Summary:
Buchbesprechung:Tamim Bayoumi: Unfinished Business – The unexplored causes of the financial crisis and the lessons yet to be learned, Yale University Press, October 2017Es ist nicht einfach, dem Leser zehn Jahre nach der Pleite von Lehman und dem Ausbruch der GFC (Global Financial Crisis) ein weiteres Buch vorzulegen, das verspricht, “unerforschten Ursachen der Krise” darzulegen ...
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Buchbesprechung:
Tamim Bayoumi: Unfinished Business – The unexplored causes of the financial crisis and the lessons yet to be learned, Yale University Press, October 2017
Es ist nicht einfach, dem Leser zehn Jahre nach der Pleite von Lehman und dem Ausbruch der GFC (Global Financial Crisis) ein weiteres Buch vorzulegen, das verspricht, “unerforschten Ursachen der Krise” darzulegen und die Lehren daraus zu präsentieren.
Eine Unmenge von Büchern ist über die GFC verfasst worden. Manche sind gut und informativ, manche bieten aber nichts Neues. Vor diesem Hintergrund ist es kein leichtes Unterfangen, dieses viel versprechende Buch zu besprechen, zumal der Autor technokratisch an das Thema herangeht.
Die Krise war ein systemischer Misserfolg der Makroökonomie, der eine systemische Erneuerung über strengeren Bankregulierung hinaus erfordert, hält Tamim Bayoumi fest.
Der stellvertretende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) , der einen Bachelor Abschluss von der University of Cambridge und einen PhD von der Standford University hat, nennt die Krise „North Atlantic crisis“ und betont, dass es eine einzige Krise gab, in der beide Seiten des Nordatlantiks „parasitär miteinander verflochten“ waren.
Eine massive Ausweitung der Kreditvergabe der Banken im Kern des Euroraums trug seiner Ansicht nach dazu bei, den Finanz-Boom in der Peripherie des Euroraums und auf dem US-Immobilienmarkt anzutreiben.
Die Mega-Banken im Euroraum hätten "ihre internen Modelle manipuliert, um ihren Kapitalpuffer zu reduzieren und das ungenutzte Kapital für neue Kredite wiedereinzusetzen".
Die daraus resultierende schnelle Kreditausweitung sei im Wesentlichen in das Investment Banking in den USA und auf gewerbliche Kredite in der Peripherie Europas gegangen.
Die nationalen Regulierungsbehörden verpassten die Erosion des Kapital-Puffers, da sie auf konzentriert waren, die eigenen nationalen Finanzinstitute zu fördern.
Auch die Fed hat ein Auge zugedrückt, so der Autor, weil sie von dem Glauben ausging, dass die Markt-Disziplin besser funktionieren würde als die Regulierung.
Zugleich hat die US-Aufsichtsbehörde (SEC) das Kreditsicherheit-Wesen so gelockert, dass auch mit Hypotheken besicherte Wertpapiere (MBS) für Repo-Geschäfte eingesetzt werden konnten.
Der Entscheid, auch die in ausländischen Währungen denominierten Anleihen (FX currency bonds) im US-Repo-Geschäft als Kollateral zuzulassen, hat die Nachfrage so erhöht, dass die Anwesenheit der europäischen Banken in den USA stark zugenommen hat. Und der Auflauf hat dann laut dem Autor eine Immobilien-Blase in den USA ausgelöst.
Fazit: Die schwach kapitalisierten Banken aus Europa haben die „North Atlantic“-Krise angezettelt. Das ist bei allem Respekt schon eine ziemlich gewagte Aussage, die mehr Fragen aufwirft als dass sie eine Erklärung liefert.
Die darauf folgende Feststellung, dass die Deregulierung der Finanzmärkte „nicht von aggressiven Programmen zur Verbesserung der Funktionsweise der Realwirtschaft begleitet“ wurde, wie sie in den 1980er Jahren von Präsident Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Grossbritannien verfolgt wurden, lässt aufhorchen.
In „Ermangelung von Strukturreformen, die neue Investitionen eröffneten“, habe die Deregulierung der Finanzmärkte einfach mehr Geld an die gleichen Orte geschoben.
Hier scheint ein Widerspruch zu liegen: zunächst ein Applaus für die Deregulierung und dann eine Rüge? Wie auch immer hört sich die Argumentationskette manchmal tautologisch an.
Und wie sieht die Abhilfe aus? Im Euroraum soll man mehr auf die Rolle der „financial integration“ Wert legen als auf die Einhaltung von strikten Regeln. Na gut, das ist in Ordnung. Wenn der Autor aber dann dazu über geht, von der Notwendigkeit von „Strukturreformen“ und „flexiblen Arbeitsmärkten“ zu reden, wird die Kausalität etwas überstrapaziert: Da hört der Spass auf.
Denn wir wissen, was es bedeutet: Lohnstagnation, Sozialabbau und Zurückdrängen der öffentlichen Hand .... , obwohl es angesichts der anhaltenden Nachfrageschwäche Investitionen bedarf.
Ein anders Buch über die Krise mit rund 300 Seiten.
Tamim Bayoumi: Unfinished Business, Yale University Press, Oct 2017