Höhere Zigarettensteuern und Rauchverbote werden als Instrumente der Gesundheitsprävention kontrovers beurteilt. Eine Evaluation ist schwierig, besonders wenn verhaltensökonomische Aspekte wie beschränkte Willenskraft mitberücksichtigt werden. Dieser Beitrag zeigt auf, dass Umfragen zur subjektiven Lebenszufriedenheit eine neue interessante Möglichkeit bieten, Wohlfahrtseffekte direkt abzuschätzen. Seit die Leute auf dem europäischen Kontinent rauchen, wird über Einschränkungen des Tabakkonsums gestritten. Bereits im 17. Jahrhundert begann der englische König James I Tabakkonsum zu besteuern. Bald gab es Rauchverbote im öffentlichen Raum, hauptsächlich um die Feuergefahr in den weitgehend aus Holzhäusern bestehenden Städten zu reduzieren. Als exklusive Angelegenheit der Männer war das Rauchen damals oft auf bestimmte Räumlichkeiten wie die Herrenzimmer oder die sogenannten Raucherclubs beschränkt. Gegenwärtig dreht sich der öffentliche und wissenschaftliche Diskurs unter anderem um höhere Zigarettensteuern und umfassende Rauchverbote. Wohlfahrtseffekte gemäss traditionellen und verhaltensökonomischen Modellen Wie wirken sich Einschränkungen des Tabakkonsums aus? Auf den ersten Blick scheinen vor allem die Nichtraucher von Regulierungen zu profitieren.
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Höhere Zigarettensteuern und Rauchverbote werden als Instrumente der Gesundheitsprävention kontrovers beurteilt. Eine Evaluation ist schwierig, besonders wenn verhaltensökonomische Aspekte wie beschränkte Willenskraft mitberücksichtigt werden. Dieser Beitrag zeigt auf, dass Umfragen zur subjektiven Lebenszufriedenheit eine neue interessante Möglichkeit bieten, Wohlfahrtseffekte direkt abzuschätzen.
Seit die Leute auf dem europäischen Kontinent rauchen, wird über Einschränkungen des Tabakkonsums gestritten. Bereits im 17. Jahrhundert begann der englische König James I Tabakkonsum zu besteuern. Bald gab es Rauchverbote im öffentlichen Raum, hauptsächlich um die Feuergefahr in den weitgehend aus Holzhäusern bestehenden Städten zu reduzieren. Als exklusive Angelegenheit der Männer war das Rauchen damals oft auf bestimmte Räumlichkeiten wie die Herrenzimmer oder die sogenannten Raucherclubs beschränkt. Gegenwärtig dreht sich der öffentliche und wissenschaftliche Diskurs unter anderem um höhere Zigarettensteuern und umfassende Rauchverbote.
Wohlfahrtseffekte gemäss traditionellen und verhaltensökonomischen Modellen
Wie wirken sich Einschränkungen des Tabakkonsums aus? Auf den ersten Blick scheinen vor allem die Nichtraucher von Regulierungen zu profitieren. Rauchverbote in spezifischen Räumlichkeiten schützen Nichtraucher vor Passivrauch mit entsprechend positiven Gesundheitseffekten. Hingegen werden Raucher durch Einschränkungen des Rauchens vordergründig schlechter gestellt, wenn davon ausgegangen wird, dass sie bisher die für sie optimalen Konsumpläne verfolgt haben. Diese Einschätzung ergibt sich aus einer traditionellen ökonomischen Betrachtung in der Rauchen (selbst bei Sucht) als rationales Verhalten modelliert wird (z.B. Becker und Murphy 1988). Wohlfahrtsgewinne entstehen lediglich insofern, dass die Regulierungen die sozialen Kosten des Rauchens zu internalisieren vermögen.
Rauchverhalten wird jedoch häufig mit beschränkter Willenskraft in Verbindung gebracht. Dies kann zu zeitinkonsistentem Konsumverhalten führen, d.h. dass Leute mehr rauchen, als sie langfristig planen und für sich als wünschenswert erachten. Unter dieser Bedingung können Einschränkungen selbst den Rauchern Nutzen stiften, indem sie helfen, den eigenen Konsum zu kontrollieren und auf das langfristig gewünschte Niveau zu bringen.
