Die Gesundheitswirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, dessen Bedeutung noch zunehmen wird. Allerdings geht bei der rein marktwirtschaftlichen Betrachtung ihr gesellschaftlicher Nutzen oftmals vergessen, wie dieser Beitrag zeigt. Im Mittelpunkt der Gesundheitswirtschaft steht ihr quantitativer und qualitativer Nutzen. Sie ist ein Wirtschaftszweig mit sehr hoher Wertschöpfung (der Anteil am deutschen Bruttoinlandsprodukt beträgt über 10%), einem Beschäftigungsanteil von rund 15 % bei überdurchschnittlich zunehmender Beschäftigung, einem erfreulichen Exportanteil und einer Vielzahl neuer Berufe. Diese rein quantitative Betrachtung bringt aber noch nicht zum Ausdruck, dass die Gesundheitswirtschaft, ähnlich wie die Energiewirtschaft, ein lebens-wichtiger Teil unserer volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Infrastruktur darstellt. Die hohen Wachstumsraten von Wertschöpfung und Beschäftigung einerseits und die demografische Entwicklung andererseits machen zudem deutlich, dass es sich in mehrfacher Hinsicht um eine Zukunftsbranche handelt. Daher sind auch die Forschungsinvestitionen im Wirtschaftsstandort Deutschland von industrie- und wachstumspolitischer Bedeutung. Zur Gesundheitswirtschaft zählen neben dem ersten "Gesundheitsmarkt" der Zweite Gesundheitsmarkt mit seinen Produkten und Gesundheitsleistungen.
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Klaus-Dirk Henke, Rüdiger Leidner considers the following as important:
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Die Gesundheitswirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, dessen Bedeutung noch zunehmen wird. Allerdings geht bei der rein marktwirtschaftlichen Betrachtung ihr gesellschaftlicher Nutzen oftmals vergessen, wie dieser Beitrag zeigt.
Im Mittelpunkt der Gesundheitswirtschaft steht ihr quantitativer und qualitativer Nutzen. Sie ist ein Wirtschaftszweig mit sehr hoher Wertschöpfung (der Anteil am deutschen Bruttoinlandsprodukt beträgt über 10%), einem Beschäftigungsanteil von rund 15 % bei überdurchschnittlich zunehmender Beschäftigung, einem erfreulichen Exportanteil und einer Vielzahl neuer Berufe. Diese rein quantitative Betrachtung bringt aber noch nicht zum Ausdruck, dass die Gesundheitswirtschaft, ähnlich wie die Energiewirtschaft, ein lebens-wichtiger Teil unserer volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Infrastruktur darstellt. Die hohen Wachstumsraten von Wertschöpfung und Beschäftigung einerseits und die demografische Entwicklung andererseits machen zudem deutlich, dass es sich in mehrfacher Hinsicht um eine Zukunftsbranche handelt. Daher sind auch die Forschungsinvestitionen im Wirtschaftsstandort Deutschland von industrie- und wachstumspolitischer Bedeutung. Zur Gesundheitswirtschaft zählen neben dem ersten "Gesundheitsmarkt" der Zweite Gesundheitsmarkt mit seinen Produkten und Gesundheitsleistungen. Letzterer ist aufgrund der rein privaten Finanzierung Bestandteil der persönlichen Lebensführung, wenngleich der Zusammenhang zur Gesundheitsprävention offensichtlich ist.
Eine rein (markt-)wirtschaftliche Betrachtung der Gesundheitswirtschaft greift jedoch zu kurz. Denn Ziel der Produktionstätigkeit in der Gesundheitswirtschaft ist nicht die Erzeugung von Wirtschaftswachstum, sondern von Gesundheit bzw. des Erhalts selbstbestimmter Lebensführung. Auf diesem Wege von der ökonomischen Dividende (economic footprint) zu einer besseren Gesundheit, plakativ auch gelegentlich als "Gesundheitsdividende" bezeichnet, geht es um den individuellen und kollektiven Nutzen der Gesundheitswirtschaft. Während sich der ökonomische Nutzen der Gesundheitswirtschaft national, regional und auch unternehmensbezogen auf der Grundlage der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ermitteln lässt, ist die Gesundheitswirksamkeit dieser Branche nicht gleichermaßen standardisiert zu ermitteln. Krankheitskosten-, Kosten-Wirksamkeits-, Kosten-Nutzwert-Analysen etc. sind methodisch nicht mit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu vergleichen.
Auch wenn es unstrittig ist, dass Forschungsausgaben als Investitionen in Gesundheit und damit der Gesundheitswirtschaft einzubeziehen sind, werden die Rückwirkungen von Innovationen bisher nicht zureichend erfasst. Meist beschränkt sich ihre Betrachtung auf Einsparungen bei den Gesundheitsausgaben. Unberücksichtigt bleiben jedoch, sieht man von Einzelfällen ab, indirekte Effekte wie ihr Einfluss auf die Erwerbstätigkeit. Betrachtet man zudem nicht nur die durch Krankheit verlorenen Erwerbstätigkeitsjahre, sondern bewertet sie mit der verlorenen Wertschöpfung, so gibt es belastbare Hinweise, dass der Rückgang an krankheitsbedingten Wertschöpfungsverlusten die Ausgaben für Forschung und Innovation im Gesundheitssektor kompensiert. Solche Untersuchungen müssen ausgebaut und systematisiert werden, damit sie im Rahmen einer zu entwickelnden Gesundheitswirtschafts-politik entscheidungsrelevant werden können.
