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Neubau beginnt im Kopf

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Photo: Wikimedia Commons (CC 0) 410 Tage. Es dauerte 410 Tage, die Ikone der New Yorker Skyline zu bauen. 102 Stockwerke, 443 Meter hoch, eingefasst in eine wunderschöne Art-déco-Fassade symbolisiert das „Empire State Building“ bis heute die Risikobereitschaft des Westens, das Unmögliche möglich zu machen. Aus deutscher Sicht der 2020er-Jahre kann man den New Yorker Wachstumsdrang der 1920er nur bewundern: Unternehmer wie Woolworth, Chrysler und Vanderbilt übertrafen sich mit immer höheren Gebäuden, weiteren Brücken und immer mehr Wohnraum, der sowohl Champagner schlürfende Gatsbys als auch malochende Arbeiter anzog – auf der Suche nach Wohnungen, Jobs und Aufstiegschancen. Buchstäbliche Aufstiegschancen ermöglichte auch das Empire State Building: Wer kennt es nicht – das berühmte Photo

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410 Tage. Es dauerte 410 Tage, die Ikone der New Yorker Skyline zu bauen. 102 Stockwerke, 443 Meter hoch, eingefasst in eine wunderschöne Art-déco-Fassade symbolisiert das „Empire State Building“ bis heute die Risikobereitschaft des Westens, das Unmögliche möglich zu machen.

Aus deutscher Sicht der 2020er-Jahre kann man den New Yorker Wachstumsdrang der 1920er nur bewundern: Unternehmer wie Woolworth, Chrysler und Vanderbilt übertrafen sich mit immer höheren Gebäuden, weiteren Brücken und immer mehr Wohnraum, der sowohl Champagner schlürfende Gatsbys als auch malochende Arbeiter anzog – auf der Suche nach Wohnungen, Jobs und Aufstiegschancen.

Buchstäbliche Aufstiegschancen ermöglichte auch das Empire State Building: Wer kennt es nicht – das berühmte Photo von den Bauarbeitern auf dem freihängenden Stahlträger, die während ihres Mittagessens in die Kamera grinsen. Der Job der sogenannten Nieter war aber noch beeindruckender als ihr Pausenort: Diese Helden des Stahlgerüsts arbeiteten sich in Viererteams vom Erdgeschoss bis zum 103. Stock des Gebäudes. Der Heizer erhitzte die Nieten in einer mobilen Schmiede und nutzte eine Zange, um die glühend heißen Nieten ein Stockwerk weiter nach oben zu schmeißen, wo der Fänger sie mit einer alten Farbdose auffing. Der Bucker-up stützte den Niet und der Schütze trieb ihn mit einem Luftdruckhammer in den Stahlträger, wo er mit dem Träger verschmolz und dem Gerüst Stabilität verlieh. Der allerletzte Niet wurde unter großem Jubel in über 400 Metern Höhe aus purem Gold in den Stahlträger geschossen.

Schnelligkeit, Risikobereitschaft, Aufstiegsstreben kommen einem nicht in den Sinn, wenn man an deutsche urbane Zentren denkt. Vergleicht man die Stadtentwicklungen in den 20 Jahren von 1910 bis 1930 mit den Jahren 2001 bis 2021 gab es in 90 Jahren kaum einen Sprung nach Vorn, es gab eher mehrere Sätze zurück. Während die New Yorker Bauarbeiter das Empire State Building innerhalb von 410 Tagen, mehr als vier Stockwerke pro Woche in den Himmel nieteten schaffen es die Deutschen 90 (!) Jahre später in der gleichen Zeit kaum ein Einfamilienhaus zu bauen.

Im New York der 1920er lieferten sich Architekten, Bauentwickler, Bauarbeiter und ganze Städte einen Wettlauf um die höchsten Gebäude, längsten Brücken und die schnellste Fertigungszeit. Deutsche Städte in 2020er Jahren hingegen liefern sich ein Rennen darum wer Risikobereitschaft noch unattraktiver machen kann. Das Ergebnis des Wettrennens der 1920er Jahren waren ikonische Art-Deco-Wolkenkratzer. Das Ergebnis der 2020er ist langsamer, lustloser, langweiliger fünfstöckiger Neo-Biedermeier.

