In einer gemeinsamen Analyse anlässlich der bevorstehenden Wahlen zum EU-Parlament kommen mehrere Wirtschaftsredakteure der „Welt“ zu dem Schluss, dass die Bundesregierung Gefahr läuft, die Folgen ihrer Interventionen ins Marktgeschehen nicht mehr länger hinter steigenden Staatseinnahmen verstecken zu können. Die weithin als eher symbolische Akte interpretierten Ergebnisse des jüngsten Koalitionsausschusses – zusätzliche Mindeststandards für Paketboten, Bekenntnis zum Bürokratieabbau – seien ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Regierungsparteien immer weniger in der Lage seien, sich verschlechternde Rahmenbedingungen in Deutschland zu erkennen und darauf zu reagieren. Rapider Verlust an Wettbewerbsfähigkeit Die Konjunkturflaute greift bereits jetzt Platz, und sollten sich die
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In einer gemeinsamen Analyse anlässlich der bevorstehenden Wahlen zum EU-Parlament kommen mehrere Wirtschaftsredakteure der „Welt“ zu dem Schluss, dass die Bundesregierung Gefahr läuft, die Folgen ihrer Interventionen ins Marktgeschehen nicht mehr länger hinter steigenden Staatseinnahmen verstecken zu können.
Die weithin als eher symbolische Akte interpretierten Ergebnisse des jüngsten Koalitionsausschusses – zusätzliche Mindeststandards für Paketboten, Bekenntnis zum Bürokratieabbau – seien ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Regierungsparteien immer weniger in der Lage seien, sich verschlechternde Rahmenbedingungen in Deutschland zu erkennen und darauf zu reagieren.
Rapider Verlust an Wettbewerbsfähigkeit
Die Konjunkturflaute greift bereits jetzt Platz, und sollten sich die internationalen Handelskonflikte zu einem Handelskrieg ausweiten, so sind sich Verbände und Wirtschaftsforschungsinstitute einig, würde das weitere gravierende Auswirkungen auf Deutschlands Wirtschaft haben.
Deutschland ist in mehreren Bereichen drauf und dran, im internationalen Vergleich massiv an Boden zu verlieren, diagnostiziert auch die „Welt“ und sieht bereits jetzt eine klare Tendenz zur Abstimmung mit den Füßen aufseiten der Leistungsträger aus der Wirtschaft. Immer mehr deutsche Unternehmen bevorzugten es, außerhalb der eigenen Landesgrenzen zu investieren.
Es werden zahlreiche Faktoren für den zunehmend spürbaren Niedergang der deutschen Wirtschaft genannt. Sie reichen von Untätigkeit bei der Unternehmenssteuerreform, hoher Steuerbelastung, immensen Energiepreisen, Bürokratie, staatlicher Planwirtschaft oder falschen Akzenten zu Lasten des Mittelstandes – etwa in Form von Peter Altmaiers „Nationalem Industrieplan 2030“ – bis hin zu den Kosten von Prestigeprojekten der Parteien.
„Google und Amazon als deutsche Gründungen undenkbar“
Diese – vom Baukindergeld über die Mütterrente bis hin zur Grundrente – würden nach Meinung der Wirtschaft unabsehbare Kosten verursachen, ohne einen erkennbaren Effekt zu zeitigen. Vor allem langfristig würde deren Tragfähigkeit in Frage stehen.
Mittelstand und Familienunternehmen hadern damit, dass das Bundeswirtschaftsministerium ihre Bedeutung übersehe und stattdessen auf Protektionismus und Subventionen zu Gunsten von Großkonzernen setze. Im Bankwesen habe Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit seinem umstrittenen Versuch der Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank eine Pleite erlitten. Die SPD rufe nach einer weiteren Erhöhung des Mindestlohns und Klimapolitik oder Wohnungsnot würden ohnehin immer mehr zu einem offenen Scheunentor für eine Politik gegen jeden ökonomischen Sachverstand.
Die „Welt“ hat in ihrer Analyse sieben aus ihrer Sicht in besonderer Weise entscheidende Bereiche ausgemacht, in denen die Koalition durch eine Rückkehr zu Vernunft und Marktwirtschaft einen beängstigenden Trend umkehren oder aber durch ein „Weiter so“ und zusätzlichen staatlichen Interventionismus auf die Spitze treiben könnte.
