Photo: Trump White House Archived from Flickr (CC 0) Wie kann es nur sein, dass Donald Trump erneut gewählt werden könnte? Es hat insbesondere mit Sichtbarkeit zu tun. In 10 Tagen beginnen die Vorwahlen der republikanischen Partei zur US-Präsidentschaftswahl am 5. November. Und im Moment sagen alle Umfragen voraus, dass Donald Trump eine zweite Chance im Weißen Haus bekommen wird. Der ehemalige Präsident treibt das verbliebende Kandidatenfeld der Republikaner seit Monaten vor sich her. Er führt in vielen Vorwahlumfragen mit absoluter Mehrheit ohne auch nur an einer einzigen der vier bisher geführten TV-Debatten teilgenommen zu haben. Auch gegen den Amtsinhaber Joe Biden stünden die Chancen nicht schlecht. Denn dieser konnte bei seinem wichtigsten Versprechen, nämlich Politik wieder
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Wie kann es nur sein, dass Donald Trump erneut gewählt werden könnte? Es hat insbesondere mit Sichtbarkeit zu tun.
In 10 Tagen beginnen die Vorwahlen der republikanischen Partei zur US-Präsidentschaftswahl am 5. November. Und im Moment sagen alle Umfragen voraus, dass Donald Trump eine zweite Chance im Weißen Haus bekommen wird. Der ehemalige Präsident treibt das verbliebende Kandidatenfeld der Republikaner seit Monaten vor sich her. Er führt in vielen Vorwahlumfragen mit absoluter Mehrheit ohne auch nur an einer einzigen der vier bisher geführten TV-Debatten teilgenommen zu haben. Auch gegen den Amtsinhaber Joe Biden stünden die Chancen nicht schlecht. Denn dieser konnte bei seinem wichtigsten Versprechen, nämlich Politik wieder langweilig zu machen, bisher nicht liefern. Als Deutscher, der in den USA lebt, bekommt man deshalb die immer gleiche Frage gestellt: Wie kann es nur sein, dass Trump wiedergewählt werden könnte? Trotz der im ganzen Land anhängenden Gerichtsverfahren, seiner Rolle bei der Stürmung des Repräsentantenhauses am 6. Januar und dem letztlich gescheiterten Versuch, die letzte Präsidentschaftswahl irgendwie zu delegitimieren. Ich denke es ist alles eine Frage der Sichtbarkeit.
Erfolgreiche Präsidenten sind Trendsetter
Die Präsidentschaft Barack Obamas gilt vielen weltweit vermutlich als gelungen. Dabei sticht seine Amtszeit programmatisch nicht sonderlich hervor. Ähnlich wie Angela Merkel tat er, etwa nach der Finanzkrise 2009, das, was die meisten für richtig hielten. Obama war und ist aber bis heute herausragend darin, sich als Pop-Ikone in Szene zu setzen. Obama ist urban, chic, lässig, und beinahe obszön erfolgreich und dazu auch noch mit der perfekten Familie gesegnet. Er ist das, was alle hippen Städter in den USA gerne sein wollen. Und auch ein bisschen können, wenn sie sich an Obamas jährlich veröffentlichte Listen der besten Bücher, Songs und Filme halten. Trump ist das Gegenkonzept. Er ist der Inbegriff von Erfolg, wie man ihn sich im mittleren Westen vorstellt. Pomp und Gold, gepaart mit McDonalds. Gnadenlos gegenüber „Versagern“ und Gegnern, stereotype Männlichkeit. Frauen sind nur Beiwerk.
Auch wenn man es sich aus deutscher Sicht schwerlich vorstellen kann: Trump ist mit diesem Stil ebenso eine Pop-Ikone. Er war die logische Antwort auf die bisweilen herablassende Attitüde der liberalen Stadtbevölkerung zur Obama-Zeit, die alles zwischen New York City und Los Angeles gern als „Fly Over Land“ bezeichnet – und es auch so meint. Die Pointe, dass Obama seine politischen Wurzeln in Chicago hat, also im Mittleren Westen, und Trump ein alteingesessener New Yorker ist, fällt in der Wahrnehmung meist unter den Tisch. Denn es geht hier nicht um reale Menschen, sondern um Ikonen, mit denen die Massen im Einklang skandieren können. Entweder „Yes We Can“ oder eben „Make America Great Again“.
