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Marktwerttheorie als Prognoseinstrument für Fußballmeisterschaften?

Summary:
Die Fußball-Europameisterschaft 2016 ist vorbei und ein Außenseiter hat gewonnen – entgegen den Prognosen der Marktwerttheorie. Dieser Beitrag kritisiert letztere und zeigt, wie Statistik sinnvoll für Ergebnisprognosen eingesetzt werden kann. Eigentlich halte ich es mit dem Diktum: "Fußball ist die schönste Nebensache der Welt." Trotzdem ärgert man sich, insbesondere, wenn man Statistiker ist, wenn dann Prognosen auftauchen, die unter dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit behaupten, sie könnten das Ergebnis einer solchen Meisterschaft mit nahezu Sicherheit vorhersagen. Sepp Herberger hat stattdessen einmal sybillinisch gesagt, "der Ball ist rund" und wollte damit klarmachen, dass es ein Zufallselement im Fußball gibt, das zur Überraschung der Experten Ergebnisse zustande bringt, die keineswegs ungewöhnlich sind. Prognosen sind ja bekanntlich schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. Es dürfte wenig Fußballexperten geben, die den Sieg Portugals bei der EM2016 richtig vorhergesagt haben. Die Marktwerttheoretiker zählen jedenfalls nicht dazu. Was sagt nun die Marktwerttheorie? Nach deren Vertretern gewinnt immer die Mannschaft, deren Summe aus den einzelnen Marktwerten der Spieler größer als die der gegnerischen Mannschaft ist. Der so ermittelte Marktwert wird als Indikator für die Spielstärke der jeweiligen Mannschaft angenommen.

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Die Fußball-Europameisterschaft 2016 ist vorbei und ein Außenseiter hat gewonnen – entgegen den Prognosen der Marktwerttheorie. Dieser Beitrag kritisiert letztere und zeigt, wie Statistik sinnvoll für Ergebnisprognosen eingesetzt werden kann.

Eigentlich halte ich es mit dem Diktum: "Fußball ist die schönste Nebensache der Welt." Trotzdem ärgert man sich, insbesondere, wenn man Statistiker ist, wenn dann Prognosen auftauchen, die unter dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit behaupten, sie könnten das Ergebnis einer solchen Meisterschaft mit nahezu Sicherheit vorhersagen.

Sepp Herberger hat stattdessen einmal sybillinisch gesagt, "der Ball ist rund" und wollte damit klarmachen, dass es ein Zufallselement im Fußball gibt, das zur Überraschung der Experten Ergebnisse zustande bringt, die keineswegs ungewöhnlich sind. Prognosen sind ja bekanntlich schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. Es dürfte wenig Fußballexperten geben, die den Sieg Portugals bei der EM2016 richtig vorhergesagt haben. Die Marktwerttheoretiker zählen jedenfalls nicht dazu.

Was sagt nun die Marktwerttheorie?

Nach deren Vertretern gewinnt immer die Mannschaft, deren Summe aus den einzelnen Marktwerten der Spieler größer als die der gegnerischen Mannschaft ist. Der so ermittelte Marktwert wird als Indikator für die Spielstärke der jeweiligen Mannschaft angenommen. Money wins gewissermaßen. Dahinter steckt implizit auch eine Effizienzmarkthypothese des Transfermarktes für Fußballspieler. Nur wenn die Transfersummen auch adäquat den Wert der einzelnen Spieler abbilden, dann macht ja diese Methode überhaupt Sinn. Marktversagen am Transfermarkt wird also explizit ausgeschlossen. Dagegen spricht schon, dass es neben den offiziellen Zahlungen auch verdeckte Zahlungen geben kann und gegeben hat.

Nun war schon der Gewinn der deutschen Nationalmannschaft von 1954 ein Sieg eines krassen Außenseiters gegen die damals von den Experten hochfavorisierten Ungarn. Am Ende kam es mithin bekanntlich anders. Allerdings gab es damals keinen Spielermarkt, so dass die Marktwerttheorie damals nicht anwendbar war.