Bei den Wirkungen der Gesundheitswirtschaft auf unsere Gesundheit kann es hilfreich sein, zwischen der industriellen und der dienstleistungsorientierten Gesundheitswirtschaft zu unterscheiden und sich vor Augen zu führen, dass eine unseren Ansprüchen gerecht werdende Krankenversorgung der Bevölkerung und ihre gesundheitliche Betreuung ohne eine in ihren Teilbereichen spezialisierte und arbeitsteilig zusammenwirkende Gesundheitswirtschaft nicht vorstellbar ist.
Um welche Ziele es (auch) geht
Bei der Analyse der Gesundheitswirtschaft mit all ihren Facetten geht es letztlich um eine gesellschaftliche Zielorientierung: die Erreichung von mehr Lebensqualität bzw. lebenslanger bestmöglicher "Funktionsfähigkeit" im Alltag. Dieser Grundgedanke ist ein wichtiges Element einer noch zu entwickelnden Gesundheitswirtschaftspolitik für eine alternde Gesellschaft auf Bundes- und Landesebene. Im Vordergrund steht dann das Management von besserer Gesundheit, also länger, besser und selbstbestimmt leben bei mehr Wohlstand durch Wertschöpfung und Beschäftigung der Gesundheitswirtschaft.
Nachdem der ökonomische Fußabdruck empirisch belastbar für Stadt und Land vorliegt bzw. mit der in Deutschland erstmals entwickelten Methodik immer wieder berechnet und zeitlich fortgeschrieben werden kann, ergeben sich einige diskussionswürdige Fragen, die eine Antwort suchen:
- Welchen Beitrag erbringt die Gesundheitswirtschaft insgesamt zur besseren Gesundheit mit ihren multiplen Effekten und zur vielschichtigen Lebensqualität in Deutschland sowie einzelnen Regionen?
- Welche Rückwirkungen hat dieser verbesserte Gesundheitszustand auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung?
- Lässt sich der qualitative und quantitative Nutzen der Gesundheitswirtschaft auch als Grundlage einer "Gesundheitsfolgenabschätzung" von Maßnahmen anderer Politikbereiche verwenden?
Viele Wege führen zu einer "besseren Gesundheit" durch die Gesundheitswirtschaft. So lassen sich am Beispiel medizintechnischer Geräte und pharmazeutischer Produkte positive Veränderungen des Gesundheitsstandes und seines Nutzens aufzeigen. Ein anderer Weg ergibt sich, wenn die "Alltagsfunktionalität" und Lebensqualität im Vordergrund stehen. Es kann aufgezeigt werden, welche Faktoren zu einer besseren Gesundheit führen ("Gesundheitsfunktionen"), wie nachstehende Beispiele deutlich machen:
- Unfälle am Arbeitsplatz, im privaten Haushalt und/oder im Straßenverkehr und ihre Vermeidung,
- Stärkung der Hör- und Sehkraft einer alternden Bevölkerung oder bei der
- Unterstützung und Lebenserleichterung im Umgang mit chronischen Erkrankungen
Ein dritter Weg zu Gesundheitsfunktionen führt über die industriellen Vorleistungen, die nicht nur in den Bereichen der stationären Versorgung, Rehabilitation und Pflege, unverzichtbar sind. In der ambulanten und stationären Versorgung gibt es in aller Regel keine Behandlung ohne Produkte und Dienste der industriellen Gesundheitswirtschaft.
Im Vordergrund des gesellschaftlichen Nutzens der Gesundheitswirtschaft stehen oft die älteren Menschen mit ihrer Alltagsfähigkeit, also ihrer Selbstständigkeit und Lebensqualität. Der Paradigmenwechsel von der Förderung eines Gesundheitszustandes (der in jeder Lebensphase angepasst zu definieren ist) zur Erreichung und Erhaltung von Alltagstauglichkeit erfordert eine neuartige ambulante und stationäre Versorgung (Rupert Püllen in der FAZ unter "Fremde Federn"). Er kritisiert das zu enge Denken in Krankheiten und "das allein krankheitsbasierte Vorgehen in der Medizin für eine alternde Gesellschaft". Es geht vielmehr um ein altersgerechtes, barrierefreies Leben zu dem auch technische Assistenzsysteme gehören.
Angesichts ihrer Personalintensität der Krankenversorgung und gesundheitlichen Betreuung der Bevölkerung bedarf der Arbeitsmarkt der Gesundheitswirtschaft einer gesonderten Behandlung. Hier geht es nicht nur um Beschäftigung schlechthin, sondern vor allem um die gesundheitsrelevanten Berufe, die Personalentwicklung in den unterschiedlichen Institutionen (z.B. Krankenhaus, Reha-Einrichtungen), den Fachkräftebedarf und -mangel, die Anzahl der Stellen für Ärzte und Pflegekräfte, neue Berufsbilder mit ihren Ausbildungsmöglichkeiten und Berufschancen, technische Assistenzberufe sowie erweiterte Kompetenzen für Pflegekräfte und ArzthelferInnen. Hinsichtlich dieser Fragen und auch der Vergütung und Bezahlung der erbrachten Gesundheitsleistungen spielt die Tarifautonomie eine wichtige Rolle. Im Kontext des Arbeitsmarktes lässt sich schließlich sein überdurchschnittlich hoher Anteil an der Wertschöpfung innerhalb der Branche und im Vergleich mit anderen Branchen ermitteln. Und schlussendlich stehen mit dem Arbeitsmarkt auch die Organisation der sozialen Selbstverwaltung und ihre verfassungsrechtliche Legitimation zur Diskussion.
©KOF ETH Zürich, 5. Sep. 2016