Rudi Van Den Eynde, Head of Thematic Global Equity, leitender Portfoliomanager der Onkologie-Strategie, CandriamEine Nebenwirkung der Covid-19-Pandemie ist, dass der medizinischen Forschung sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Viele in der Presse sehen voraus, dass der Durchbruch bei den Covid-19-Impfstoffen auf Messenger-RNA (m-RNA)-Basis auch Türen für neue Krebsbehandlungen öffnen wird. Sehen Sie das auch so? Rudi Van Den Eynde: Das ist bis zu einem gewissen Grad schon richtig. Es ist in der Tat so, dass die m-RNA-Technologie bereits jetzt Anwendung in der Krebsforschung findet. Die Massenherstellung der Covid-19-Impfstoffe auf m-RNA-Basis geht auf biotechnische Entwicklungen von vor mehr als 30 Jahren zurück und daher handelt es sich nicht um eine brandneue Entdeckung. Experten
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Rudi Van Den Eynde, Head of Thematic Global Equity, leitender Portfoliomanager der Onkologie-Strategie, Candriam
Eine Nebenwirkung der Covid-19-Pandemie ist, dass der medizinischen Forschung sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Viele in der Presse sehen voraus, dass der Durchbruch bei den Covid-19-Impfstoffen auf Messenger-RNA (m-RNA)-Basis auch Türen für neue Krebsbehandlungen öffnen wird. Sehen Sie das auch so?
Rudi Van Den Eynde: Das ist bis zu einem gewissen Grad schon richtig. Es ist in der Tat so, dass die m-RNA-Technologie bereits jetzt Anwendung in der Krebsforschung findet. Die Massenherstellung der Covid-19-Impfstoffe auf m-RNA-Basis geht auf biotechnische Entwicklungen von vor mehr als 30 Jahren zurück und daher handelt es sich nicht um eine brandneue Entdeckung. Experten in der klinischen Forschung beobachten Entdeckungen in anderen Bereichen sehr genau, da sie wissen, dass neue Ideen und Technologien ständig fachübergreifend genutzt werden. Es gibt bereits Vorarbeiten zur Herstellung eines m-RNA-basierten Krebsimpfstoffs, der den Körper anweisen soll, krebsspezifische Antigene zu produzieren, die ihrerseits das Immunsystem stimulieren und zur Bekämpfung der Krebszellen anregen würden. Bisher waren diese Arbeiten noch nicht erfolgreich, aber die Bemühungen, künftig m-RNA-basierte Krebstherapien herzustellen, gehen weiter.
Wurde die m-RNA-Methode schon im Kampf gegen den Krebs verwendet?
Man hat versucht, die m-RNA-Methode zur Stimulation des Immunsystems in seinem Kampf gegen den Krebs zu verwenden, aber dies hatte schwerwiegende Nebenwirkungen zur Folge. Darüber hinaus endete m-RNA nach seiner Verabreichung tendenziell in der Leber. Sofern ein Patient nicht gerade Leberkrebs hat, ist es aber wichtig, dass m-RNA direkter zum Tumor geleitet wird, was bedeutet, dass noch sehr viel getan werden muss, wenn diese Methode funktionieren soll.
Wir überwachen die stetige Entwicklung verschiedener Immuntherapien wie m-RNA und viele andere sehr genau, einschliesslich erprobterer Techniken wie Antikörper in der Immun-Onkologie. Zwar gibt es viele Krebsbehandlungen, aber keine ist perfekt. Krebs ist nicht nur EINE Krankheit, sondern umfasst zwischen 100 bis 200 verschiedene Krebsarten, je nach Systemklassifikation. Diese Komplexität erklärt die Unwahrscheinlichkeit, dass eine Lösung gefunden werden kann, die für alle passt. Stattdessen gibt es viele verschiedene Behandlungen, sowohl vorhandene als auch in der Entwicklung befindliche, und manche werden so angewendet, dass sie sich gegenseitig ergänzen, und nicht so, dass sie sich gegenseitig ausschalten würden.
