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Service Offshoring schafft Jobs in deutschen Unternehmen

Summary:
Globalisierungskritiker und Angestellte fürchten, Deutschland könnte durch die Verlagerung von Dienstleistungen ins Ausland viele gut bezahlte und hochqualifizierte Jobs verlieren. Eine neue Studie zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist: Service Offshoring hat sogar neue Arbeitsplätze in deutschen Unternehmen geschaffen. Die Globalisierung steht am Pranger. Die Wahl Donald Trumps, der vermutlich bevorstehende Brexit und das Erstarken von Parteien nationaler Gesinnung in vielen Teilen Europas sind nur drei starke Indikatoren für diesen Zeitgeist. Nach Jahrzehnten der europäischen Integration und internationalen Handelsliberalisierung, werden Stimmen immer lauter, die diese Entwicklungen zumindest teilweise zurückdrehen wollen. Was treibt die neue Skepsis an? Sind die Auswirkungen

Topics:
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Globalisierungskritiker und Angestellte fürchten, Deutschland könnte durch die Verlagerung von Dienstleistungen ins Ausland viele gut bezahlte und hochqualifizierte Jobs verlieren. Eine neue Studie zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist: Service Offshoring hat sogar neue Arbeitsplätze in deutschen Unternehmen geschaffen.

Die Globalisierung steht am Pranger. Die Wahl Donald Trumps, der vermutlich bevorstehende Brexit und das Erstarken von Parteien nationaler Gesinnung in vielen Teilen Europas sind nur drei starke Indikatoren für diesen Zeitgeist. Nach Jahrzehnten der europäischen Integration und internationalen Handelsliberalisierung, werden Stimmen immer lauter, die diese Entwicklungen zumindest teilweise zurückdrehen wollen. Was treibt die neue Skepsis an? Sind die Auswirkungen der Globalisierung insgesamt weniger vorteilhaft als gedacht oder zu ungleich verteilt?

Eine neue Form der Globalisierung ist die Verlagerung von Dienstleistungen ins Ausland, das sogenannte Service Offshoring. Durch bahnbrechende Innovationen in den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) – wie Breitband-Internet, Cloud Computing und dem Smartphone – sind viele Dienstleistungen heutzutage international handelbar, obwohl sie noch vor wenigen Jahren nur lokal erbracht werden konnten. Infolge dieser Entwicklung ist der internationale Dienstleistungshandel rapide gewachsen: Sein Anteil am Welt-BIP hat sich zwischen 1985 und 2016 von 3% auf 6% verdoppelt (ein Anstieg von 100%, verglichen mit 40% im Güterhandel). In einer „neue Welle“ von Offshoring (Bardhan und Kroll, 2003) verlagern Unternehmen heutzutage nicht mehr nur Produktionsprozesse, sondern zunehmend auch Forschung und Entwicklung, IT, oder andere unternehmensnahe Dienstleistungen. Die beschriebene Entwicklung weckt neue Ängste unter Arbeitnehmern und wirft die berechtigte Frage auf: Bedroht Service Offshoring gut bezahlte und hochqualifizierte Jobs in Deutschland?

