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Habt Mut, Euch Eures eigenen Verstandes zu bedienen!

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Photo: Dawid Zawila from Unsplash (CC 0) Am Anfang steht immer eine Idee. Und sei es die der bevorstehenden Apokalypse. Die Aktivisten der „Letzten Generation“ und anderer radikaler Gruppen sind nicht die Ersten, die der Erde einen baldigen Kollaps vorhersagen. Vor allem in den 1970er- bis 1980er-Jahren hatte die Untergangsprophetie Hochkonjunktur. Es war die Blüte eines Literaturgenres, das die Verletzlichkeit der Natur und ein scheinbar unaufhaltbares Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellte. So popularisierte der amerikanische Autor Buckminster Fuller 1969 in seiner „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“ die Metapher einer sich verschleißenden Erde als Raumschiff, dessen menschliche Crew Gefahr läuft, die begrenzten Ressourcen an Bord zu

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Am Anfang steht immer eine Idee. Und sei es die der bevorstehenden Apokalypse. Die Aktivisten der „Letzten Generation“ und anderer radikaler Gruppen sind nicht die Ersten, die der Erde einen baldigen Kollaps vorhersagen. Vor allem in den 1970er- bis 1980er-Jahren hatte die Untergangsprophetie Hochkonjunktur.

Es war die Blüte eines Literaturgenres, das die Verletzlichkeit der Natur und ein scheinbar unaufhaltbares Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellte. So popularisierte der amerikanische Autor Buckminster Fuller 1969 in seiner „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“ die Metapher einer sich verschleißenden Erde als Raumschiff, dessen menschliche Crew Gefahr läuft, die begrenzten Ressourcen an Bord zu verbrauchen.

Sein Kollege, der deutsch-britische Ökonom Ernst Friedrich Schumacher, veröffentlichte 1973 den Klassiker „Small Is Beautiful – Die Rückkehr zum menschlichen Maß“, in dem er eine Erde skizziert, die unter zu viel Technik und einer entfesselten Wirtschaft ächzt. Schon ein paar Jahre zuvor hatte der Biologe Paul Ehrlich „Die Bevölkerungsbombe“ platzen lassen und massive Hungersnöte sowie den Untergang ganzer Länder durch den zunehmenden Ressourcenverbrauch der wachsenden Spezies Mensch vorausgesagt.

Am bekanntesten ist jedoch ein mittlerweile 50 Jahre alter Bericht des Club of Rome, einer gemeinnützigen Organisation, in der sich fast 2.000 Experten aus mehr als 30 Ländern zusammengeschlossen haben: „Die Grenzen des Wachstums“, so der Titel dieser Arbeit, befeuert die Untergangsfantasien der Umweltbewegung bis heute.

Der 1972 veröffentlichte Report sollte zeigen, welche Auswirkungen das kontinuierliche Wachstum von Volkswirtschaften und Bevölkerungszahlen auf einen Planeten mit begrenzten Kapazitäten haben würde. Die Ergebnisse der beim renommierten Massachusetts Ins­titute of Technology (MIT) in Auftrag gegebenen Studie waren schockierend: Zu Ende gehende Ressourcen würden die Welt in den Kollaps treiben, behauptete der Club of Rome. Anfang des 21. Jahrhunderts würden alle Schlüsselressourcen erschöpft sein; der Untergang der Welt, wie wir sie kennen, sei mit Ende des Jahrhunderts zu erwarten.

Die Ankündigung der Apokalypse traf auf offene Ohren: „Die Grenzen des Wachstums“ verkaufte sich neun Millionen Mal und wurde in 29 Sprachen übersetzt. Mit dem Abstand von fünf Jahrzehnten lässt sich allerdings feststellen: Anstelle der Grenzen des Wachstums zeigte der Report eher die Grenzen des Sachverstands seiner Autoren. Der Bericht lag nämlich in fast allen Punkten daneben, weil er die kreative Anpassungsfähigkeit des Menschen unterschätzte. Bei drei eklatanten Fehlprognosen wird das besonders deutlich.