Im Gegensatz zu Joe Biden, und besonders zu den anderen republikanischen Vorwahlkandidaten, ist Trump eine Art Taylor Swift des Selbstmarketings. Bei Biden bleibt nur die Fliegerbrille hängen und seine bisweilen leider etwas senil wirkenden Auftritte. Aber jeder, absolut jeder, hat ein klares Bild von der Pop-Figur Trump. Egal ob man seinen Stil verabscheut oder verherrlicht, er ist sichtbar. Da wird sogar ein gerichtliches Polizeifoto zur Ikone mit eigenem Wikipedia-Eintrag.
Bidens Kampf gegen unsichtbare Probleme
Doch die Sichtbarkeit Trumps beschränkt sich nicht auf seine Inszenierung. Für viele sicherlich überraschend punktet Trump in den Umfragen zunehmend auch bei der jungen Bevölkerung. Bei den Unter-35jährigen sind Trump und Biden nun beinahe gleichauf. Das lässt sich kaum mit popkulturellen Argumenten erklären, denn bei den Jüngeren zieht der Trump-Pomp eher weniger. Stattdessen sind gerade viele junge Wähler zunehmend frustriert vom Agenda-Setting Bidens und dessen Demokratischer Partei. Sichtbarkeit hat die Biden-Administration vor allem in Fragen des Klimawandels oder der Außen- und Gesellschaftspolitik. Doch Erderwärmung und Ukrainekrieg sind für die meisten Amerikaner unsichtbare Probleme. Insbesondere in Zeiten, in denen 60 Prozent der Amerikaner von Gehaltsscheck zu Gehaltscheck und ohne jedwede Rücklagen leben. Nach einem Jahrzehnt, in dem finanziell alles immer nur besser wurde, hat die nächste Generation schlicht Angst davor, nichts mehr vom Kuchen abzubekommen.
Da rücken unsichtbare Problem, ungeachtet ihrer tatsächlichen Bedeutung, erstmal in den Hintergrund. Trump kann im Gegenzug auf die starken ökonomischen Verhältnisse während seiner Präsidentschaft verweisen. Da ist es unbedeutend, ob seine Politik dazu auch nur irgendeinen positiven Beitrag geleistet hat. Was zählt ist der sehr sichtbare Scheck am Ende des Monats, und was es dafür zu kaufen gibt. Und in dieser Hinsicht geht es vielen Amerikanern spürbar schlechter als noch vor einigen Jahren.
Nicht nur Trumps Inszenierung ist also sichtbarer auch seine Themen sind es.
Politik hat den Anstand verloren
Dass es tatsächlich zu einem erneuten Aufeinandertreffen von Trump und Biden kommen könnte, ist ein Armutszeugnis für den Zustand der landesweiten Demokratie in den USA. Eigentlich sollte keiner der beiden auch nur in die Nähe des Weißen Hauses kommen – aus ganz unterschiedlichen Gründen, wohl gemerkt. Die ganze Situation ist Symptom einer Krankheit, die längst auch auf die europäischen Demokratien übergegriffen hat: hemmungsloser Anstandsverlust. Um dem zu begegnen, bedarf es weder großspuriger Reformpläne, noch fetziger Kampagnen. Es bräuchte Menschen wie den verstorbenen John McCain, die ihre Gegner respektieren und nach den Prinzipien leben, die sie politisch vertreten. Eliten, die einer Gesellschaft ein Wertevorbild sind und ihr in Zeiten des Wandels Halt geben. Dass ausgerechnet der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, sich nun als Anstandskandidat inszeniert, ist so lachhaft wie unglaublich. Antwortete er doch einst auf Kritik an seiner Amtsführung: „So läuft das eben: Wer als Gouverneur kandidiert, kann die Residenz haben.“ Das Gleiche gilt dann wohl für die Präsidentschaftswahl in 10 Monaten.