Trotzdem stellt auch die einfache Addition der Marktwerte ein weiteres Problem dar. Schließlich wird ja immer wieder von Spielern und Trainern betont, dass es das Team als Ganzes ist, dass für den Erfolg maßgeblich ist, d.h. es gibt einen Joint-Effekt, d.h. neben den einzelnen Spielern sind eben auch deren Gesamtheit als Team entscheidend für den Spielerfolg. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Die Marktwerttheorie hat sich zuletzt auch als wenig erfolgreich erwiesen, wenn es ums die Prognose auch nur des jeweiligen Welt- und Europameisters geht. Mit dem Sieg Portugals bei der jetzigen EM zeigt sich doch wieder erneut, dass es eine Außenseiterchance gibt, die deutlich höher ist als es den Marktwerttheoretikern als möglich erscheint.

Was sagt die Statistik zu der Frage?

Prinzipiell ist das Spielergebnis in der K.o.-Runde  statistisch gesehen binomialverteilt, d.h. mit der Wahrscheinlichkeit p gewinnt ein Team ein Spiel und mit der Wahrscheinlichkeit (1-p) verliert sie es.

Bei Unkenntnis sonstiger Faktoren über die Qualität der jeweiligen Mannschaften gilt für p = 0,5, d.h. jedes Team hat eine gleichwahrscheinlich Chance ein Spiel zu gewinnen. Man spricht dann von einer nicht-informativen Priorverteilung, die mittels der Maximum-Likelihood-Methode oder auch mittels einer Maximum-Entropie-Methode abgeleitet werden kann.

Wenn man nun als zusätzliche Information den Marktwert der einzelnen Spieler beider Teams berücksichtigen wollte, dann wäre es ja möglich, wenn man für p als Schätzwert den Anteil des Marktwerts des jeweiligen Teams dividiert durch die Summe der Marktwerte, w1 bzw. w2, beider Teams einsetzt, d.h. p = w1/(w1+w2), bzw. (1-p) = w2/(w1+w2). Dann wäre bei Marktwerten größer Null für beide Teams die Erfolgswahrscheinlichkeit für beide Teams auch nicht Null. Favoriten hätten dann grundsätzlich nur dann bessere Siegchancen, wenn ihr Marktwert größer als der Marktwert der gegnerischen Mannschaft ist. Sind sie identisch, dann gilt das eingangs genannte Gleichwahrscheinlichkeitsprinzip.

Im Unterschied zu der Marktwertmethode, die bisher in der Öffentlichkeit als Marktwerttheorie präsentiert wurde, ist dies das statistisch angemessene Modell. Man kann dann auch ein einseitiges Konfidenzintervall für die Wahrscheinlichkeiten ausrechnen und die Hypothese H0: das eine Team gewinnt auch entsprechend mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von beispielsweise 5% angeben. Nur so wird eine statistisch überprüfbare Hypothese aus der Marktwerttheorie.

Man könnte auch durch wiederholte Anwendung der Marktwerttheorie auf unterschiedliche Spiele und Mannschaften die Überlegenheit dieser Hypothese gegenüber der Gleichwahrscheinlichkeitsannahme testen, d.h. liegt die Erfolgsquote bei n Spielen statistisch signifikant höher als bei Unwissenheit, d.h. p = 0,5. Hierfür wäre ein Chi2-Anpassungstest zu konstruieren, da ja diese Hypothese gegenüber anderen überlegen sein sollte.

Fazit

Auch im Fußball lässt sich die Statistik sinnvoll anwenden, aber nur dann, wenn man deren Prinzipien der adäquaten statistischen Modellbildung auch verstanden hat. Sichere Prognosen über den Sieg oder die Niederlage beim Fußball bleiben im Einzelfall trotzdem unmöglich. Das bleibt Prophetie und hat mit Wissenschaft nichts zu tun.

Es mag ja sein, dass ein Favoritenteam eine höhere Wahrscheinlichkeit hat ein Spiel zu gewinnen als ein Außenseiter, aber sicher ist das eben nicht. Hier wird dann von den derzeitigen Marktwerttheoretikern der Bogen überspannt, wenn daraus ein sicherer Sieg der Favoriten bzw. eine sichere Niederlage der Außenseiter gefolgert wird.

Um Sokrates zu zitieren: "Ich weiß, dass ich nichts weiß, aber ich weiß zumindest, dass die anderen auch nichts wissen können." Der Ball ist rund und der Zufall regiert und das ist auch gut so, denn der Reiz des Spiels liegt eben genau darin.

©KOF ETH Zürich, 26. Jul. 2016

Georg Erber
Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Berlin war Georg Erber dort wissenschaftlicher Assistent am Institut für Versicherungsmathematik und Statistik mit dem Schwerpunkt Ökonometrie und Statistik.

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