Die Stimmung an den Finanzmärkten ist gut. Doch sobald sich immer mehr unbedarfte Privatanleger zur Spekulation verleiten lassen, sollten die Warnleuchten angehen.
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Die Stimmung an den Finanzmärkten ist gut. Doch sobald sich immer mehr unbedarfte Privatanleger zur Spekulation verleiten lassen, sollten die Warnleuchten angehen.
Was haben die Tatsachen gemeinsam, dass Online-Broker wie Swissquote in der Schweiz oder Charles Schwab in den USA zunehmende Mittelzuflüsse und verstärkten Handel verzeichnen? Oder dass viele überregionale Tageszeitungen nach langem Zögern und jahrelanger Hausse an den Weltbörsen mit Verweis auf die enormen Renditen der Vergangenheit penetrant für Aktienanlagen trommeln? Ganz einfach: Sie sind ein Indiz für ausgesprochen prozyklisches Verhalten.
Psychologisch angehauchte Ökonomen nennen das Phänomen auch Herdentrieb. Einfach erklärt geht das so: Ist an den Finanzmärkten aus beliebigem Grund Verkaufspanik ausgebrochen, versuchen sich normale Anleger mitten im grössten Katzenjammer in Deckung zu bringen. In diesem Zustand tendieren sie dazu, ihre Wertpapiere um jeden Preis loswerden zu wollen, und sei dieser noch so tief. Meist fällt es zu dieser Zeit selbst den grössten Optimisten schwer, sich dem Trend entgegenzustemmen. In der Regel sind es schliesslich professionelle Investoren, die nüchtern bleiben – und zumindest die Guten unter ihnen beginnen in diesem Stadium, über Zukäufe auf einem günstig gewordenen Bewertungsniveau nachzudenken.
Auch umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wenn die Notierungen an den Aktienmärkten lange Zeit offenbar unaufhörlich nach oben gehen und Freunde oder Bekannte von ihren Kursgewinnen erzählen, überlegt sich irgendwann auch der grösste Skeptiker, ob er nicht doch einsteigen sollte. Das gilt nicht nur für Aktienanlagen, sondern auch für die gewaltigen Spekulationen, die zum Beispiel mit an sich wertlosen Kryptowährungen getätigt werden. Erfahrene Anleger erinnern sich angesichts der Epidemie neuer Angebote in diesem Bereich und angesichts der überschwänglichen, meist auch unkritischen Euphorie unter unbedarften Privatanlegern an die Entstehungsgeschichten der Kursdesaster in den Jahren 2000 bis 2003 und 2007 bis 2009. Denn davor war die Stimmungslage jeweils ähnlich zuversichtlich wie heute.
So gesehen ist bemerkenswert, wenn nun immer mehr Privatanleger dazu übergehen, neue Konti bei Brokern zu eröffnen und wie wild zu handeln, weil scheinbar risikolose Gewinne bei geringem Aufwand locken. Routinierte Investoren bezeichnen diese Entwicklung als «Dienstmädchen-Hausse». Damit beziehen sie sich auf die guten alten Zeiten. Sobald sich damals die phänomenale Kursentwicklung an den Finanzmärkten in den Herrschaftshäusern der Industriellen bis zu ihren in wirtschaftlichen Belangen unbedarften Dienstmädchen durchgesprochen hatte, war diese praktisch schon vorbei. Während die Hausangestellten ihre Kauforders in den überhitzten Markt gaben, wussten ihre Arbeitgeber, dass der den Kursaufschwung tragende Wirtschaftsboom vorbei war, und traten eher als Verkäufer auf. Folglich sollte das Motto lauten: Vorsicht vor den Dienstmädchen – im übertragenen Sinne natürlich.