Irrtum 1: Bevölkerungswachstum

1972 zählte die Welt 3,8 Milliarden Menschen. Dem Club of Rome zufolge sollte sie im 21. Jahrhundert vor dem Abgrund stehen, weil bis zum Jahr 2030 schon 15 Milliarden Menschen ernährt werden müssten. Doch vor kurzem betrat gerade einmal der achtmilliardste Mensch die Weltbühne, und bis 2100 könnte die Weltbevölkerung – aktuellen Studien zufolge – womöglich nur auf 8,8 Milliarden steigen. Die Club-Forscher lagen also fundamental daneben.

Ihr Fehler: extreme Vorhersagen auf der Basis damaliger Trends. Die Forscher nahmen das Bevölkerungswachstum von 1972 – etwa zwei Prozent –, malten eine exponentielle Wachstumskurve in die Zukunft und schlossen: Bevölkerungsexplosion!

Diese Prognose ignoriert jedoch die kreative Anpassungsfähigkeit des Homo sapiens. Die Menschen wurden reicher und gebildeter, sie waren weniger auf Kinder angewiesen und nutzten die Methoden zur Verhütung. Staaten wie China wiederum legten Programme zur Reduzierung des Bevölkerungswachstums auf („Ein-Kind-Politik“). Die Wachstumsrate der Weltbevölkerung sank ab 1972 dramatisch. In Zukunft wird es demnach nicht mehr, sondern eher weniger Menschen auf der Welt geben, was ganz neue Probleme schafft.

Irrtum 2: Zu wenig Nahrung

Für den Club of Rome war die Menge fruchtbaren Ackerlandes die ultimative Grenze der möglichen Lebensmittelproduktion. 1972 gab es weltweit 1,5 Milliarden Hektar Ackerland, also würde es mehr als drei Milliarden Hektar brauchen, um die für das Jahr 2000 prognostizierten sieben Milliarden Menschen zu ernähren.

Dabei ließen die Autoren die Möglichkeit außer Acht, die Agrarproduktivität zu steigern. Heute werden auf nahezu gleich gebliebener Fläche viel mehr Menschen ernährt: Verbrauchte die Welt 1972 noch 0,3 Hektar Ackerland pro Person, fiel diese Zahl bis 2022 um fast die Hälfte auf 0,18 Hektar. Neue Getreidesorten und Produktionstechniken haben dafür gesorgt, dass die Anzahl der vom Hungertod bedrohten Menschen trotz des Bevölkerungswachstums auf einen historischen Tiefstand gefallen ist.

Irrtum 3: Endliche Ressourcen

Die berüchtigtste Vorhersage des Reports besagte, dass die meisten Ressourcen in hundert Jahren nahezu verbraucht und daher extrem teuer sein würden. Bereits jetzt sollte es eigentlich weder Silber, Zink noch Kupfer geben, das letzte Gas wäre längst gefördert, Aluminium und Zinn stünden kurz vor der Erschöpfung.
Besonders falsch nach heutigen Maßstäben waren die Prognosen für den Bodenschatz Erdöl: 1972 berechneten die Forscher Reserven im Ausmaß von insgesamt 455 Milliarden Barrel, die sich innerhalb kürzester Zeit aufbrauchen würden. Doch seit damals wurde nicht nur rund eine Billion Barrel Erdöl gefördert. Es wurden auch neue Vorkommen gefunden, sodass wir derzeit von 1,4 Billionen weiteren Barrel ausgehen. Mehr noch: Die Ressourcen, die heute unbezahlbar sein sollten, sind erschwinglicher als je zuvor.
Man kann über die Fehlprognosen des Club of Rome und dessen mangelnde Bereitschaft, Fehler zuzugeben, wahlweise lachen oder den Kopf schütteln. Gefährlich wird es, wenn die Wachstumsskepsis der 1970er-Jahre den Blick auf die Problemlösungs-Kompetenz des 21. Jahrhunderts verstellt.

