Angesichts anhaltend negativer Leitzinsen solle die Schweizerische Nationalbank einen Teil ihrer Gewinne an die Pensionskassen abführen, so eine kürzlich erhobene Forderung. Dieser Vorschlag ist aus mehreren Gründen problematisch.[ 1 ] Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht aufgrund anhaltend negativer Leitzinsen in der Kritik. Ein Vorwurf lautet, die SNB schenke den Auswirkungen der lockeren Geldpolitik auf die Pensionskassen zu wenig Beachtung. Um die Pensionskassen zu entlasten, so eine kürzlich erhobene Forderung, solle die SNB einen Teil ihrer Gewinne an die Kassen abführen. Dieser Vorschlag ist aus mehreren Gründen problematisch: Er basiert auf einer fehlenden Unterscheidung zwischen Nominal- und Realzinsen, missachtet das Verursacherprinzip (obwohl er es umzusetzen
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Angesichts anhaltend negativer Leitzinsen solle die Schweizerische Nationalbank einen Teil ihrer Gewinne an die Pensionskassen abführen, so eine kürzlich erhobene Forderung. Dieser Vorschlag ist aus mehreren Gründen problematisch.[ 1 ]
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht aufgrund anhaltend negativer Leitzinsen in der Kritik. Ein Vorwurf lautet, die SNB schenke den Auswirkungen der lockeren Geldpolitik auf die Pensionskassen zu wenig Beachtung. Um die Pensionskassen zu entlasten, so eine kürzlich erhobene Forderung, solle die SNB einen Teil ihrer Gewinne an die Kassen abführen. Dieser Vorschlag ist aus mehreren Gründen problematisch: Er basiert auf einer fehlenden Unterscheidung zwischen Nominal- und Realzinsen, missachtet das Verursacherprinzip (obwohl er es umzusetzen vorgibt) und verkennt die Wirkung von Gewinnausschüttungen.
Der weltweite Trend zu tieferen Realzinsen, den wir seit Jahrzehnten beobachten, ist keine unmittelbare Konsequenz der Geldpolitik, auch nicht in der Schweiz. Die SNB kontrolliert zwar das Angebot an Schweizer Franken, welches im Zusammenspiel mit der Nachfrage der Banken den Leitzins bestimmt und sich auf die Zinssätze der Banken auswirkt. Doch für die Realwirtschaft und die Pensionskassen sind die um die Inflationsrate bereinigten Zinsen, die Realzinsen, zentral. Diese werden von der SNB nur in der kurzen Frist beeinflusst. Mittel- und längerfristig sind die Real- und Nominalzinsen weitgehend entkoppelt.
Für die tiefe Realverzinsung festverzinslicher Anlagen in der jüngsten Vergangenheit ist die SNB mitverantwortlich, genauso wie für die höhere Rendite anderer Anlageklassen wie Aktien oder Immobilien. Nicht verantwortlich ist die SNB hingegen dafür, wie Anleger ihr Portfolio strukturieren; dies liegt in deren Ermessen. Sich über tiefe Zinsen zu beklagen und gleichzeitig Einlagen bei Banken zu halten, weil man andere Anlageklassen oder Währungen scheut, macht wenig Sinn. Von «finanzieller Repression» kann keine Rede sein, solange niemand gezwungen wird, in Schweizer Franken zu investieren.
Die SNB darf ihre Politik nicht nach den Auswirkungen auf einzelne Branchen ausrichten. Vielmehr muss sie die gesamtwirtschaftlich notwendigen geldpolitischen Massnahmen ergreifen und die wirtschaftlichen Akteure müssen im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf reagieren – genau darin liegt schliesslich der Sinn der Geldpolitik. Falls unnötige regulatorische Vorgaben die Pensionskassen zur Geldhaltung zwingen, müssen jene korrigiert werden; dies ist aber nicht die Aufgabe der SNB.
Während aus geldpolitischer Sicht kein Anlass besteht, Pensionskassen eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen, mag es dafür aus politischer Warte gute Gründe geben. Die Transparenz gebietet es dann aber, dass das Parlament die Vergünstigungen aus Mitteln des Staatshaushalts finanziert. Die erhobenen Forderungen erfüllen dieses Kriterium nicht. Zugutehalten muss man ihnen (zum Teil) allerdings, dass sie keine unmittelbar an Zinszahlungen der Pensionskassen gebundene Kompensation vorsehen, sondern pauschale Subventionen. Letztere vermeiden eine Verzerrung des Preisgefüges und unterlaufen die Geldpolitik nicht direkt.
Sollte die SNB dem Bund und den Kantonen höhere Dividenden auszahlen, um damit indirekt Transfers an die Pensionskassen zu finanzieren? Auch dazu besteht kein Grund. Denn höhere und frühere Gewinnausschüttungen könnten die SNB nicht nur daran hindern, ihre Bilanz für geldpolitische Zwecke einzusetzen, wie sie es als notwendig erachtet. Sie brächten auch keine finanziellen Vorteile.
Eine Gewinnausschüttung schmälert das von der SNB verwaltete Portfolio. Den SNB-Eignern, also der öffentlichen Hand, gehen dadurch zukünftige Erträge verloren. Wenn sich Bund und Kantone zu einem Zinssatz verschulden können, der der Rendite des SNB-Eigenkapitals entspricht, dann macht es finanziell betrachtet keinen Unterschied, ob die SNB ihre Dividenden früher oder später, inklusive Zins und Zinseszins, auszahlt. Der Barwert der Zahlungsströme in den beiden Varianten ist derselbe.
Der Auszahlungsmodus spielt nur dann eine Rolle, wenn die Empfänger der Dividende keine Möglichkeit haben, sich temporär zu verschulden. Bund und Kantone können dies aber, es sei denn, die Schuldenbremse stünde dem im Weg. Dann handelte es sich aber nicht um ein geldpolitisches Problem und die SNB sollte auch nicht zu seiner Lösung herangezogen werden.
Wenn Bund und Kantone ihre Schulden zu Sätzen unterhalb der Rendite des SNB-Eigenkapitals verzinsen, dann vermindern frühere und höhere Gewinnausschüttungen der SNB sogar das Vermögen der öffentlichen Hand. Denn jedes zusätzliche Jahr mit hohem SNB-Eigenkapital (und damit einhergehend, höheren Staatsschulden) ist dann ein Jahr, in dem Bund und Kantone von einer höheren Rendite auf ihr Nettovermögen inklusive der Ansprüche auf zukünftige SNB-Gewinne profitieren. Aus finanzieller Sicht spricht daher für Bund und Kantone viel für eine möglichst späte Gewinnausschüttung. Gerade diejenigen, die in Kategorien eines SNB-Staatsfonds denken, sollten sich somit für eine möglichst späte Ausschüttung von SNB-Gewinnen stark machen.
©KOF ETH Zürich, 22. Mär. 2019