Die Riesenstadt Shanghai mit 25 Millionen Einwohnern erbringt normalerweise eine grössere Wirtschaftsleistung als manch ein europäisches Land. (Bild: Shutterstock.com/Chuyuss)Auf dem jüngsten Gipfel von Vertretern südostasiatischer Länder in Washington stand neben Lieferkettenunterbrechungen die Lage in China im Mittelpunkt des Interesses. "Ein Blick auf die Situation im von anhaltenden Lockdowns betroffenen Shanghai verdeutlicht, wie eng diese Themen zusammenhängen", sagen die beiden Senior Portfolio Manager Roger Merz und Thomas Schaffner. Wie die China-Experten von Vontobel erläutern, erbringt die Riesenstadt mit 25 Millionen Einwohnern – was etwa der Bevölkerung Australiens entspricht – normalerweise eine grössere Wirtschaftsleistung als manch ein europäisches Land. Nun aber
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Die Riesenstadt Shanghai mit 25 Millionen Einwohnern erbringt normalerweise eine grössere Wirtschaftsleistung als manch ein europäisches Land. (Bild: Shutterstock.com/Chuyuss)
Auf dem jüngsten Gipfel von Vertretern südostasiatischer Länder in Washington stand neben Lieferkettenunterbrechungen die Lage in China im Mittelpunkt des Interesses. "Ein Blick auf die Situation im von anhaltenden Lockdowns betroffenen Shanghai verdeutlicht, wie eng diese Themen zusammenhängen", sagen die beiden Senior Portfolio Manager Roger Merz und Thomas Schaffner. Wie die China-Experten von Vontobel erläutern, erbringt die Riesenstadt mit 25 Millionen Einwohnern – was etwa der Bevölkerung Australiens entspricht – normalerweise eine grössere Wirtschaftsleistung als manch ein europäisches Land. Nun aber belastet der Stillstand in der südchinesischen Metropole sowie in anderen Städten das BIP-Wachstum Chinas stark. Die politische Führung in Beijing, die einen bedingungslosen "Null Covid"-Kurs fährt, setzt alles daran, die Gesundheitskrise ohne Gesichtsverlust in den Griff zu bekommen.
Bewertungserholung an chinesischen Aktienmärkten
Was bedeutet dies für die Anleger, die an chinesischen Aktienmärkten aktiv sind? "Die Börsen im Reich der Mitte hinkten in den Monaten März und April den meisten globalen Indizes teilweise erheblich hinterher. Dabei spielte die leichter übertragbare, aber weniger bedrohliche Omikron-Variante des Coronavirus eine massgebliche Rolle", betonen die Portfolio Manager.
Der implizite Risikoaufschlag – der Preis im Verhältnis zum eingegangenen Risiko, der, wenn als zu hoch wahrgenommen, Anleger vom Markt fernhalten kann – falle derzeit wieder und ermögliche so eine Bewertungserholung. Zuvor habe sich der Risikoaufschlag über Monate steil nach oben bewegt aufgrund von Befürchtungen, dass viele chinesische Unternehmen ihre American Depository Receipts (ADRs) von der New York Stock Exchange oder der US-Börse Nasdaq zurückziehen müssen. Weitere Gründe für den Anstieg waren die Position Chinas zum russischen Einmarsch in die Ukraine sowie die letztjährige Verschärfung der Kontrolle über den chinesischen Privatsektor, insbesondere Technologieunternehmen, durch Beijings Aufsichtsbehörden.
Weitere lokale Lockdown-Massnahmen absehbar
Die Anzahl der neuen Ansteckungen pro Woche ist von Höchstwerten von 460’000 Anfang März auf unter 100’000 zurückgegangen. Die dynamische Handhabe von "Null Covid", sprich Einschränkungen unterschiedlichen Härtegrades, scheinen die erhoffte Wirkung erzielt zu haben. "Aufgrund der hohen Übertragbarkeit der Omikron-Variante sind wir jedoch der Ansicht, dass es selbst unter einem harten Pandemieregime nicht gelingen wird, das Virus vollständig auszumerzen. Daher werden unserer Meinung nach auch in den kommenden Monaten weitere lokale Lockdown-Massnahmen möglich sein", erwarten Merz und Schaffner.