Durch die Erweiterung des traditionellen Modells rationaler Sucht um beschränkte Willenskraft lassen sich neue, differenzierte Wohlfahrtsimplikationen herleiten. In verhaltensökonomischen Modellen wie jenem von Gruber und Köszegi (2001) stehen kurz- und langfristige Präferenzen in Konflikt. Rauchverbote, wie auch höhere Zigarettenpreise, können der Kontrolle des eigenen Konsums dienen, da beide Interventionen die Kosten des Rauchens erhöhen. Hingegen wird in Modellen des kurzfristigen Verlangens (z.B. Bernheim und Rangel 2004) ein durch Auslösereize induziertes impulsives Verlangen betont, um zeitinkonsistentes Verhalten zu erklären. Gemäss dieser Perspektive sollten Regulierungen hauptsächlich Situationen reduzieren, die Verlangen nach Zigaretten auslösen. Dies wird durch Rauchverbote viel direkter erreicht wie durch Preisveränderungen. Positive Wohlfahrtseffekte für Raucher sind entsprechend von Rauchverboten, nicht aber von höheren Zigarettenpreisen zu erwarten.
Subjektive Lebenszufriedenheit als Grundlage einer empirischen Politikevaluation
Auf der Grundlage von beobachtetem Verhalten ist eine empirische Analyse der vermuteten Zusammenhänge äusserst schwierig. Zum einen prognostizieren die verschiedenen Modelle ähnliche (negative) Effekte auf das Rauchverhalten, und zum anderen ist es schwierig, unterschiedliche Effekte innerhalb der Gruppe der Raucher zu identifizieren. Stattdessen bietet es sich an, direkt Näherungsgrössen für die individuelle Wohlfahrt zu studieren. Dies ist beispielsweise mit Daten zur subjektiven Lebenszufriedenheit möglich. Die Analyse von Daten zur Lebenszufriedenheit erlaubt, gängige Theorien über die Verhaltensaspekte hinaus zu testen und bietet damit neue Möglichkeiten für die empirische Wirtschaftsforschung (z.B. Stutzer und Frey 2010).
In unserer Studie (Odermatt und Stutzer 2015) wenden wir den Ansatz zur Evaluation der Tabakpolitik in Europa an. Für die Identifikation der Effekte von Rauchverboten und Zigarettenpreisen auf die Lebenszufriedenheit nutzen wir die gestaffelte Einführung von Rauchverboten in Europa und die länderspezifische Variation der Zigarettenpreise über die Zeit. Die empirische Analyse basiert auf wiederholten Querschnittsdaten von 41 Wellen des Eurobarometers der Jahre 1990 bis 2011. Die Stichprobe umfasst knapp 630‘000 Individuen aus insgesamt 40 europäischen Ländern und Regionen. Die in den Befragungen geäusserte Lebenszufriedenheit auf einer Skala von 1 „gar nicht zufrieden“ bis 4 „sehr zufrieden“ stellt in der Regressionsanalyse die abhängige Variable dar. Wir konzentrieren uns in der Analyse auf Rauchverbote in öffentlichen Einrichtungen wie Restaurants, Bars und Diskotheken und an Arbeitsplätzen. Die Rauchverbote gewichten wir bezüglich ihrer unterschiedlichen Stärke und Durchsetzung in den einzelnen Ländern.
Zufriedenheitseffekte von Rauchverboten und Zigarettenpreiserhöhungen
Im Durchschnitt finden wir weder klar positive noch negative Effekte der Einführungen von Rauchverboten auf die Lebenszufriedenheit. Für Raucher ist die partielle Korrelation leicht positiver als für Nichtraucher, doch ist für beide Gruppen der Effekt nicht statistisch signifikant von Null verschieden. Höhere Zigarettenpreise hingegen sind im Durchschnitt negativ mit der geäusserten Lebenszufriedenheit korreliert, wobei ein starker negativer Zusammenhang für Raucher die Korrelation treibt. Nichtraucher scheinen hingegen nicht durch Zigarettenpreiserhöhungen betroffen zu sein. Im Durchschnitt über beide Gruppen geht eine Erhöhung der Zigarettenpreise um 50 Prozent mit einer Reduktion der Lebenszufriedenheit um 0.02 Punkte (auf der Vierer-Skala) einher. Dies ist eine ökonomisch relevante Effektgrösse, die beispielsweise dem negativen Zufriedenheitseffekt einer Erhöhung der Arbeitslosenquote um rund 2.7 Prozentpunkte entspricht (bei Berücksichtigung der individuellen Arbeitslosigkeit).
Rauchverbote als mögliche Selbstkontrollhilfe
Um die verhaltensökonomischen Hypothesen zu testen, wie Raucher mit beschränkter Willenskraft von den Regulierungen betroffen sind, werden in einem weiteren Schritt die Effekte auf jene Raucher analysiert, die in der Vergangenheit erfolglos versucht haben, mit dem Rauchen aufzuhören (die Gruppe der marginalen Raucher). Für diese Gruppe von Rauchern finden wir einen statistisch und ökonomisch signifikant positiven Effekt der Einführung der Rauchverbote auf die Lebenszufriedenheit. Von der Erhöhung der Zigarettenpreise sind die marginalen Raucher hingegen ebenfalls negativ betroffen. Für Nichtraucher ist kein signifikanter Effekt der Interventionen messbar. Abbildung 1 fasst die Effektgrössen (90%-Konfidenzbänder) der zwei Interventionen für die verschiedenen Gruppen zusammen.
