Ausländische Investoren, die ihr Geld in den sicheren Hafen Schweiz bringen, werden oft für die Frankenaufwertung verantwortlich gemacht. Die Zahlen entlarven diese Erklärung als falsch. Bild: pixabayhttps://pixabay.com/de/schweizer-franken-geld-schweiz-571862/ Die Schweizer Exportwirtschaft kämpft mit dem starken Franken. Seit der Aufhebung des Mindestkurses schwankt der Wechselkurs um 1,08 Franken pro Euro. Gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2010 entspricht dies einer nominellen Aufwertung von 40%. Entscheidend ist jedoch die reale Wechselkursaufwertung, die berücksichtigt, dass die Inflationsrate im Euroraum um ca. 1,5%-Punkte höher war. Diese sieht etwas weniger dramatisch aus, doch auch real hat sich der Schweizer Franken gegenüber der Währung unseres wichtigsten Handelspartners um stolze 26% aufgewertet. Für diesen Teil der Aufwertung, der sich nicht mit der Inflationsdifferenz begründen lässt, wird oft das Argument der Schweiz als sicherer Hafen («save haven») bemüht. Demnach geht der Aufwertungsdruck von ausländischen Investoren aus, die in turbulenten Zeiten ihr Geld vermehrt in der hiesigen Währung anlegen. Die Erklärung mag schlagend einfach klingen, doch sie entpuppt sich bei einem genauen Blick in die Daten als falsch.
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Ausländische Investoren, die ihr Geld in den sicheren Hafen Schweiz bringen, werden oft für die Frankenaufwertung verantwortlich gemacht. Die Zahlen entlarven diese Erklärung als falsch.
Die Schweizer Exportwirtschaft kämpft mit dem starken Franken. Seit der Aufhebung des Mindestkurses schwankt der Wechselkurs um 1,08 Franken pro Euro. Gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2010 entspricht dies einer nominellen Aufwertung von 40%. Entscheidend ist jedoch die reale Wechselkursaufwertung, die berücksichtigt, dass die Inflationsrate im Euroraum um ca. 1,5%-Punkte höher war. Diese sieht etwas weniger dramatisch aus, doch auch real hat sich der Schweizer Franken gegenüber der Währung unseres wichtigsten Handelspartners um stolze 26% aufgewertet.
Für diesen Teil der Aufwertung, der sich nicht mit der Inflationsdifferenz begründen lässt, wird oft das Argument der Schweiz als sicherer Hafen («save haven») bemüht. Demnach geht der Aufwertungsdruck von ausländischen Investoren aus, die in turbulenten Zeiten ihr Geld vermehrt in der hiesigen Währung anlegen. Die Erklärung mag schlagend einfach klingen, doch sie entpuppt sich bei einem genauen Blick in die Daten als falsch.
Rückläufige Kapitalzuflüsse
Die Bruttozuflüsse von privatem Kapitalhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/kapital/ in die Schweiz, also die vielfach vermutete Ursache der Frankenaufwertung, sind durch die Finanzkrise eingedämmt worden. Vor der Krise, von 2000 bis 2006, entsprachen die Kapitalimporte des Privatsektors rund 19% des Bruttoinlandproduktes, seit 2010 sind es noch knapp 10%. Die Aufwertung des Frankens ab dem Jahre 2010 ging also nicht etwa mit steigenden, sondern mit sinkenden Investitionen aus dem ausländischen Privatsektor einher. Folgende Grafik zeigt die privaten Kapitalimporte in Prozent des Bruttoinlandprodukts von 2000 bis 2015. Aus der Darstellung geht des Weiteren hervor, dass die Schwankungen abgenommen haben, Einbrüche oder starke Ausschläge nach oben sind seltener geworden. Aufgrund dieser Entwicklung würde man eher eine Abwertung der Schweizer Währung erwarten. Doch der Wert des Frankens wird auch von anderen Faktoren getrieben.