Gründe für den ausbleibenden Fortschritt und sogar Rückschritt werden in der Forschung viele genannt. Ein wichtiger Grund: Regulierungen, die Risiken senken sollen.

Sollte die Höhe eines Gebäudes politisch festgeschrieben werden? Auf jeden Fall. Schließlich wollen wir nicht das Risiko eingehen, dass der Kiez seinen Charakter verliert. Sollte der Brandschutz verstärkt werden? Auf jeden Fall. Schließlich wollen wir nicht das Risiko eingehen, Menschenleben zu gefährden. Sollten neue Sicherheitsstandards für Bauarbeiter eingeführt werden? Auf jeden Fall. Schließlich wollen wir nicht das Risiko eingehen, dass sich Arbeiter auf der Baustelle verletzen.

Niemand sollte die die hehren Ziele dieser Eingriffe in Frage stellen. Ökonomen jedoch werden skeptisch, wenn sie hören, dass es Erfolg ohne Risiko geben soll. Wenn sich Ökonomen Regulierungsvorschläge anschauen, denken Sie in Grenzkosten und -nutzen: Um wie viel erhöhen sich Kosten und Nutzen für die Bereitstellung eines weiteren Gutes, wenn eine weitere Regulierung eingeführt wird?

Die Höhe von Gebäuden zentral festzulegen, verringert das Risiko, dass die Nachbarschaft verschandelt wird. Die Kosten der Regulierung ist aber weniger Wohn- und Büroraum in den beliebtesten Teilen der Stadt. Eine Verstärkung der Brandschutzauflagen führt zu weniger Brandopfern. Die zusätzlich eingesetzten Ressourcen, fehlen dann aber für weitere Bauvorhaben, um günstigen Wohnraum für die Schwächsten der Gesellschaft zu bauen. Zusätzliche Sicherheitsstandards auf der Baustelle führen zu etwas sichererem Bauen. Der höhere Aufwand den Regulierungen gerecht zu werden, verlängert aber die Zeit bis neue Bauten endlich fertiggestellt werden.

Der Geburtstag des Empire State Building wird überschattet vom brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der auch eine neue Debatte über den Mythos des Westens ausgelöst hat. Eine dieser Mythen ist das Empire State of Mind, das nicht auf die Vereinigten Staaten beschränkt ist. Es bezieht sich auf die Risikobereitschaft, das Unmögliche möglich zu machen, sich nichts vorschreiben zu lassen und keine Angst davor zu haben mit neuen Wagnissen das Leben seiner Mitmenschen zu verbessern. Das Regeldickicht in den Städten des Westens in den neuen 20er Jahren drückt das Gegenteil aus: Es trieft vor Angst vor der Zukunft, voreilendem Gehorsam und Ungläubigkeit, dass die Welt besser werden kann. Mit den Regeln der neuen 20er Jahre im Westen, wären die urbanen Heldentaten der alten 20er nie möglich gewesen. Das risikoloseste Bauvorhaben ist und bleibt gar kein Bauvorhaben.

Heutzutage müsste kein Arbeiter mehr in 400 Meter Höhen glühend heiße Nieten durch die Gegend werfen. Neue Technologien ermöglichen ungefährlicheres Arbeiten. Genau diese waren aber auch nur risikobehaftete Chancen, die möglich geworden sind, weil Unternehmer und Arbeitnehmer das Risiko eingegangen sind, sie wahr werden zu lassen. Der gleiche Fortschritt ist auch in den modernen Städten des Westens, in Deutschlands Städten, möglich. Doch dafür müssen wir Risiko legalisieren und honorieren. Auch deutschen Städten würde eine New Yorker Skyline gutstehen. Doch dafür braucht es ein regulatorisches Empire State of Mind für die Träumer, die sich trauen das Unmögliche möglich zu machen – und das sogar schneller als in 410 Tagen.

Erstmals erschienen beim Ökonomenblog.

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