedeutung ist.

Wir schlagen vor, dass in Ergänzung zum Kantonsreferendum zusätzlich ein Gemeindereferendum auf Bundesebene eingeführt wird. Damit könnte bei einer Vorlage, durch welche die Gemeinden ihre Gestaltungsfreiheit bedroht sehen, das Volk als Schiedsrichter entscheiden, ob es dem Erlass des Bundesparlamentes zustimmt oder ob es den Gemeinden recht gibt. Mit der Einführung eines Gemeindereferendums würde nicht in die kantonale Kompetenz eingegriffen, über den Bestand und die Stellung der Gemeinden eigenständig zu bestimmen.

Zwar würde eine durch die Bundesverfassung bestimmte Anzahl von Gemeinden im Bereich des fakultativen Referendums auf die gleiche Ebene wie die acht Kantone mit ihrem Kantonsreferendum gehoben. Die durch das Gemeindereferendum neu geschaffene (abwehrende) Einflussmöglichkeit kommunaler Organe in Angelegenheiten des Bundes wäre aber eine sinnvolle Ergänzung und würde nicht zu einer Verschiebung der Kräfte im föderalistischen System zulasten der Kantone führen. Zu erwähnen ist zudem, dass es heute schon eine ganze Reihe von Bereichen gibt, wo ein direkter Durchgriff des Bundes auf die Gemeinden stattfindet. Da für ein Kantonsreferendum die Unterstützung von acht Ständen nötig ist (Art. 141 Abs. 1 BV), ist sehr genau abzuwägen, wie vielen Gemeinden gleich viel Einfluss eingeräumt werden sollte. Wir machen den Vorschlag, dass es 200 Gemeinden aus mindestens 15 Kantonen möglich sein soll, das Referendum zu ergreifen.

Das Referendumsrecht wirkt sich im politischen Prozess insgesamt «nur» bewahrend aus, denn es wendet die vom Parlament ausgehenden Veränderungen ab oder schiebt sie zumindest hinaus. Die Gemeinden würden somit nicht aktiv verändernd in die Bundesgesetzgebung eingreifen. Auch ist zu erwarten, dass es genauso selten wie das Kantonsreferendum benutzt würde. Es könnte aber Vorwirkungen entfalten, indem es die Regierung, das Parlament und auch die Verwaltung bereits vor der Beschlussfassung zwingt, die Interessen möglichst aller referendumsfähigen politischen Gruppen zu berücksichtigen und einen tragfähigen Kompromiss zu suchen. Das hauptsächlich auf die Beibehaltung der geltenden Rechtsordnung gerichtete Referendum ist darum ein zweckmässiges Instrument, um die Stellung der Gemeinden zu stärken.

Reto Lindegger
The future director is chief of staff of the mayor of Biel and since 2011 part-time lecturer in the course "Fachausweis als Bernische Gemeindefachfrau / Bernischer Gemeindefachmann" at the Education Center for Business and Services in Bern. Previously, he worked as a section chief and country analyst in the former Asylum Appeals Commission (Special Administrative Court) and was part of the core cadre, which prepared and implemented the transition from the appeal commissions and complaints services to the newly formed Federal Administrative Court.

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