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Warum Peter Altmaier mit seiner Industriestrategie recht hat

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Die aktive Industriepolitik hat einen schlechten Ruf, weil sie Verlierer-Firmen schützt. Doch es gibt eine Ausnahme. Und sie rechtfertigt Altmaiers Strategie. Wirtschaftsminister Altmaier hat Anfang Februar seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vorgestellt, die die heimische Industrie schützen soll. In dieser Industriestrategie werden neun „industrielle Schlüsselbereiche“ wie unter anderem die Autoindustrie und ihre Zulieferer und der Anlagen- und Maschinenbau definiert, die eine besondere Unterstützung erfahren sollen. Auch die Ansiedlung eines Batteriesektors für Elektroautos ist angedacht. Zudem soll ein Deutscher Beteiligungsfond bei der KfW eingerichtet werden, indem das technische Know-how von Unternehmen gesichert werden soll. Firmenzusammenschlüsse zur Erreichung von

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Die aktive Industriepolitik hat einen schlechten Ruf, weil sie Verlierer-Firmen schützt. Doch es gibt eine Ausnahme. Und sie rechtfertigt Altmaiers Strategie.

Wirtschaftsminister Altmaier hat Anfang Februar seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vorgestellt, die die heimische Industrie schützen soll. In dieser Industriestrategie werden neun „industrielle Schlüsselbereiche“ wie unter anderem die Autoindustrie und ihre Zulieferer und der Anlagen- und Maschinenbau definiert, die eine besondere Unterstützung erfahren sollen. Auch die Ansiedlung eines Batteriesektors für Elektroautos ist angedacht. Zudem soll ein Deutscher Beteiligungsfond bei der KfW eingerichtet werden, indem das technische Know-how von Unternehmen gesichert werden soll. Firmenzusammenschlüsse zur Erreichung von Skalenerträgen sollen in Betracht gezogen werden. Herr Altmaier begründet die industriepolitischen Maßnahmen mit dem neuen Umfeld, in denen deutsche Firmen operieren.

„Was wirkt“ statt Ideologie 

Die geplanten staatlichen Maßnahmen sind umstritten. Herr Feld vom Sachverständigenrat nennt diese Strategie einen Irrweg und bezichtigt Herrn Altmaier der Planwirtschaft. Hier geht es aber nicht um eine ideologische Auseinandersetzung wie Herr Feld nahelegt, sondern um die Frage, ob eine solche Industriepolitik funktioniert („what works“)? Was sagt die Wissenschaft dazu?

Historisches Versagen

Zunächst zur Geschichte. Eine aktive Industriepolitik hat in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung einen sehr schlechten Ruf. Das hängt besonders damit zusammen, dass dort wo diese Politik zum Einsatz kam, in der Regel „Verlierer“ durch den Staat gestützt wurden. Dadurch wurde verhindert, dass nicht wettbewerbsfähige Firmen aus dem Markt ausscheiden. Insbesondere in den Entwicklungsländern wurde argumentiert, dass neu entstehende Industrien einen besonderen Schutz durch den Staat erforderlich machen. Die Weltbank hat sich in der Folge durch den Misserfolg der sogenannten Importsubstitutionspolitik in den 60iger und 70iger Jahren von diesem Rezept der Industrialisierung armer Länder abgewandt.

Theoretische Erklärungen

Mit dem Aufkommen der „strategischen Handelspolitik“ in den 80iger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde erstmals das theoretische Rüstzeug für eine aktive Industriepolitik geliefert. Die optimale Exportpolitik auf einem Weltmarkt mit vollständiger Konkurrenz ist nicht Freihandel sondern ein hinreichend kleiner Exportzoll. Diese Schlussfolgerung ändert sich jedoch wenn Firmen Marktmacht auf dem Weltmarkt besitzen. Stehen Firmen in einem strategischen Wettbewerb zueinander (wie etwa der europäische Flugzeughersteller Airbus mit der US-Firma Boeing) so kann eine Subventionierung der Produktion dazu führen, dass Airbus auf Kosten von Boeing Marktanteile gewinnt. Die Subvention macht Airbus zum „Stackelberg Führer“, wodurch Airbus der Firma Boeing den Marktanteil diktieren kann.  Es kommt zu einem Gewinntransfer von den USA nach Europa, welcher höher ist als die Kosten für die Subvention. Dadurch steigt Europas Wohlfahrt. Diese Schlussfolgerung ist jedoch nicht robust. Stehen die strategischen Wettbewerber auf dem Weltmarkt in einem Preiskampf statt in einem Wettbewerb um Marktanteile, dann ist die optimale Industriepolitik wieder ein Exportzoll. Der Grund liegt darin, dass in diesem Fall der Wettbewerb zwischen den Firmen zu „scharf“ ist. Die Schlussfolgerungen aus der theoretischen Forschung sind damit nicht eindeutig. Deshalb kommt der empirischen Forschung ein besonderer Stellenwert zu. 

