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Wie objektiv sind Internationale Organisationen?

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Internationale Organisationen wie die Weltbank und der IWF veröffentlichen regelmäßig einflussreiche ökonomische Bewertungen ihrer Mitgliedsländer, die auf neutralen und objektiven Kriterien beruhen. Doch wie objektiv und neutral sind diese Bewertungen? Dieser Beitrag zeigt anhand der Schuldentragfähigkeitsanalysen des IWF, dass der Ermessensspielraum der Organisationen relativ groß ist und es teilweise zu politischer Einflussnahme kommt: Länder, die den USA nahe stehen, erhalten öfters bessere Ratings. Das Jahr 2018 begann für die Weltbank mit einem Schock. Ihr Chefökonom Paul Romer machte Anfang Januar Schlagzeilen[ a ] mit der Aussage, die Weltbank habe ihren einflussreichen Ease of Doing Business Index über Jahre hinweg manipuliert. Der weltweit bekannteste Index zur Messung

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Internationale Organisationen wie die Weltbank und der IWF veröffentlichen regelmäßig einflussreiche ökonomische Bewertungen ihrer Mitgliedsländer, die auf neutralen und objektiven Kriterien beruhen. Doch wie objektiv und neutral sind diese Bewertungen? Dieser Beitrag zeigt anhand der Schuldentragfähigkeitsanalysen des IWF, dass der Ermessensspielraum der Organisationen relativ groß ist und es teilweise zu politischer Einflussnahme kommt: Länder, die den USA nahe stehen, erhalten öfters bessere Ratings. Das Jahr 2018 begann für die Weltbank mit einem Schock. Ihr Chefökonom Paul Romer machte Anfang Januar Schlagzeilen mit der Aussage, die Weltbank habe ihren einflussreichen Ease of Doing Business Index über Jahre hinweg manipuliert. Der weltweit bekannteste Index zur Messung der Unternehmensfreundlichkeit von Volkswirtschaften sei mehrmals so umgestaltet worden, dass Länder aufgrund der politischen Ausrichtung ihrer Regierung systematisch benachteiligt wurden. So seien etwa in Chile linksgerichtete Regierungen benachteiligt worden. Ob er mit diesen Vorwürfen Recht hat, wird in Washington derzeit kontrovers diskutiert. Unabhängig davon hat diese Aussage Romer inzwischen seinen Job gekostet. In der Debatte, die Romer ausgelöst hat, geht es längst nicht mehr nur noch um den Ease of Doing Business Index. Vielmehr stellt sich die Frage, wie objektiv Internationale Organisationen in Wirklichkeit sind. Institutionen wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlichen regelmäßig einflussreiche Einschätzungen, in denen sie ihre Mitgliedsstaaten nach verschiedenen ökonomischen Gesichtspunkten bewerten. Neben der Analyse von Unternehmensfreundlichkeit, gehören Wachstumsprognosen sowie die Bewertung von Schuldentragfähigkeit und politischen Institutionen zu deren wichtigsten Aufgabenbereichen. Diese Länderbewertungen haben gewaltige Implikationen: Welche Reformen von IWF-Programmländern wie Griechenland verlangt werden, hängt stark von IWF-Wachstumsprognosen ab. Wieviel Entwicklungshilfe ein Land erhält, bestimmt zu einem nicht unwesentlichen Teil das so genannte Country Policy and Institutional Assessment. Und der Ease of Doing Business Index beeinflusst mitunter die Investitionsentscheidungen großer Unternehmen. Sind diese Bewertungen politisch verzerrt und dadurch nicht objektiv, hat das direkte ökonomische Folgen für die betroffenen Länder.