Morgan Stanley Research hat darauf hingewiesen, dass sich die Anzahl der Städte, in denen das Wirtschaftsleben vollständig oder teilweise zum Erliegen kam, seit Ende April unverändert zwischen 40 und 45 bewegt. In der Summe erwirtschaften diese Metropolen 25 Prozent des landesweiten BIP. Ausserdem sei seit Anfang April ein deutlicher Rückgang der Anzahl der als Risikogebiete eingestuften Städte von 50 auf nurmehr zehn zu beobachten gewesen, so Morgan Stanley.
Chinesische Führung in der Zwickmühle
Viel hängt von den folgenden Schritten bei der Bekämpfung der Pandemie ab. Möglicherweise wird die chinesische Regierung erst dann eine laxere Haltung einnehmen, wenn mindestens 80 Prozent der Risikogruppe der Senioren vollständig geimpft ist. Prognosen auf Basis der aktuellen Impfquote zufolge könnte dies im Oktober 2022 der Fall sein. Gemäss neuen wissenschaftlichen Studien würde ein sofortiges Zurückfahren der harten Covid-Massnahmen bis zu 1,5 Mio. Menschenleben kosten. "Dies macht die Zwickmühle deutlich, in der sich die chinesische Führung befindet. Schon vor Langem hatte sie das Virus für besiegt erklärt und ihre harte Linie gegenüber dem westlichen Pandemie-Management als überlegen dargestellt. Jedes Zeichen von Schwäche hätte mithin einen Gesichtsverlust Beijings zur Folge", sagen die China-Experten.
Glaube man lokalen Marktkommentatoren, scheine die chinesische Bevölkerung sich nolens volens mit dem strengen Pandemieregime abzufinden. Ihre Haltung werde Gegenstand genauer Beobachtung sein, da sich China auf die wichtigste politische Veranstaltung der letzten Jahre vorbereitet, den 20. Parteitag der Kommunistischen Partei, der für November anberaumt ist. Anlässlich dieser Versammlung wird Präsident Xi Jinping wahrscheinlich erneut – für eine historisch beispiellose dritte Amtszeit – als Generalsekretär der Partei bestätigt, womit er seine Macht weiter ausbauen wird.
Chinesische Aktien melden sich zurück
Doch wie geht es für chinesische Aktien jetzt weiter? Ein starker Anstieg der Ansteckungsraten könnte die Aktienmärkte erneut erschüttern. Da das Kurs/Gewinn-Verhältnis auf Basis der für die nächsten zwölf Monate erwarteten Gewinne mit 9,5 derzeit aber relativ niedrig liege – was die Vorsicht der Anleger hinsichtlich der Aussichten chinesischer Unternehmen widerspiegele –, scheine die Gefahr weiterer Rückschläge begrenzt zu sein.
"Unserer Ansicht nach werden jedoch die nächsten Schritte der Regierung zur Stützung und Stimulierung der Wirtschaft entscheidend sein", betonen Merz und Schaffner. Mitte April habe der Markt positiv auf die Bestätigung des BIP-Wachstumsziels von 5,5 Prozent reagiert. Einen vergleichbar positiven Effekt auf Aktien hätten die Ankündigungen einer weiteren Urbanisierung ländlicher Gebiete, Nachrichten über weniger strenge Auflagen bei der Regulierung der Finanzaktivitäten chinesischer Internetfirmen, die gelockerte Geldpolitik der Zentralbank sowie lokale Anreizmassnahmen zur Stützung der Immobilienmärkte gehabt.
Sektoren unterscheiden sich bei Renditen stark
Die verbesserte Stimmung lasse sich an der Entwicklung in verschiedenen Sektoren absehen, so die beiden Senior Portfolio Manager von Vontobel. Innerhalb eines Monats hätten sich beispielsweise Aktien von Infrastruktur- und Bauunternehmen erholt, ebenso wie Lebensmittel-, Versorgungs- und Telekommunikationsaktien. Ein Blick auf die Bewegung der Sektor-Renditen in den vergangenen drei Monaten bringe jedoch deutliche Unterschiede zutage. So klaffe beispielsweise zwischen dem Niveau des stärksten Sektors – Öl und Gas – und jenem des schwächsten – Hotellerie – eine Lücke von fast 30 Prozent. "Dies zeigt, dass sich Anlegern, die ihre Titel mit Bedacht auswählen, trotz eines ungünstigen wirtschaftlichen Umfelds durchaus Chancen eröffnen können", schliessen Merz und Schaffner ihre Einschätzung der chinesischen Konjunktur.
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