Abbildung 1: Netto-Effekte der Rauchverbote und höheren Zigarettenpreise (+50%) für Nichtraucher, Raucher und marginale Raucher
Anmerkungen: Lebenszufriedenheit auf einer Skala von 1-4.
Quelle: Odermatt und Stutzer (2015).
Dass Rauchverbote jene Raucher besserstellen, die erfolglos versucht haben, mit dem Rauchen aufzuhören, deckt sich mit den Prognosen jener verhaltensökonomischen Modelle, die die Rolle von Auslösereizen beim Konsum von Suchtgütern ins Zentrum stellen. Rauchverbote schaffen es, im Gegensatz zu Steuererhöhungen für Tabakwaren, Auslösereize fürs Rauchen zu reduzieren. Andere Leute beim Rauchen zu sehen, kann als ein solcher Auslösereiz verstanden werden, der reduziert wird. In der Tat sind Raucher nach der Einführung von Rauchverboten weniger Passivrauch ausgesetzt, d.h. grundsätzlich weniger von zigarettenrauchenden Personen umgeben, wie wir in einer Zusatzanalyse zeigen können.
Implikationen
Über weitergehende Interpretationen der Resultate lässt sich bloss spekulieren. So finden sich möglicherweise keine klar positiven Effekte der Rauchverbote für die Nichtraucher, da sich diese sehr schnell an die rauchfreie Umgebung gewöhnt haben. Es kann auch sein, dass sich positive Gesundheitseffekte durch die Reduktion des Passivrauchens erst sehr langfristig bemerkbar machen. In unserer Analyse sind sie dann schwer von Zeiteffekten zu trennen. Der negative Durchschnittseffekt höherer Zigarettenpreise ist ein Indiz dafür, dass fiskalisch motivierte Steuererhöhungen in vielen Ländern nicht mehr zur Internalisierung sozialer Kosten des Rauchens beitragen. Die niedrige kurzfristige Preiselastizität macht die Tabakbesteuerung attraktiv: sie liegt in Europa gegenwärtig bereits bei rund 80 Prozent des Verkaufspreises von Zigaretten.
Mit den Preissteigerungen hat wohl auch der Anteil Personen mit beschränkter Willenskraft unter den verbleibenden Rauchern zugenommen. Dies könnte auch erklären, weshalb die gemessene Preiselastizität über die Zeit abgenommen hat, respektive in jenen Ländern geringer ist, die ein hohes Niveau an Tabaksteuern aufweisen.
Die Resultate bieten insbesondere einen Hinweis auf die Relevanz von Auslösereizen, die bis anhin kaum in der Diskussion um die Tabakpolitik miteinbezogen wurden. Wenn Auslösereize für den Zigarettenkonsum besonders relevant sind, dann sollte man sich die Frage stellen, wie weitere Politikinterventionen mit diesen Auslösereizen interagieren. So könnte man sich vorstellen, dass auch Werbeplakate oder Tabakwerbung im Fernsehen Auslösereize darstellen, und diese durch ein Werbeverbot reduziert werden könnten.
Grundsätzlich sollten die Einsichten über kurzfristige differenzielle Wohlfahrtseffekte der verschiedenen Regulierungen des Tabakkonsums in der Diskussion um deren Implementierung oder Verschärfung miteinbezogen werden. Wichtig dabei ist, die traditionellen Argumente in der ökonomischen Diskussion um verhaltensökonomische Aspekte fruchtbar zu erweitern. Darin kann genau ein Wert der Zufriedenheitsforschung für die Evaluierung von Politikinterventionen liegen. Sie berücksichtigt zusätzliche Aspekte und liefert neue Einsichten für eine aktuell bleibende Debatte um die Regulierung des Rauchens.
Literatur
Becker, Gary S. und Kevin M. Murphy (1988). A Theory of Rational Addiction. Journal of Political Economy 96(4): 675-700.
Bernheim, Douglas und Antonio Rangel (2004). Addiction and Cue-Triggered Decision Processes. American Economic Review 94(5): 1558-1590.
Gruber, Jonathan H. und Botond Köszegi (2001). Is Addiction Rational? Theory and Evidence. Quarterly Journal of Economics 116(4): 1261-303.
Odermatt, Reto und Alois Stutzer (2015). Smoking Bans, Cigarette Prices and Life Satisfaction. Journal of Health Economics 44:176-194.
Stutzer, Alois und Bruno S. Frey (2010). Recent Advances in the Economics of Individual Subjective Well-Being. Social Research 77(2): 679-714.
©KOF ETH Zürich, 12. Okt. 2016