Bei der anstehenden Reform der Grundsteuer läuft die Entscheidung zwischen dem Flächenmodell der CSU und dem wertorientierten Modell von Scholz letztlich auf die Frage hinaus, ob regressive oder progressive Verteilungswirkungen erreicht werden sollen. Bayern konnte sich am Ende durchsetzen; der Freistaat darf die reformierte Grundsteuer rein flächenbezogen bemessen. Einige CDU-geführte Länder prüfen, ob sie sich dem Beispiel anschließen sollen. Die anderen Bundesländer werden dagegen dem Vorschlag des Bundesfinanzministers Scholz folgen und die Grundsteuer wertabhängig erheben. Es wird also künftig in Deutschland zwei unterschiedliche Modelle der Grundbesteuerung geben. Welche Vorteile bietet das CSU-Modell? Die Vertreter des Flächenmodells argumentieren mit dem geringeren
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Bei der anstehenden Reform der Grundsteuer läuft die Entscheidung zwischen dem Flächenmodell der CSU und dem wertorientierten Modell von Scholz letztlich auf die Frage hinaus, ob regressive oder progressive Verteilungswirkungen erreicht werden sollen.
Bayern konnte sich am Ende durchsetzen; der Freistaat darf die reformierte Grundsteuer rein flächenbezogen bemessen. Einige CDU-geführte Länder prüfen, ob sie sich dem Beispiel anschließen sollen. Die anderen Bundesländer werden dagegen dem Vorschlag des Bundesfinanzministers Scholz folgen und die Grundsteuer wertabhängig erheben. Es wird also künftig in Deutschland zwei unterschiedliche Modelle der Grundbesteuerung geben.
Welche Vorteile bietet das CSU-Modell?
Die Vertreter des Flächenmodells argumentieren mit dem geringeren Veranlagungsaufwand. Das Flächenmodell sei einfacher und deswegen unbürokratischer zu erheben. Das Gewicht dieses Arguments ist indes umstritten. Beim Modell von Scholz werden die Steuerpflichtigen kaum mehr Angaben machen müssen als beim Flächenmodell der CSU. Z.B. verlangen beide Modelle vom Grundstückseigentümer Mitteilungen zur Grundstücksfläche und zur Wohnfläche.
Ein zweites Argument der Vertreter des Flächenmodells hebt auf Belastungswirkungen ab. Bei dem Wertmodell laufe man Gefahr, dass die gestiegenen Bodenpreise „mit voller Wucht“ auf die Wohnnebenkosten durchschlagen. Das gelte es zu vermeiden. Es wird also der Eindruck erweckt, als erspare das Flächenmodell den Bürgern Steuerlasten. Dieser Eindruck ist indes irreführend. Das Steuerniveau bestimmen allein die Kommunen, und zwar bei beiden Modellen durch die Wahl des Grundsteuerhebesatzes. Für einen fairen Vergleich muss man gar unterstellen dürfen, dass die Kommunen nicht weniger und nicht mehr Steuereinnahmen erzielen wollen als heute und dass sie bemüht sein werden, den Hebesatz entsprechend anzupassen. Nicht beeinflussen können die Kommunen dagegen die modellbedingten Belastungswirkungen und damit die Frage, wer künftig bei konstant gehaltenen Steuereinnahmen mehr zahlen muss und wer weniger.
Unterschiedliche Bodenpreisentwicklungen innerhalb der gleichen Kommunen
Um diese Frage zu beantworten, empfiehlt es sich, Grundstücke aus der gleichen Kommune zu vergleichen. Das hat den Vorteil, dass man von den geltenden Hebesätzen absehen kann. Weil bei beiden Reformmodellen größere Grundstücke stärker belastet werden als kleinere, empfiehlt es sich auch, Grundstücke gleicher Größe und Bebauungsart zu vergleichen. Nur so kann man modellbedingte Effekte präzise zuordnen. Unterschiedliche Grundsteuerlasten sind dann allein durch die Lage und das Besteuerungsmodell verursacht. Die unterschiedlichen Wirkungen der konkurrierenden Reformmodelle seien nun am Beispiel der Stadt München illustriert.
Verglichen werden zwei Stadtteile, und zwar Bogenhausen („gesucht und teuer“) mit Milbertshofen („gemischt genutzt und relativ preiswert“). Etwaige Unterschiede in den aktuellen Grundsteuerlasten sind unter den getroffenen Annahmen allein Ausdruck unterschiedlicher Bodenpreise im letzten Bewertungsjahr 1964. Seitdem sind die Bodenpreise in Milbertshofen allerdings um das 47-fache gestiegen. Der hohe Faktor mag erstaunen; er wird aber in Bogenhausen sogar noch übertroffen. Dort sind die Bodenrichtwerte im gleichen Zeitraum um den Faktor 92 in die Höhe geschossen, was einer jährlichen Verzinsung von 8,6 Prozent entspricht. Die Grundstückspreise sind also in dem teuren Wohngebiet fast doppelt so stark gestiegen wie in dem preiswerten. Für andere Großstädte lassen sich ähnliche Wertsteigerungsdifferenzen nachweisen. Auch in anderen deutschen Kommunen haben sich die Grundstückspreise in den teuren Wohngebieten dynamischer entwickelt als in den preiswerten – wenn auch meistens auf niedrigerem Niveau als in München. Festhalten kann man also, dass Grundstücke im Laufe der Zeit deutliche Wertsteigerungen erfahren und dass sich deren Ausmaß selbst innerhalb einer Kommune stark zwischen den Wohngebieten unterscheidet.