Die Schuldentragfähigkeitsanalysen von IWF und Weltbank

Aus diesem Grund widmen wir uns diesem Thema in unserer jüngst im Journal of Development Economics veröffentlichten Studie. Hierbei konzentrieren wir uns auf die Schuldentragfähigkeitsanalysen (Debt Sustainability Analyses, DSAs), die der IWF gemeinsam mit der Weltbank erstellt. Diese DSAs bewerten die Schuldentragfähigkeit eines Landes, in dem sie ihm in regelmäßigen Abständen eine von drei Risikowertungen zuordnen (low risk, medium risk, high risk of debt distress). Diese Risikowertungen haben entscheidenden Einfluss darauf, ob und zu welchen Konditionen das jeweilige Land Zugang zum Kapitalmarkt und zu den Finanzmitteln von IWF und Weltbank hat. In unserer Analyse suchen wir nach Auffälligkeiten bei diesen Bewertungen. Tatsächlich finden wir Hinweise auf politische Verzerrungen. Hierbei ist besonders überraschend, dass diese Ratings eigentlich auf Grundlage eines festgelegten ökonometrischen Modells gebildet werden. Zunächst berechnen Mitarbeiter des IWF und der Weltbank derzeitige und vorhergesagte Schuldenniveaus, Schuldenzahlungen und einige zusätzliche makroökonomischen Kennzahlen. Diese Werte werden dann mit Schwellenwerten verglichen, die für alle Länder gleich sind. Das Rating ergibt sich dann indem schlicht bestimmt wird, wie oft welche Schwellenwerte übertroffen werden. Interessanterweise darf dieses mechanisch generierte Rating in besonderen Fällen überstimmt werden. In der Beschreibung der Methodik der DSA wird explizit darauf verwiesen, dass die Mitarbeiter des IWF und der Weltbank einen gewissen Ermessensspielraum haben. Unter Berücksichtigung von länderspezifischen Besonderheiten sollen sie einschätzen, ob das mechanische Rating angemessen ist. Wenn nicht, dürfen sie es überstimmen und das offizielle von IWF und Weltbank veröffentlichte Rating weicht vom mechanischen Rating ab. Genau diese Abweichungen schauen wir uns genauer an. Da wir Zugang zu allen Daten haben, die für diese Schuldennachhaltigkeitsanalysen verwendet wurden, können wir jeweils das mechanische Rating rekonstruieren und es mit dem offiziellen Rating vergleichen. Es zeigt sich, dass rund ein Drittel aller offiziellen Ratings von den mechanischen Ratings abweicht. Der Ermessensspielraum wird also durchaus genutzt. Bei fast allen Abweichungen handelt es sich um Verbesserungen der Bewertungen. Doch welche Länder profitieren davon?

Politisch verzerrte Ratings?

Unsere empirische Analyse zeigt, dass es sich hierbei überdurchschnittlich häufig um die außenpolitischen Freunde der USA handelt. Die Ratings von Ländern, die in außenpolitischen Fragen häufig einer Meinung mit den USA sind – was wir durch die Ähnlichkeit des Abstimmungsverhalten in der UN-Generalversammlung messen können – werden besonders oft durch manuelle Überstimmung verbessert. Dies unterstützt den Verdacht, dass diese Ratings politisch verzerrt sind. Dass die USA als Land mit den größten Stimmanteilen in IWF und Weltbank Einfluss auf die allgemeine Ausrichtung dieser Organisationen haben, ist durchaus bekannt. Dass ihre politischen Interessen bei der ökonomischen Bewertung anderer Länder Berücksichtigung finden, zeugt jedoch von einer ungeahnten Dimension dieses Einflusses. Zudem zeigen unsere Daten, dass die US-freundlichen Regierungen besonders dann profitieren, wenn in deren Ländern gerade eine Wahl ansteht. Da davon auszugehen ist, dass Regierungen in Wahljahren besonders an guten Bewertungen interessiert sind, passt dies zu der Vermutung, dass politische Interessen die Objektivität der DSA-Ratings verzerren. Außerdem ist der Zusammenhang besonders stark, wenn die Indikatoren der Schuldenlast nur wenige Grenzwerte überschreiten und eine Überstimmung einfacher zu begründen ist. Gerade dann scheinen politische Interessen den Unterschied zu machen (siehe Grafik). Abbildung: Schuldenlast und Nähe zu den USA Die y-Achse der Grafik zeigt die Wahrscheinlichkeit, ein durch Überstimmung verbessertes Rating zu erhalten. Die x-Achse gibt den Prozentsatz der Grenzwerte an, die in den Schuldenanalysen überstiegen wurden (je mehr, desto eindeutiger das mechanische Rating). Die durchgezogene Linie zeigt die geschätzte Wahrscheinlichkeit (und das 95% Konfidenzintervall) für außenpolitische Freude der USA, die gestrichelte Linie für alle anderen Länder.