Sie sitzen also nicht herum und warten auf das Wundermittel, in das Sie investieren wollen, sondern beobachten stattdessen die Forschung zu neuen Behandlungen, mithilfe derer vorhandene Krebstherapien verbessert werden können?
Genau. Wenn Sie sich beispielsweise die grossen Durchbrüche in der Onkologie in den letzten zehn Jahren anschauen, finden Sie eine zur Anwendung von PD-1-Inhibitoren. Die ursprüngliche Forschung hierzu wurde schon 2001 veröffentlicht und wir wissen, dass PD-1-Inhibitoren und PD-L1-Inhibitoren eine Gruppe von Arzneimitteln sind, die entwickelt wurde, um die Interaktion zwischen den Krebszellen und dem menschlichen Immunsystem zu unterbinden. Diese neuen Behandlungen erwiesen sich als Einzelbehandlung bereits als recht wirksam, doch dann stellten Wissenschaftler fest, dass sie am besten in Kombination mit der sehr bewährten, altbekannten Chemotherapie, zumindest bei einigen Krebsformen, funktionieren.
Wie nutzt Candriam sein Expertenwissen?
Unser Team bei Candriam verfügt über Expertenwissen auf dem Gebiet der Medizinwissenschaft. Dieses Wissen nutzen wir ständig, um neue Arzneimittelentwicklungen, neue Screening-Tests und neue Methoden zur Tumorprofilierung zu analysieren. Es gibt viele Entwicklungen, die in den vorklinischen Untersuchungen sehr vielversprechend aussehen, aber nur durch klinische Studien kann festgestellt werden, ob ein Arzneimittel tatsächlich ein Hoffnungsträger für Patienten sein kann. Aus diesem Grund konzentrieren wir uns neben potenziellen Behandlungen, Wirkmechanismen und der vorklinischen Präsentation vorrangig auf klinische Daten und lassen diese in unsere Investitionsentscheidungen einfliessen. Wir investieren nur in grösserem Rahmen in Behandlungen, die durch aussichtsreiche klinische Daten gestützt werden, selbst wenn diese auf einer relativ kleinen Anzahl an Patienten beruhen.
Wie sieht es mit der Finanzierung von Unternehmen aus?
Im Vergleich zu vor vielen Jahren ist die Finanzierung ein sehr viel kleineres Problem geworden. Start-up-Unternehmen, die wirklich innovative Lösungen auf unserem Gebiet vorstellen, haben im Allgemeinen kein Problem mit der Erstfinanzierung. Das Anfangskapital stammt von klugen Risikokapitalinvestoren, die über sehr hohes Fachwissen verfügen und das Potenzial bestimmter Innovationen erkennen. Auch an der Börse gelistete Unternehmen können Mittel aufbringen, indem sie Aktien emittieren. Und schliesslich gibt es noch speziellere Finanzierungsmethoden, wie unsere, mit der starke Forschungspipelines im Auftrag risikobewusster Investoren gefördert werden.
Welche Entwicklungen im Bereich der Krebsbehandlung finden Sie als Investor im Moment am interessantesten?
Eine der interessantesten neueren Methoden wird als gezielte Proteindegradation bezeichnet. Wir haben in unserem Körper einen Mechanismus, um "überflüssige Proteine“, die das Ende ihrer Lebensphase erreicht haben, zu zerstören. Diese alten Proteine enthalten Marker (Ubiquitine), die den "Proteinreinigern“ (Proteasomen) anzeigen, dass sie bereit für die Zerstörung sind. Pharmaunternehmen haben herausgefunden, wie dieser Prozess so genutzt werden kann, dass sich die „Reiniger“ auf Krebszellrezeptoren richten. In der Vergangenheit wurden Antikörper zur Bekämpfung von Krebszellen verwendet, aber in Fällen, wo diese keinen Erfolg haben, könnten Ärzte in der Lage sein, stattdessen die Proteindegradation zu nutzen. Wir haben einige vielversprechende klinische Daten zur Anwendung dieser Methode bei der Behandlung von Brustkrebs gesehen. Mehrere Unternehmen arbeiten daran und wir beobachten dies sehr genau.
