Inflationssorgen und die Angst vor einer Immobilienkrise in China haben den Anlegern den Risikoappetit verdorben. Angesichts der Marktverwerfungen und der Flut von IPOs treten die Anleger nun auf die Bremse, Firmen auf dem ganzen Kontinent legen Deals aus Eis. Besonders betroffen ist die Schweiz. "Wir haben so etwas wie einen Käuferstreik erlebt - ein Ausdruck, den ich schon lange nicht mehr benutzt habe", sagte ein Banker, der Börsengänge in Europa betreut. "Der Markt hat ziemlich heftig gedreht, und die Investoren zögern, Geld in IPOs zu stecken, wenn sie nicht ein absoluter Knaller sind." Die Zahl der Börsengänge erreichte in Europa in den ersten neun Monaten des Jahres nach Daten von Refinitiv den höchsten Wert seit 2007. Ein Teil davon ist einem Aufholeffekt nach der Corona-Flaute zu
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Inflationssorgen und die Angst vor einer Immobilienkrise in China haben den Anlegern den Risikoappetit verdorben. Angesichts der Marktverwerfungen und der Flut von IPOs treten die Anleger nun auf die Bremse, Firmen auf dem ganzen Kontinent legen Deals aus Eis. Besonders betroffen ist die Schweiz. "Wir haben so etwas wie einen Käuferstreik erlebt - ein Ausdruck, den ich schon lange nicht mehr benutzt habe", sagte ein Banker, der Börsengänge in Europa betreut. "Der Markt hat ziemlich heftig gedreht, und die Investoren zögern, Geld in IPOs zu stecken, wenn sie nicht ein absoluter Knaller sind."
Die Zahl der Börsengänge erreichte in Europa in den ersten neun Monaten des Jahres nach Daten von Refinitiv den höchsten Wert seit 2007. Ein Teil davon ist einem Aufholeffekt nach der Corona-Flaute zu verdanken. Doch in der zweiten September-Hälfte zeigten sich erste Risse. So schob der Berliner Sprachlern-Anbieter Babbel seinen Börsengang überraschend auf. Kurz darauf wurde bekannt, dass auch der Schweizer Mobilfunker Salt vorerst auf einen Gang auf das Parkett verzichtet. "Es ist schwieriger geworden an den Finanzmärkten, nicht nur bei IPOs", erklärt Christoph Lang, Portfolio-Manager bei der Bank J. Safra Sarasin. "Das Goldilocks-Umfeld, das wir die letzten zwölf Monate hatten, ist vorbei."
Als Indikator für die Aufnahmefähigkeit des Marktes für neue Titel gilt der Volatilitäts-Index VIX, der die erwarteten Schwankungen des US-Aktienmarktes misst. Im September schoss das sogenannte "Angstbarometer" auf deutlich mehr als 20 Punkte. Über diesem Schwellenwert bekommen die Investoren kalte Füsse. "Das Makro-Umfeld macht allen Angst", sagt ein weiterer Banker. Inzwischen notiert der VIX zwar wieder unter der Marke, die Anleger bleiben aber verunsichert. Nicht helfen dürfte die durchwachsene Bilanz der Börsenneulinge, viele handeln unter ihrem Ausgabepreis. Der FTSE Renaissance IPO Index für Europa, den Nahen Osten und Afrika fiel in diesem Jahr um fast zehn Prozent.
«Fenster hat sich geschlossen»
Der tschechische Lkw-Dienstleister Eurowag schleppte sich an die Londoner Börse und stürzte prompt ab, obwohl der Ausgabepreis schon gesenkt worden war. Die französische Gesundheitsimmobilien-Firma Icade Sante und der Schweizer Uhrenhändler Chronext zogen kurz vor dem Debüt die Reissleine, weil die Titel nicht zu einen befriedigenden Preis platziert werden konnten. Und auch der Spezial-Logistiker Trans-o-flex zögert mit seinem bereits angekündigten Börsengang. Und mit dem Fitnessgeräte-Anbieter Ifit sagte die erste grosse Firma ihr IPO in den USA ab. "Es hat bereits viele Transaktionen gegeben, die nie das Licht der Welt erblickt haben", sagte der europaweit tätige Banker. "Die Hürde, neue Deals auf den Weg zu bringen, ist hoch."
Mit Swiss Post Solutions verzichtete ein weiteres Schweizer Unternehmen vorerst auf den Gang an den Aktienmarkt. In Zürich stehen damit in diesem Jahr drei geglückten Börsengängen drei gescheiterte gegenüber, mit dem Reinraumausrüster Skan steht noch eine Firma in den Startlöchern. In Deutschland ist das Verhältnis wesentlich besser: Von 18 Transaktionen platzten nur zwei.
Gerade für Deutschland rechnen die Berater von EY denn auch trotz des jüngsten Gegenwinds mit einem starken IPO-Jahrgang. Portfolio-Manager Lang beobachtet dennoch ein Umdenken der Anleger. Lange reichte ihnen Wachstum - auch ohne Gewinne. "Doch inzwischen hat sich dieses Fenster ein Stück weit geschlossen." Das habe sich etwa bei Babbel gezeigt. Profitable Firmen ohne Wachstum würden aber ebenso gemieden. Denn die Anleger befürchteten, dass es zu Stagflation kommen könnte, also einer substanziellen Teuerung mit sehr begrenztem Wachstum. Bei einem Unternehmen mit geringen Zuwächsen drohe die Rendite dann von Inflation aufgefressen zu werden. "Der Markt will profitables Wachstum." In dem Umfeld dürften die Anleger vor allem zu Titeln aus den Sektoren Technologie und Gesundheit greifen, erklärte Lang.
(Reuters/cash)