Anders als beim „Klimaschutz“ gilt es in der Wirtschaft nicht als angesagt, sich Panik zu wünschen. Allerdings stellt diese sich von Zeit zu Zeit bei den Marktteilnehmern von allein ein – mit oft schwerwiegenden Folgen. In seinem „Morning Briefing“ nennt Publizist und Ex-„Handelsblatt“-Chefredakteur Gabor Steingart drei aussagekräftige Indikatoren dafür, dass die Gefahr einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ähnlich jener vor zehn Jahren größer sein könnte als die Entwicklung in den vorangegangenen Jahren auf den ersten Blick vermuten ließe. Einer davon ist der Goldpreis, der derzeit mehr als das Dreifache jenes im Jahr 2000 betrage, mit steigender Tendenz. Höher als heute war er bislang nur in den Jahren nach dem Zusammenbruch des US-amerikanischen Subprime-Marktes und der
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Anders als beim „Klimaschutz“ gilt es in der Wirtschaft nicht als angesagt, sich Panik zu wünschen. Allerdings stellt diese sich von Zeit zu Zeit bei den Marktteilnehmern von allein ein – mit oft schwerwiegenden Folgen.
In seinem „Morning Briefing“ nennt Publizist und Ex-„Handelsblatt“-Chefredakteur Gabor Steingart drei aussagekräftige Indikatoren dafür, dass die Gefahr einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ähnlich jener vor zehn Jahren größer sein könnte als die Entwicklung in den vorangegangenen Jahren auf den ersten Blick vermuten ließe.
Einer davon ist der Goldpreis, der derzeit mehr als das Dreifache jenes im Jahr 2000 betrage, mit steigender Tendenz. Höher als heute war er bislang nur in den Jahren nach dem Zusammenbruch des US-amerikanischen Subprime-Marktes und der Pleite der Lehman Brothers. Mitte der 2010er Jahre, als die gravierendsten Folgen der Finanzkrise als ausgestanden galten, hatte er sich von fast 1400 Euro pro Feinunze kurzfristig auf knapp über 800 erholt.
„Flucht des Bürgertums ins Betongold“
Anschließend ging es jedoch wieder kontinuierlich bergauf, obwohl Gold als überaus preisstabil gilt – derzeit liegt der Preis bei knapp 1200 Euro. Die Nachfrage steigt, weil Gold als Stabilitätsanker in einer Zeit hoher Unsicherheit und Volatilität auf den Finanzmärkten oder inmitten von Krisen selbst gilt.
Einen ähnlichen Ansturm wie das Gold erlebt jedoch auch der Immobilienmarkt. Steingart spricht von der „Flucht des Bürgertums in das Betongold“ als der „ökonomischen Migrationsbewegung unserer Zeit“. Vor allem in großen Städten bewegen sich die indexierten Immobilienpreise global auf einem Niveau, das um etwa 60 Prozent über jenem des Jahres 2006 liegt. In Nordamerika ist es eine Steigerung von knapp über 40 Prozent, in der Asien-Pazifik-Region haben sich die städtischen Immobilienpreise fast verdoppelt.
In manchen Fällen hat der Anstieg einen rationalen und nachvollziehbaren Grund. In Berlin verteuern verstärkter Zuzug und eine Zunahme an Singlehaushalten bei geringen Bauanreizen infolge politischer Regulierungen und Bürokratie das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Einen noch stärkeren Verstädterungsprozess gibt es in den Schwellenländern.
Allerdings sind Übertreibungen und die Flucht aus volatilen Börsentiteln Faktoren, die diese Entwicklung verstärken – und Steingart warnt vor allem vor den Folgen damit verbundener Fehlallokationen.
Run auf Anleihen trotz Negativzinsen
Mit Logik wenig erklärbar sei auch der zunehmende Run auf Staatsanleihen als besonders stabil geltender Länder. Ist die Rendite am Ende der Laufzeit bei diesen unter regulären Umständen schon bescheiden, kommt nun erschwerend dazu, dass in Fällen von Anleihen der Niederlande, Japans, Deutschlands und der Schweiz sogar Negativzinsen anfallen. Trotzdem beträgt das derzeitige Anleihevolumen in dieser Klasse 12 Billionen US-Dollar und damit das Dreifache der jährlichen Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik.
Steingart sieht einen klaren Zusammenhang zwischen dem exzessiven Drang zur Sicherheit aufseiten der Anleger und der in jüngster Zeit wiederentdeckten Sympathie der Notenbanken für billiges Geld und leichte Kredite.
„Aus frisch gedruckten Dollar- und Euronoten wird ein Kartenhaus gebaut, das beim nächsten Weltfinanzbeben effektvoll zusammenfallen dürfte“, argwöhnt der Publizist.
Dass EZB-Chef Mario Draghi nach einem weiteren „Stimulus“ ruft, obwohl die Europäische Zentralbank bis jetzt schon mit 2,6 Billionen Euro in Staatsanleihen investiert hat, klingt in den Ohren der Fachwelt wenig ermutigend.
US-Präsident Donald Trump spricht jetzt schon von einer künstlichen Stabilisierung der Eurozone mit dem Ziel, durch einen billigeren Euro den Export zu stützen. Wer Trump kennt, ahnt, dass dieser nicht gewillt ist, diese „gegenüber den USA sehr unfairen“ Handelspraktiken, wie er sie nennt, tatenlos hinzunehmen. Auch dies setzt die Fed unter Zugzwang. Am Ende könnten auch von dieser Seite Geld-Injektionen ins Haus stehen, meint Steingart.
Wirtschaftsweise hält Bankenunion derzeit für unrealistisch
Im Interview mit dem Publizisten plädiert die „Wirtschaftsweise“ Prof. Dr. Isabel Schnabel vor dem Hintergrund der erneuten Krisenanzeichen für ein Festhalten am Ziel der europäischen Bankenunion – auch wenn diese angesichts des Gebarens einzelner Schuldenstaaten der Eurozone erst in fünf bis zehn Jahren realistisch sei.
Diese Bankenunion mit europäischer Bankenaufsicht, einem gemeinsamen Einlagensicherungsfonds und unter Beibehaltung der derzeitigen strikten Regularien solle das Vertrauen in das Bankensystem wiederherstellen und helfen, Risiken rechtzeitig zu erkennen und ihnen gegenzusteuern.
„Es geht bei der Bankenunion darum, dass man verhindern will, dass der Steuerzahler in einer zukünftigen Krise wieder so viel Geld bezahlen muss für die maroden Banken“, erklärt Schnabel. Kritiker meinten jedoch bereits während der Bankenrettungen der späten 2000er und frühen 2010er Jahre, nicht zusätzliche einheitliche Regularien und Instrumentarien wären es, die einen Lerneffekt bewirken würden, sondern einzig das Signal, dass der Markt über deren Schicksal entscheide – und sie sich nicht darauf verlassen könnten, im Zweifelsfall als „too big to fail“ aus der Klemme geholt zu werden.