Grundbesitz ist in Deutschland vor allem deswegen attraktiv, weil private Veräußerungsgewinne jenseits einer Spekulationsfrist von zehn Jahren dem Eigentümer steuerfrei zuwachsen. Eine vergleichbare Begünstigung gibt es bei keiner anderen Anlageform, auch nicht bei Aktien. Dort sind Veräußerungsgewinne seit 2008 einkommensteuerpflichtig.
Ist eine regressiv oder progressiv wirkende Grundbesitzbesteuerung erwünscht?
Die einkommensteuerliche Begünstigung des Grundbesitzes würde durch das Scholz-Modell gedämpft, durch das CSU-Modell dagegen verschärft. Die dynamischere Bodenpreisentwicklung in Bogenhausen würde sich nach dem Scholz-Modell in einer allmählichen Verschiebung relativer Grundsteuerlasten von Milbertshofen nach Bogenhausen niederschlagen, was die hohe Wertsteigerung in Bogenhausen nach Steuer etwas reduzierte. Dagegen blieben die relativen Grundsteuerlasten nach dem CSU-Modell für alle Zeiten festgezurrt. Es ist sogar davon auszugehen, dass bei Annahme eines konstant gehaltenen Steueraufkommens die fälligen Grundsteuerbeträge in Milbertshofen bei Einführung des CSU-Modells leicht ansteigen und jene in Bogenhausen dagegen sinken.
Dieses Beispiel verdeutlicht die Entscheidung, die die Politik zu treffen hat. Wählt sie das Scholz-Modell, entscheidet sie sich für eine relativ stärkere Besteuerung von Grundstücken in gesuchten Wohngebieten. Wählt sie das Flächenmodell der CSU, ist es umgekehrt. Nach herkömmlichen Maßstäben wird man die Verteilungswirkungen des CSU-Modells als regressiv bezeichnen, weil man unterstellt, dass in preiswerten Wohngebieten eher Bürger mit kleinem Einkommen leben. Die Verteilungswirkungen des Scholz-Modells sind dagegen progressiv. Mit der Wahl zwischen den beiden Modellen entscheidet die Politik also zwischen progressiven und regressiven Steuerwirkungen.
Bisher lag der Fokus auf der Frage, wie die anstehende Reform die Steuerlastverteilung verändert. Den Raumwirtschaftler interessiert dagegen vor allem die Frage, wie sich die unterschiedliche Bemessung der Grundsteuer auf die künftige kommunale Entwicklung auswirkt. Unter diesem Gesichtspunkt spricht viel für die wertabhängige Grundsteuerbemessung.
Steigen mit dem CSU-Modell bald die Gewerbesteuern?
Man muss lediglich ein paar Jahre weiterdenken. Bei steigenden Preisen verliert eine rein flächenbezogene Grundsteuer bei unveränderten Hebesätzen zunehmend an Gewicht. Die kommunalen Parlamente werden dann vor der Aufgabe stehen, ihren Bürgern zu erklären, dass die Hebesätze wegen gestiegener Preise angehoben werden müssen. Da die Anhebungen auf die preiswerten Wohngebiete ungeschmälert durchschlagen, wird man zu dem Ergebnis kommen, dass Anhebungen sozialpolitisch nicht vertretbar sind. Darin zeigen sich dann die politischen Entscheidungskosten einer einfachen, aber regressiven Steuerbemessung. Die Kommunen werden versucht sein, Budgetlöcher auf anderem Wege zu stopfen. Vorzugsweise wird man höhere Zuweisungen vom Land einfordern. Falls diese ausbleiben, wird man in eine Anhebung der Gewerbesteuer flüchten. Da Gewerbe flüchtig ist, kann man erwarten, dass das Flächenmodell eine Verlagerung kommunaler Steuerlasten von immobilen zu mobilen Bemessungsgrundlagen begünstigt. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was Ökonomen mit Blick auf den internationalen Steuerwettbewerb Deutschland empfehlen.
Eine Bodenwertorientierung erleichtert kommunale Infrastrukturentscheidungen
Für eine wertabhängige Besteuerung von Grundstücken spricht auch deren Wirkung auf kommunale Entscheidungsprozesse bei Infrastrukturprojekten. Vom Ausbau einer Straße oder einer U-Bahn sind Grundstückseigentümer in unterschiedlichem Maße betroffen. Während die einen sich einer Aufwertung ihres Grundstückes erfreuen, müssen andere einen Wertverlust beklagen. Bei einer wertabhängigen Besteuerung werden solche Wertsteigerungen und -verluste zwischen Grundstückseigentümer und Kommune geteilt. Dieser Effekt schwächt die natürlichen Interessengegensätze, die bei Infrastrukturprojekten Grundstückseigentümer trennen und kommunale Entscheidungsprozesse erschweren. Bei einem Flächenmodell bleibt dieser begrüßenswerte Effekt dagegen aus.
Für den Raumwirtschaftler ist die Bodenwertorientierung bei der Grundsteuerbemessung wegen solcher Wirkungen unverzichtbar. Bei den Aufbauten sind die Vorteile einer Wertorientierung dagegen weniger zwingend. Insofern wäre ein tragbarer Kompromiss zwischen den konkurrierenden Modellen ein solcher, bei dem der Grund und Boden wertorientiert bemessen wird, die Aufbauten dagegen flächenorientiert.
©KOF ETH Zürich, 18. Sep. 2019