Detaillierte Mikrodaten erlauben die Identifikation kausaler Effekte
Meine kürzlich erschienene Studie (Eppinger, 2019) bringt die überraschende Erkenntnis: Service Offshoring hat in den Jahren 2001-2013 mehr Jobs in deutschen Unternehmen geschaffen als vernichtet. Dieser empirische Befund basiert auf Mikrodaten der Deutschen Bundesbank, die den Dienstleistungshandel deutscher Unternehmen nahezu vollständig umfassen und detailliert auf der Ebene von Unternehmen, Dienstleistungsarten und Partnerländern über die Zeit abbilden. Diese auch im internationalen Vergleich herausragende Datenbasis erlaubt es erstmals, die kausalen Effekte von Service Offshoring in deutschen Unternehmen zu schätzen.
Anhand der von Hummels, Jørgensen, Munch und Xiang (2014) entwickelten Instrumentalvariablen-Strategie löst meine Studie ein fundamentales Identifikationsproblem: Unternehmerische Entscheidungen über Service Offshoring und Beschäftigung werden simultan getroffen und können von denselben Einflussfaktoren im Unternehmen und im Inland abhängen. Als Instrumentalvariablen dienen Exportangebotsschocks in Partnerländern, die ihren komparativen Vorteil in bestimmten Dienstleistungen ausbauen und somit ein attraktiveres Offshoring-Ziel werden, insbesondere für jene deutschen Unternehmen, welche bereits zuvor diese Dienstleistungen aus demselben Land bezogen haben. Diese Schocks im Ausland haben keinen differenzierten Einfluss auf Jobs in deutschen Unternehmen, außer durch Offshoring.
Service Offshoring schafft neue Jobs, insbesondere wenn zuvor bereits verlagert wurde
Die Analyse liefert deutliche und robuste Evidenz dafür, dass Service Offshoring die Beschäftigung in den verlagernden deutschen Unternehmen erhöht hat. Die geschätzten Elastizitäten betragen 6,0-7,6%, was bedeutet: Eine Erhöhung von Service Offshoring um 10% (entsprechend Dienstleistungsimporten von etwa 2 Mio. Euro im Durchschnitt) schafft in einem Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern rund 6 bis 8 neue Jobs. 
Wie lassen sich diese Zugewinne von Arbeitsplätzen erklären? Eine Begründung liefert das Standard-Modell für Offshoring von Grossman und Rossi-Hansberg (2008): Ein verlagerter Job bedeutet nicht einfach nur einen Job weniger im Inland. Vielmehr realisieren Unternehmen durch die Verlagerung Kosteneinsparungen, die es ihnen erlauben zu wachsen und somit wiederum mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn dieser sogenannte „Produktivitätseffekt“ dominiert, führt Offshoring zu mehr anstatt weniger Jobs im Unternehmen. Solche positiven Netto-Effekte auf die Beschäftigung werden umso wahrscheinlicher, je größer das vorherige Offshoring-Volumen, da diese Effizienzgewinne durch Kosteneinsparungen in den bereits zuvor verlagerten (sog. infra-marginalen) Tätigkeiten wirken (siehe dazu auch Egger, Kreickemeier, Moser und Wrona, 2016).
Weitergehende Analysen der deutschen Mikrodaten liefern starke Belege für diese Hypothesen. So erhöht Service Offshoring nicht nur die Beschäftigung, sondern auch den Umsatz, und diesen überproportional zur Beschäftigung. Entsprechend der theoretischen Vorhersage sind die Beschäftigungseffekte vorteilhafter für Unternehmen, die bereits in den Jahren zuvor mehr Dienstleistungen verlagert haben. Konkret finden sich für die 5% der Unternehmen mit dem geringsten vorherigen Offshoring-Volumen leicht negative Beschäftigungseffekte. Für Unternehmen mit vorherigem Service Offshoring oberhalb des Median-Werts schafft weiteres Offshoring sogar mehr als doppelt so viele Jobs wie im Durchschnitt.
Generell scheinen die verlagerten Dienstleistungen komplementär zu den in den deutschen Unternehmen verbleibenden Tätigkeiten zu sein, was die positiven Effekte weiterhin plausibilisiert (siehe Groizard, Ranjan und Rodriguez-Lopez, 2014). Teilt man das Service Offshoring nach Pro-Kopf-Einkommen der Partnerländer auf, so zeigen sich zudem vorteilhaftere Beschäftigungseffekte für Service Offshoring in Niedriglohnländer (relativ zu Deutschland). Dieses Ergebnis ist kongruent mit der Hypothese, dass Offshoring in Niedriglohnländer weniger wissensintensive Tätigkeiten betrifft, die inländische Jobs nicht direkt ersetzen, sondern komplementär dazu sind. Das beobachtete Muster steht im Kontrast zu bestehender Evidenz für multinationale Unternehmen in den USA (Harrison und McMillan, 2011): Hier zeigt sich, dass Offshoring in Niedriglohnländer (vermutlich vorwiegend von Produktionstätigkeiten) die inländische Beschäftigung eher substituiert. Die deutschen Daten hingegen zeigen, dass Service Offshoring die Beschäftigung im Inland fördert, insbesondere wenn in Niedriglohnländer verlagert wird.
Fazit und Ausblick
Die Ergebnisse der Studie sollen nicht den Blick darauf verstellen, dass es natürlich auch im Falle von Service Offshoring in Deutschland Verlierer der Globalisierung gibt. Allerdings sprechen die Daten stark dafür, dass diese Verlierer sowohl in den verlagernden Unternehmen selbst als auch unter deren Zulieferern in der Minderheit sind. So gehen die neuen Jobs in den verlagernden Unternehmen nicht mit geringeren Durchschnittslöhnen einher und der Bezug anderer Vorleistungen (Rohstoffe, Waren und inländische Dienstleistungen) erhöht sich durch Service Offshoring sogar leicht, woran wiederum Jobs in anderen deutschen Unternehmen gekoppelt sind. 
Alles in Allem zeigt die Analyse, dass deutsche Arbeitnehmer von modernen Formen der Globalisierung profitieren können, und zwar nicht nur durch Exporte, sondern auch durch Importe von Dienstleistungen. Diese Erkenntnis ist wichtig für die Zukunft, da das Phänomen Service Offshoring wohl künftig noch deutlich zunehmen dürfte. Dafür sprechen die hohe Innovationsrate im IKT Sektor und neue politische Bemühungen, auch die recht hohen internationalen Barrieren für den Dienstleistungshandel abzubauen. Mit Blick auf die bisherige Evidenz gibt diese Entwicklung wenig Anlass zur Sorge um Arbeitsplätze in deutschen Unternehmen.
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel, der im „Journal of International Economics“ (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022199619300091?via%3Dihub) publiziert wurde.