Wachstum statt Verzicht

Der Klimawandel ist eine der großen Herausforderungen der Menschheit. Und viele Klimaschützer verhalten sich wie intellektuelle Wiedergänger des Club of Rome: Erneut wird die Lösung nicht in der menschlichen Kreativität gesucht, sondern im Verzicht auf Wachstum. Seit Jahrzehnten heißt es, dass eine Entkoppelung des ökonomischen Wachstums vom CO²-Ausstoß nicht möglich sei. Damit lässt sich auch der antikapitalistische Slogan „System Change statt Climate Change“ als ökologische Formel verkaufen.

Den zugrunde liegenden Fehler würde jeder Statistiker schon im Bachelorstudium rot anstreichen: die Annahme, dass Wachstum auch in Zukunft mit dem CO²-Ausstoß in gleichem Maße korrelieren werde wie in der Vergangenheit. Diese vermeintliche Konstante ist genauso wenig fundiert wie jene der Agrarproduktivität in den 70er-Jahren. Denn die Daten sprechen eine andere Sprache: Seit Jahren entkoppeln immer mehr Länder ihr Wachstum vom CO²-Ausstoß. Natürlich wird es noch dauern, bis Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien das ebenfalls schaffen. Die bisherige Entwicklung in den industrialisierten Ländern lässt jedoch annehmen, dass dies nur eine Frage der Zeit sein wird.

Eine schöne Idee

Die Zeitspanne lässt sich verkürzen, wenn es gelingt, wachstumsfeindlichen Ideen das Modell der menschlichen Kreativität als Formel für den Kampf gegen den Klimawandel entgegenzusetzen. Dazu reichen schöne Grafiken und Zahlen jedoch nicht aus. Den historisch widerlegten, aber aufregenden Untergangsgeschichten müssen wir die nicht minder aufregenden, aber historisch korrekten Geschichten kreativer Menschen entgegensetzen, die unsere Welt mit neuen Ideen materiell und ökologisch besser gemacht haben.

Es sind Geschichten wie die des Vaters der sogenannten „Grünen Revolution“, des amerikanischen Agrarwissenschaftlers Norman Borlaug. Zwei Jahre vor der Veröffentlichung von „Grenzen des Wachstums“ erhielt der in Armut aufgewachsene Sohn norwegischer Einwanderer den Friedensnobelpreis für seine Verdienste um die Züchtung neuer, robusterer Getreidesorten und die Entwicklung effizienterer Produktionstechniken. Seine Arbeit bewahrte Abermillionen Menschen vor dem ­Hungertod.

Kluge Köpfe wie Norman Borlaug werden von Wachstumsskeptikern gerne vergessen, weil deren Kreativität die apokalyptischen Szenarien ad absurdum führt. Wenn es uns gelingt, die Fakten der historischen Entwicklung mit den Geschichten von Menschen wie Borlaug zu kombinieren, korrigieren wir nicht nur den größten Fehler der Untergangspropheten, sondern überzeugen zugleich mit der Idee menschlicher Kreativität als Antriebsfeder erfolgreicher Umwelt- und Klimapolitik. Denn an jedem Anfang steht immer eine Idee.

Seit Generationen machen radikale Umweltschützer denselben Fehler: Sie unterschätzen die menschliche Kreati­vität und Anpassungsfähigkeit. Der einflussreichste Report, auf den sich die Apokalyptiker berufen, stammt vom Club of Rome: „Die Grenzen des Wachstums“, erschienen 1972, prägt bis heute weite Teile der Umwelt- und Klimaschutz­bewegung. Dabei lag der Bericht in allen wesentlichen Punkten daneben. Die Bevölkerung wuchs nicht exponentiell, die Zahl der Hungertoten sank kontinuierlich, und Rohstoffe, die längst unbezahlbar sein sollten, sind erschwinglicher als je zuvor. Die Geschichte zeigt, dass wir Herausforderungen nicht durch Verzicht bewältigen, sondern durch neue Ideen. Das gilt auch für den Klimawandel: Immer mehr Ländern gelingt es, ihr Wachstum vom CO2-Ausstoß zu entkoppeln.

Erstmals erschienen in Der Pragmaticus.

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