Die hiesige Wirtschaft erzielt traditionell Leistungsbilanzüberschüsse. Im Jahr 2015 betrug der Überschuss rund 80 Milliarden, im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukthttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/bruttoinlandprodukt/ schwankte er in den vergangenen Jahren um rund 11%. Das heisst, wir verdienen durch den Exporthttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/export/ von Gütern und Dienstleistungen, durch die Renditen auf unser weltweit investiertes Vermögen sowie durch grenzüberschreitendes Arbeitseinkommenhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/arbeitseinkommen/ deutlich mehr als das Ausland an uns verdient. Dies schafft eine permanente Nachfragehttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/nachfrage/ nach Schweizer Franken und gibt diesem potentiell Auftrieb.
Inländische Investoren fürchten Fremdwährungen
Das durch die wirtschaftlichen Aussenbeziehungen verdiente Geld wurde lange von inländischen Haushalten und Firmen wieder im Ausland investiert. Vor der Finanzkrise, von 2000 bis 2006, haben die privaten Kapitalabflüsse nicht nur die Kapitalzuflüsse, sondern auch die Leistungsbilanzüberschüsse kompensiert. Mit anderen Worten, der Nettokapitalexport (Kapitalexport minus Kapitalimport bzw. Kapitalabfluss minus Kapitalzufluss) privater Investoren kompensierte in etwa den Leistungsbilanzüberschuss. Die Nationalbankhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/nationalbank/ hat in diesem Zeitraum kaum Fremdwährungspositionen auf- oder abgebaut.
Die Finanzkrise hat die Kapitalexporte jedoch zum Versiegen gebracht. Die inländischen Investoren sind heute zurückhaltender, ihr Geld in Fremdwährungen zu investieren. Die Investitionen der Inländerhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/inlaender/ im Ausland entsprachen von 2000 bis 2006 einem Drittel des Bruttoinlandprodukts, im Durchschnitt der letzten fünf Jahre war dieser Wert noch gut 8%.
Die nächste Grafik zeigt den Verlauf der Nettokapitalexporte im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukthttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/bruttoinlandprodukt/. Der stärkere Rückgang der Kapitalexporte im Vergleich zu den Kapitalimporten schlägt sich definitionsgemäss auch im Saldo der Kapitalbilanz nieder. Dieser ist im Vergleich zum Vorkrisenniveau heute tiefer und unterliegt deutlich grösseren Schwankungen (letzteres aufgrund des schwächer gewordenen Zusammenhangs zwischen den Kapitalimporten und –exporten).
Die entstandene Lücke an Kapitalexporten wurde von der Nationalbankhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/nationalbank/ durch den Aufbau von Fremdwährungsreserven geschlossen. Seit 2010 entsprechen die Kapitalexporte durch Währungsreserven rund 13% des Bruttoinlandprodukts. Die Nationalbankhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/nationalbank/ ersetzt die mangelnde Bereitschaft des Privatsektors die anhaltend hohe Nachfragehttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/nachfrage/ nach Schweizer Franken zu befriedigen, indem sie Anlagen in Fremdwährungen (gegen Schweizer Franken) kauft.
Der starke Franken ist also mindestens teilweise hausgemacht. Er rührt nicht von der gestiegenen Nachfragehttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/nachfrage/ nach der hiesigen Währung durch ausländische Investoren, die in Schweizer Anlagen einen sicheren Hafen suchen. Viel mehr kommt der Auftrieb von der Zurückhaltung der Inländerhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/inlaender/, ihr Kapitalhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/kapital/ in Fremdwährungen zu investieren. Es ist nicht die Flucht in den sicheren Hafen Schweiz, sondern das Bedürfnis, das Geld in turbulenten Zeiten vermehrt zuhause anzulegen. Der Aufwertungsdruck wird bestehen bleiben, solange bei unverändert hohem Leistungsbilanzüberschuss die Nachfragehttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/nachfrage/ nach Franken nicht durch entsprechende Nettokapitalexporte gestillt wird.
Zum Thema:
David Staubli, Ökonom, MSc der Universität Basel, Doktorand und Lehrassistent an der Universität Lausanne.
Dies ist ein Gastbeitrag. Inhaltlich verantwortlich ist der jeweilige Autor, die jeweilige Autorin.