„Deep Learning“ und künstliche Intelligenz

Es gibt einen theoretischen Fall, wo eine staatliche Intervention angesagt ist: bei Skalenerträgen, Lerneffekten und Netzwerken. Treten diese auf, so kann ein Nachzügler wie China über eine vorübergehende Industriesubvention in einem Sektor mit Lerneffekten rasch einen komparativen Vorteil erzielen, der auch nach Wegfall der Subvention anhält.

Es gibt einige Gründe, die dafür sprechen, dass es sich bei der künstlichen Intelligenz um eine solche Technologie mit Lerneffekten handelt. Je mehr Daten ein Sektor produziert, umso mehr lernt er umd umso besser wird er im Einsatz von künstlicher Intelligenz. China hat durch seine Grösse einen komparativen Vorteil in Sektoren mit Skalen- und Lerneffekten. China hat dies erkannt und durch den cleveren Einsatz von Industriesubventionen im Bereich der künstlichen Intelligenz für sich zu nutzen gewusst. Soll Deutschland und Europa auf die chinesische Subvention mit eigenen Subventionen reagieren? Kann eine solche Strategie aufgehen?

Die Industriepolitik Südkoreas und Japans als natürliches Experiment

In jüngster Zeit sind zwei Studien erschienen, die die Wirkung der Industriepolitik Japans und Südkoreas anhand eines natürlichen Experiments untersuchen. Südkorea gehört heute zu einem der vier wirtschaftlich stärksten asiatischen Tigerstaaten, die eine erfolgreiche Industrialisierung geschafft haben. Hat die Industriepolitik dazu beigetragen?

Das untersucht Nathaniel Lane vom Massachussetts Institute of Technology anhand eines natürlichen Experiments der Industrieförderung in den Jahren 1973-79 zum Aufbau des südkoreanischen Militärsektors. Diese Politik fand im Jahr 1979 durch die Ermordung von Herrn Park ein abruptes Ende. Damit kann die Auswirkung dieser Industriepolitik anhand eines natürlichen Experiments studiert werden. Ähnlich wie in der medizinischen Forschung kann bei einem natürlichen Experiment in den Wirtschaftswissenschaften die Auswirkung einer Politik untersucht werden, indem der Ausgang auf die behandelte Gruppe (geförderte Industrie) mit jener der nicht behandelten Gruppe (nicht geförderte Industrie) verglichen wird. Das Ergebnis der Studie: die Produktion der geförderten Industrien wuchs im Durchschnitt um 80 Prozent mehr als jene der nicht geförderten Industrien. Ihre Produktivität stieg und die Preise der geförderten Industrien waren um 11 % niedriger verglichen mit den nicht-geförderten Sektoren. Dabei ist entscheidend, dass nach Wegfall der Förderung das stärkere Wachstum der geförderten Sektoren verglichen mit den nicht-gestüzten Sektoren aufgrund von Lerneffekten anhielt.

Ähnlich positive Auswirkungen findet eine Stanford Studie zur japanischen Industriepolitik, die sich Südkorea und China zum Vorbild nahmen. Ich finde es angebracht, dass der Wirtschaftsminister angesichst der veränderten Rahmenbedingungen, die durch die Digitalisierung und durch die China-Konkurrenz entstanden sind, sich dieser Frage neu annimmt.

Eine gekürzte Version dieses Artikels ist am 10. Februar 2019 im Handelsblatt erschienen.

©KOF ETH Zürich, 26. Mär. 2019

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