Auch im Bereich der Antikörper gibt es ermutigende neue Forschungen. Dies ist kein neuer Bereich – die ersten Arzneimittel aus Antikörpern zur Krebsbehandlung wurden in den späten 1990er Jahren zugelassen. Jetzt arbeiten Unternehmen an sogenannten bi-spezifischen Antikörpern, die die Killer-T-Zellen unseres Immunsystem an die Krebszellen binden können. Auf der Grundlagen jüngerer klinischer Daten gehen wir davon aus, dass diese neue Methode vielen Krebspatienten, insbesondere jenen mit hämatologischen Tumoren, helfen wird.
Weitere laufende Forschungsprojekte konzentrieren sich auf eine neue Behandlung, mithilfe derer kleinste Leitungsbahnen zwischen den Zellen blockiert werden, welche vom Krebs genutzt werden, jedoch für Antikörper zu klein sind, um einzudringen. Die Wissenschaftler haben jedoch herausgefunden, wie diese Leitungsbahnen blockiert werden können, und es werden Arzneimittel entwickelt, die den Krebs bekämpfen, ohne die normalen Prozesse, die zur gesunden Funktion des menschlichen Körpers erforderlich sind, zu blockieren.
Zweifelsohne wird es auch Entwicklungen zu m-RNA geben. Wie bereits gesagt, sollte man jedoch im Gedächtnis behalten, dass es mitunter verschiedene Wege gibt, um dasselbe Ziel zu erreichen.
Was ist die Schwierigkeit bei der Krebsbehandlung?
Die Schwierigkeit bei der Krebsbehandlung ist, dass Krebszellen sehr schnell mutieren und behandlungsresistent werden. Zur Verlängerung des Lebens der Patienten benötigen Ärzte Kombinationstherapien oder die aufeinanderfolgende Anwendung gänzlich verschiedener Behandlungen. Für einige Krebsformen lässt sich eine vollständige Heilung eventuell niemals erreichen. In solchen Fällen besteht das Ziel darin, den Krebs aus einer akuten in eine chronische Erkrankung mit weiterführenden Behandlungen umzuwandeln, so dass die Patienten viele weitere Lebensjahre mit so wenigen Nebenwirkungen wie möglich gewinnen. Jeder Schritt, den wir in diesem langen Kampf gehen, ist ein Schritt zu einer besseren Versorgung und jedes neu zugelassene Arzneimittel ist eine Verbesserung gegenüber dem, was zuvor möglich war. Das Beste, was wir tun können, ist jede schrittweise Entwicklung, die unsere Behandlungen voranbringt, zu erkennen, und aus den vielversprechendsten Realität werden zu lassen.
Engagiert sich Candriam als Vermögensverwalter über Investitionen hinaus im Kampf gegen Krebs?
Darüber hinaus engagiert sich Candriam als Vermögensverwalter über Investitionen hinaus im Kampf gegen Krebs und hat kurz nach der Einführung der Onkologie-Strategie beschlossen, 10 Prozent der Nettoverwaltungsgebühren, die es erhält, an verschiedene Verbände und / oder Organisationen zu spenden, die gegen Krebs kämpfen, indem sie im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und / oder der Entwicklung von Behandlungen, in sozialen Projekten für Familien, der Aufklärung, der öffentlichen Bewusstseinsbildung und / oder in der Krebsprävention tätig sind. Diese Spenden werden dazu beitragen, eine gesündere und nachhaltigere Zukunft für uns alle zu schaffen.
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