Die schottische Nationalpartei SNP hat letzte Woche einen Erdrutschsieg errungen und fordert die Unabhängigkeit von Grossbritannien. Wird es zu einem Referendum kommen? John McLaren: Der britische Premier Boris Johnson will es nicht zulassen. Und obwohl die SNP sagt, sie wolle eine Referendum, stimmt das nicht. Der Zeitpunkt ist nicht reif. Laut Umfragen ist die Wählerschaft gespalten, das Verhältnis zwischen Gegnern und Befürwortern der Unabhängigkeit steht 50:50. Weder London noch die SNP wollen derzeit ein Referendum. Bis es zu einem Referendum kommt, dürfte es noch einige Jahre dauern. Wie stehen die Chancen, dass Schottland in einigen Jahren unabhängig wird? Ich glaube nicht daran – aber das ist nur meine Vermutung. Die Schwierigkeiten des Brexit sind nichts im Vergleich mit den
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Die schottische Nationalpartei SNP hat letzte Woche einen Erdrutschsieg errungen und fordert die Unabhängigkeit von Grossbritannien. Wird es zu einem Referendum kommen?
John McLaren: Der britische Premier Boris Johnson will es nicht zulassen. Und obwohl die SNP sagt, sie wolle eine Referendum, stimmt das nicht. Der Zeitpunkt ist nicht reif. Laut Umfragen ist die Wählerschaft gespalten, das Verhältnis zwischen Gegnern und Befürwortern der Unabhängigkeit steht 50:50. Weder London noch die SNP wollen derzeit ein Referendum. Bis es zu einem Referendum kommt, dürfte es noch einige Jahre dauern.
Wie stehen die Chancen, dass Schottland in einigen Jahren unabhängig wird?
Ich glaube nicht daran – aber das ist nur meine Vermutung. Die Schwierigkeiten des Brexit sind nichts im Vergleich mit den Problemen, welche Schottlands Austritt aus dem Königreich nach sich ziehen würden. Schottland müsste auf viel Geld verzichten – anders als Grossbritannien, das durch den EU-Austritt als Nettozahler Geld sparen wird. Schottland ist ein Nettoempfänger, seit die Einnahmen aus dem Nordseeöl versiegt sind. Eine Unabhängigkeit würde deshalb zu einem Sparkurs führen. Die schottische Regierung müsste das Loch im Budget stopfen, das durch den Austritt verursacht würde.
Wie stehen die Chancen, dass Schottland in einigen Jahren unabhängig wird?
Ich glaube nicht daran – aber das ist nur meine Vermutung. Die Schwierigkeiten des Brexit sind nichts im Vergleich mit den Problemen, welche Schottlands Austritt aus dem Königreich nach sich ziehen würden. Schottland müsste auf viel Geld verzichten – anders als Grossbritannien, das durch den EU-Austritt als Nettozahler Geld sparen wird. Schottland ist ein Nettoempfänger, seit die Einnahmen aus dem Nordseeöl versiegt sind. Eine Unabhängigkeit würde deshalb zu einem Sparkurs führen. Die schottische Regierung müsste das Loch im Budget stopfen, das durch den Austritt verursacht würde.
Fassen wir zusammen: Ein unabhängiges Schottland erscheint zumindest kurzfristig unwahrscheinlich, würde langfristig aber wirtschaftliche Chancen bieten.
Wirtschaftliche Argumente wären nicht der Knackpunkt bei einer Trennung vom Königreich. Die Befürworter können immer behaupten, dass die Wirtschaft von einer Unabhängigkeit profitieren würde. Schottlands Problem wären die Steuereinnahmen. Schottland würde 10 Milliarden Pfund an jährlichen Transferzahlungen Grossbritanniens verlieren. Das entspricht zehn Prozent des schottischen Budgets. Wie kann die schottische Regierung den Haushalt wieder in die Balance bringen? Es sind eine Reihe schwieriger Fragen offen, für die die SNP bis jetzt keine Antworten geliefert hat.
Der Schritt in die Unabhängigkeit wäre schwierig.
Er würde schwierige Fragen aufwerfen. Es gibt aber Alternativen zu einer vollen Unabhängigkeit. Schottland könnte dieselbe Aussen- und Verteidigungspolitik wie Grossbritannien betreiben, und Grossbritannien könnte im Gegenzug Schottland weiter finanziell unterstützten. Es wäre keine volle Unabhängigkeit, sondern eine viel stärkere Eigenständigkeit Schottlands. Ein solches Modell ist durch den Brexit weniger wahrscheinlich geworden, es könnte aber weiter bewerkstelligt werden. Es wäre realistischer. Aber keine der beiden Seiten wird sich eine solche Lösung auf die Fahne schreiben – denn sie würde einen Kompromiss bedeuten, und daran hat im Moment weder London noch die SNP ein Interesse.
John McLaren ist Professor an der Business School der Universität von Glasgow. Der Ökonom ist Mitglied der Denkfabrik Fiscal Affairs Scotland und tritt regelmässig in britischen Medien als Wirtschaftsexperte auf.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf HZ.ch unter dem Titel «Wieso Schottland noch lange nicht unabhängig wird»