Der Wirtschaftsweise Lars Feld wird mit dem Hinweis zitiert, dass „die Googles, Amazons und Apples“ nicht vom Staat, sondern von Privatleuten in der Garage gegründet worden seien. In Deutschland mit seiner Bürokratie wäre das heute undenkbar.
Hohe Energiepreise, schlechte Internetqualität
Den dringlichsten Handlungsbedarf sieht die „Welt“ im Bereich der Energiepolitik. Die ideologische, auf staatlichen Dirigismus und Subventionen setzende Energiewende habe in Deutschland für die höchsten Strompreise in ganz Europa gesorgt. Vor allem energieintensive Branchen bekämen das zu spüren und hielten Investitionen zurück – wenn sie diese nicht ohnehin schon nach außerhalb der deutschen Grenzen verlagerten. Betroffen seien unter anderem Metall, Chemie, Glas oder Papier. Von 6,05 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2000 stieg der Strompreis für die Industrie auf mittlerweile 19 Euro.
Auch die Telekommunikationsnetze seien in einem beklagenswerten Zustand. Während die Schweiz, Österreich und Großbritannien bereits jetzt den Mobilfunkstandard 5G nutzen und Litauen bereits zu 72,1 Prozent Breitbandinternet über Glasfaseranschlüsse bereithält, befindet sich Deutschland erst in der Frequenzauktion zum 5G-Ausbau und verfügt über eine Glasfaserabdeckung von 2,6 Prozent.
Die einseitige Forcierung von akademischen Abschlüssen im Bildungswesen, notfalls über die stetige Absenkung von Standards, produziere zudem Akademiker in Fächern, deren Marktwert gering bleibt. Demgegenüber gebe es eine anhaltende Flaute im Bereich der MINT-Fächer und eine noch schlechtere Bilanz bei dringend gesuchten Berufen wie jenen der Erzieher, Lehrer oder Pfleger.
Bewerteten 2010 erst 16 Prozent der Unternehmer den Fachkräftemangel als Geschäftsrisiko, sind es mittlerweile mehr als 60 Prozent. Im alternden und schrumpfenden Deutschland zeigen sich immer mehr Nachwuchskräfte entweder gar nicht erst ausbildungsfähig oder streben Abschlüsse an, für die keine Nachfrage besteht. Hingegen finden immer mehr ältere Unternehmer keine Nachfolger, andere können wichtige Stellen nicht besetzen.
Toxischer Cocktail
Die demografische Entwicklung wird durch die Krise im Bereich der Ausbildung verstärkt. So sind 16 Prozent aller 30- bis 35-Jährigen ohne jeglichen Berufsabschluss, jeder Zehnte habe keinen Schulabschluss. Während die Ergebnisse der jüngsten U-18-Wahlen vor allem in Westdeutschland darauf hindeuten, dass Ideologie und politische Agitation in den Schulen einen hohen Stellenwert zu haben scheinen, spielt Praxiswissen in Bereichen wie Wirtschaft und Finanzen kaum eine Rolle. Möglicherweise bedingen beide Phänomene einander sogar.
Zu all dem kommt noch die Steuerlast. Statt in Zeiten hoher Staatseinnahmen Ausgaben zu senken und die Bürger zu entlasten, ist weder im Bereich der Unternehmenssteuern, noch beim Solidaritätszuschlag oder bei den Energiesteuern Schritte in diese Richtung zu bemerken. Der Soli soll immerhin für 90 Prozent der Bevölkerung im letzten Jahr der Wahlperiode fallen.
Sollten die sinkenden Haushaltseinnahmen jedoch nicht auch eine höhere Ausgabendisziplin der öffentlichen Haushalte zur Folge haben, könnte sogar diese Absichtserklärung ins Wanken geraten. Das besonders Fatale daran: Andere Länder stehen ebenfalls vor dem Problem drohender Handelskonflikte oder gebremsten Wachstums. Sie finden dennoch Raum, um ihre Unternehmen zu entlasten.
Stattdessen werden Unternehmen und Arbeitnehmer zudem noch durch höhere Lohnnebenkosten belastet. Hatten die Beitragssätze für die Sozialversicherung im Jahr 2017 noch bei 39,95 Prozent gelegen, sollen sie bis 2040 auf 55,5 steigen. Zusätzlich zur Bürokratie, die selbst infolge von Bemühungen zur „Bürokratieentlastung“ durch neue Gesetze und Beamte eher zu- als abnimmt, ergibt dies alles einen Cocktail, der für die Zukunft wenig Gutes verspricht.