Detaillierte Mikrodaten erlauben die Identifikation kausaler Effekte

Meine kürzlich erschienene Studie (Eppinger, 2019) bringt die überraschende Erkenntnis: Service Offshoring hat in den Jahren 2001-2013 mehr Jobs in deutschen Unternehmen geschaffen als vernichtet. Dieser empirische Befund basiert auf Mikrodaten der Deutschen Bundesbank, die den Dienstleistungshandel deutscher Unternehmen nahezu vollständig umfassen und detailliert auf der Ebene von Unternehmen, Dienstleistungsarten und Partnerländern über die Zeit abbilden. Diese auch im internationalen Vergleich herausragende Datenbasis erlaubt es erstmals, die kausalen Effekte von Service Offshoring in deutschen Unternehmen zu schätzen.

Anhand der von Hummels, Jørgensen, Munch und Xiang (2014) entwickelten Instrumentalvariablen-Strategie löst meine Studie ein fundamentales Identifikationsproblem: Unternehmerische Entscheidungen über Service Offshoring und Beschäftigung werden simultan getroffen und können von denselben Einflussfaktoren im Unternehmen und im Inland abhängen. Als Instrumentalvariablen dienen Exportangebotsschocks in Partnerländern, die ihren komparativen Vorteil in bestimmten Dienstleistungen ausbauen und somit ein attraktiveres Offshoring-Ziel werden, insbesondere für jene deutschen Unternehmen, welche bereits zuvor diese Dienstleistungen aus demselben Land bezogen haben. Diese Schocks im Ausland haben keinen differenzierten Einfluss auf Jobs in deutschen Unternehmen, außer durch Offshoring.

Ein verlagerter Job ist nicht einfach ein Job weniger im Inland

Die Analyse liefert deutliche und robuste Evidenz dafür, dass Service Offshoring die Beschäftigung in den verlagernden deutschen Unternehmen erhöht hat. Die geschätzten Elastizitäten betragen 6,0-7,6%, was bedeutet: Eine Erhöhung von Service Offshoring um 10% (entsprechend Dienstleistungsimporten von etwa 2 Mio. Euro im Durchschnitt) schafft in einem Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern rund 6 bis 8 neue Jobs. Wie lassen sich diese Zugewinne von Arbeitsplätzen erklären?

Eine Begründung liefert das Standard-Modell für Offshoring von Grossman und Rossi-Hansberg (2008): Ein verlagerter Job bedeutet nicht einfach nur einen Job weniger im Inland. Vielmehr realisieren Unternehmen durch die Verlagerung Kosteneinsparungen, die es ihnen erlauben, zu wachsen und somit wiederum mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn dieser sogenannte „Produktivitätseffekt“ dominiert, führt Offshoring zu mehr anstatt weniger Jobs im Unternehmen. Solche positiven Netto-Effekte auf die Beschäftigung werden umso wahrscheinlicher, je größer das vorherige Offshoring-Volumen, da diese Effizienzgewinne durch Kosteneinsparungen in den bereits zuvor verlagerten (sog. infra-marginalen) Tätigkeiten wirken (siehe dazu auch Egger, Kreickemeier, Moser und Wrona, 2016).

Weitergehende Analysen der deutschen Mikrodaten liefern starke Belege für diese Hypothesen. So erhöht Service Offshoring nicht nur die Beschäftigung, sondern auch den Umsatz, und diesen überproportional zur Beschäftigung. Entsprechend der theoretischen Vorhersage sind die Beschäftigungseffekte vorteilhafter für Unternehmen, die bereits in den Jahren zuvor mehr Dienstleistungen verlagert haben. Konkret finden sich für die 5% der Unternehmen mit dem geringsten vorherigen Offshoring-Volumen leicht negative Beschäftigungseffekte. Für Unternehmen mit vorherigem Service Offshoring oberhalb des Median-Werts schafft weiteres Offshoring sogar mehr als doppelt so viele Jobs wie im Durchschnitt.