Internationale Organisationen als politische Organisationen

Diese statischen Zusammenhänge stützen die Sichtweise, dass Internationale Organisationen nicht als rein technokratische, sondern auch als politische Organisationen verstanden werden müssen. Auch in anderen Politikfeldern zeigt die empirische Evidenz, dass sie häufig im geopolitischen Interesse ihrer mächtigsten Mitgliedsstaaten handeln. Unsere Studie zeigt, wie dies zu Stande kommen kann: Gerade dann, wenn formelle Regeln Spielraum lassen, können sich politische Interessen durchsetzen. Neben formellen und bürokratischen Regelungen kommt also auch informellen Regelungen innerhalb von Internationalen Organisationen eine bedeutende Rolle zu. Die formellen Regelungen und die Bürokratie (für deren Einfluss wir ebenfalls Evidenz finden) stellen sicher, dass die Organisationen als technokratisch und legitim angesehen werden. Gleichzeitig gibt es für besonders mächtige Mitgliedsstaaten jedoch informelle Wege, in den Entscheidungsprozess der Organisation zu intervenieren und diesen zu beeinflussen.

Implikationen für einen Europäischen Währungsfonds

Diese Beobachtungen haben Implikationen für die aktuelle Debatte zum Ausbau internationaler Institutionen innerhalb der Eurozone. Erst neulich forderte die EU-Kommission die Gründung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) nach dem Vorbild des IWF. In ihren Sondierungsgesprächen im Januar haben sich Union und SPD dieser Forderung angeschlossen. In einem Arbeitspapier des deutschen Finanzministeriums heißt es, ein EWF solle „eine stärkere, neutrale Rolle bei der Überwachung des Stabilitäts- und Wachstumspakts erhalten.“ Als einer der Vorteile solcher Internationalen Organisationen gilt häufig, dass diese bei derartigen Überwachungs- und Kontrollfunktionen eine neutrale und objektive Rolle einnehmen. Mit Hilfe ihrer fachlichen Expertise könnten sie auf Grundlage eindeutig messbarer Daten stets zu einer objektiven Bewertung der Situation kommen. Der Einfluss partikulärer, nationaler Interessen auf internationale Politikentscheidungen ließe sich so reduzieren. Unsere Forschungsergebnisse sähen hieran jedoch erhebliche Zweifel. Auch im Kontext der Eurokrise wurde bereits deutlich, dass mächtige Mitgliedsländer regelmäßig versuchen, Einfluss auf Internationale Organisationen zu nehmen. Im Fall des griechischen IWF-Programms etwa wurden geltende IWF-Regularien nach denen Griechenland keinen IWF-Kredit ohne Umschuldung erhalten konnte, auf Druck einiger Euroländer kurzerhand um eine Ausnahmeregelung ergänzt. Die politökonomische Forschung zu Internationalen Organisationen legt nahe, dass auch ein Europäischer Währungsfonds vor solchen Beeinflussungsversuchen nicht gefeit wäre. Wie unsere Studie zeigt, wirken nationale politische Interessen bis in vergleichsweise technische Politikbereiche wie die makroökonomische Analyse von Schuldentragfähigkeit hinein. Besonders wenn es große Ermessenspielräume, geringe Nachvollziehbarkeit und Ausnahmeregelungen gibt, sind Objektivität und Unabhängigkeit gefährdet. Nur volle Transparenz und klare Regeln, die für alle Mitgliedsländer gleichermaßen gelten, können dem entgegenwirken.

Literatur

Lang, Valentin F. und Andrea F. Presbitero. 2018. Room for discretion? Biased decision-making in international financial institutions. Journal of Development Economics 130: 1-16. ©KOF ETH Zürich, 6. Feb. 2018

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