Generell scheinen die verlagerten Dienstleistungen komplementär zu den in den deutschen Unternehmen verbleibenden Tätigkeiten zu sein, was die positiven Effekte weiterhin plausibilisiert (siehe Groizard, Ranjan und Rodriguez-Lopez, 2014). Teilt man das Service Offshoring nach Pro-Kopf-Einkommen der Partnerländer auf, so zeigen sich zudem vorteilhaftere Beschäftigungseffekte für Service Offshoring in Niedriglohnländer (relativ zu Deutschland). Dieses Ergebnis ist kongruent mit der Hypothese, dass Offshoring in Niedriglohnländer weniger wissensintensive Tätigkeiten betrifft, die inländische Jobs nicht direkt ersetzen, sondern komplementär dazu sind. Das beobachtete Muster steht im Kontrast zu bestehender Evidenz für multinationale Unternehmen in den USA (Harrison und McMillan, 2011): Hier zeigt sich, dass Offshoring in Niedriglohnländer (vermutlich vorwiegend von Produktionstätigkeiten) die inländische Beschäftigung eher substituiert. Die deutschen Daten hingegen zeigen, dass Service Offshoring die Beschäftigung im Inland fördert, insbesondere wenn in Niedriglohnländer verlagert wird.

Fazit und Ausblick

Die Ergebnisse der Studie sollen nicht den Blick darauf verstellen, dass es natürlich auch im Falle von Service Offshoring in Deutschland Verlierer der Globalisierung gibt. Allerdings sprechen die Daten stark dafür, dass diese Verlierer sowohl in den verlagernden Unternehmen selbst als auch unter deren Zulieferern in der Minderheit sind. So gehen die neuen Jobs in den verlagernden Unternehmen nicht mit geringeren Durchschnittslöhnen einher und der Bezug anderer Vorleistungen (Rohstoffe, Waren und inländische Dienstleistungen) erhöht sich durch Service Offshoring sogar leicht, woran wiederum Jobs in anderen deutschen Unternehmen gekoppelt sind. 

Alles in allem zeigt die Analyse, dass deutsche Arbeitnehmer von modernen Formen der Globalisierung profitieren können, und zwar nicht nur durch Exporte, sondern auch durch Importe von Dienstleistungen. Diese Erkenntnis ist wichtig für die Zukunft, da das Phänomen Service Offshoring wohl künftig noch deutlich zunehmen dürfte. Dafür sprechen die hohe Innovationsrate im IKT Sektor und neue politische Bemühungen, auch die recht hohen internationalen Barrieren für den Dienstleistungshandel abzubauen. Mit Blick auf die bisherige Evidenz gibt diese Entwicklung wenig Anlass zur Sorge um Arbeitsplätze in deutschen Unternehmen.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel, der im „Journal of International Economics“ publiziert wurde.

Bardhan, A. und C. Kroll, “The New Wave of Outsourcing”, Fisher Center Research Reports 1103, Fisher Center for Real Estate and Urban Economics, University of California, Berkeley, 2003.

Harrison, A. und M. McMillan, “Offshoring Jobs? Multinationals and U.S. Manufacturing Employment”, Review of Economics and Statistics, 2011, 93 (3): 857–875.

Egger, H., U. Kreickemeier, C. Moser und J. Wrona, “Offshoring and Job Polarisation between Firms”, CESifo Working Paper Series 6142, CESifo Group Munich, 2016.

Eppinger, P., “Service Offshoring and Firm Employment,” Journal of International Economics, 2019, 117: 209–228.[ a ]

Groizard, J., P. Ranjan und A. Rodriguez-Lopez, “Offshoring and Jobs: The Myriad Channels of Influence”, European Economic Review, 2014, 72 (C): 221–239.

Grossman, G. und E. Rossi-Hansberg (2008), “Trading Tasks: A Simple Theory of Offshoring”, American Economic Review, 2008, 98 (5): 1978–1997.

Hummels, D., R. Jørgensen, J. Munch und C. Xiang, “The Wage Effects of Offshoring: Evidence from Danish Matched Worker-Firm Data”, American Economic Review, 2014, 104 (6): 1597–1629.

©KOF ETH Zürich, 25. Mär. 2019

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