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Geheimnis um die verschollene Immobilienpreisinflation

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin. Entgegen jeglicher Intuition und Medienberichte sind die Hauspreise in Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht explodiert. Im Gegenteil, Deutschland verzeichnet einen sehr moderaten und im Verleich zu anderen EU-Staaten unterdurchschnittlichen Anstieg. Das hat spezifische Gründe. In den letzten Jahren sind die Immobilienpreise hierzulande für deutsche Verhältnisse vor allem in Ballungsgebieten recht deutlich gestiegen. Darauf wies die Bundesbank erst in ihrem jüngsten Monatsbericht hin. Von einer „Immobilienpreisblase“ ist

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Geheimnis um die verschollene Immobilienpreisinflation

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin.

Entgegen jeglicher Intuition und Medienberichte sind die Hauspreise in Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht explodiert. Im Gegenteil, Deutschland verzeichnet einen sehr moderaten und im Verleich zu anderen EU-Staaten unterdurchschnittlichen Anstieg. Das hat spezifische Gründe.

In den letzten Jahren sind die Immobilienpreise hierzulande für deutsche Verhältnisse vor allem in Ballungsgebieten recht deutlich gestiegen. Darauf wies die Bundesbank erst in ihrem jüngsten Monatsbericht hin. Von einer „Immobilienpreisblase“ ist vielerorts die Rede. Die jüngste Entwicklung täuscht allerdings darüber hinweg, dass verglichen mit anderen europäischen Ländern Deutschland seit vielen Jahrzehnten durch eine außergewöhnlich stabile Hauspreisentwicklung hervorsticht. Die Hauspreise im letzten Jahr lagen nur vergleichsweise geringfügig über denen von 1970 und auch massive Preisschwankungen waren auf dem deutschen Häusermarkt seitdem nicht zu beobachten. Dagegen schwankten beispielsweise in den Niederlanden oder Frankreich die Hauspreise nicht nur stärker, sie sind heute zudem real mehr als doppelt so hoch als noch 1970. Die Sonderstellung des deutschen Wohnungsmarkts gibt Rätsel auf. Was unterscheidet ihn von anderen? Verschiedene Erklärungsansätze leisten gemeinsam einen Beitrag zur Lösung des Rätsels.

Hauspreise: Ungewöhnlich stabile Entwicklung in Deutschland

Für die Jahre von 1970 bis 2016 hält die OECD für Deutschland und andere Länder preisbereinigte Hauspreisdaten von Wohnimmobilien bereit. Der Hauspreis im ersten Quartal 1970 ist auf 100 standardisiert.

Die stabile und recht flache Hauspreisentwicklung in Deutschland sticht ins Auge. Unter allen abgebildeten Ländern stiegen die Hauspreise über die letzten 46 Jahre in Deutschland am schwächsten. Vom ersten Quartal 1970 bis zum dritten Quartal 2016 sind die Hauspreise hierzulande um etwa 19 % gestiegen.

Die auffällig konstanten Hauspreise in Deutschland sind zudem keine Besonderheit der letzten fünf Jahrzehnte. In einem kürzlich im American Economic Review veröffentlichten Papier wird die Hauspreisentwicklung international für 14 Länder untersucht. Es zeigt sich, dass Deutschland schon seit dem Ende des ersten Weltkriegs eine relativ unspektakuläre Hauspreisentwicklung zu verzeichnen hat.

Hauspreise schwächer gestiegen als Mieten und Einkommen

Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich bezüglich des Verhältnisses von Hauspreisen zu Mieten. Deutschland ist das einzige Land, in dem das Verhältnis im Vergleich zu 1970 sank. Im dritten Quartal 2016 war es 11 % niedriger als 1970.

Geheimnis um die verschollene Immobilienpreisinflation

Auch verglichen mit dem durchschnittlich verfügbaren Einkommen zeigt sich eine außergewöhnliche Hauspreisentwicklung in Deutschland.

Geheimnis um die verschollene Immobilienpreisinflation

Das Verhältnis von Hauspreisen zu Einkommen in Deutschland lag 2016 gar 32 % unter dem Niveau von Anfang 1980. Auch in Irland fiel das Verhältnis knapp unter das Niveau von 1980. Im Gegensatz zu Deutschland lag es jedoch zwischenzeitlich 63 % über dem Ausgangsniveau.

Diese Beobachtungen geben Rätsel auf. Sie lassen darauf schließen, dass sich der Wohnungsmarkt in Deutschland maßgeblich von denen anderer entwickelter Volkswirtschaften unterscheidet. Es folgt ein Erklärungsversuch.

Zurückhaltende Kreditvergabe

Die Anforderungen an Kreditnehmer in Bezug auf das von ihnen eingebrachte Eigenkapital und ihre Einkommen sind im internationalen Vergleich relativ hoch. So sind Eigenkapitalquoten zwischen 20 und 30 % üblich, obwohl auch schon vor der Finanzkrise ein deutlich höherer Fremdfinanzierungsanteil möglich war. Hauskäufe trotz geringem oder gar keinem Eigenkapital sind jedoch beispielsweise in den USA deutlich üblicher. So war vor der Finanzkrise gar die Federal Housing Adminstration der USA bereit, Hypothekengeber gegen Ausfallrisiken zu versichern, auch wenn die Hypothekennehmer nur 3 % Eigenkapital einbrachten.

Hohe Anforderungen an Kreditnehmer tragen zu einer geringen Volatilität der Hauspreise bei. Bekommen auch in einem konjunkturellen Aufschwung nur relativ wenige Personen einen Hauskredit, steigen die Preise während des Aufschwungs weniger stark. Zudem fallen sie weniger deutlich, wenn einige Hauskäufer aufgrund einer Rezession ihre Kredite nicht mehr bedienen können und ihre Häuser verkaufen.

Relativ schwache staatliche Förderung

Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wird in Deutschland privates Wohneigentum staatlich nur schwach gefördert. Förderungen in Form direkter Subventionen, Steuererleichterungen für Zinszahlungen auf Baudarlehen und günstiger Kredite beispielsweise von der KfW fallen relativ gering aus. Dass die 1997 eingeführte Eigenheimzulage, die zu zusätzlicher Bauaktivität führte, Ende 2005 eingestellt wurde, passt zu der Zurückhaltung des Staates auf diesem Feld.

Durch die relative schwach ausgeprägte staatliche Förderung von Wohneigentum wirken die üblichen hohen Anforderungen an Kreditnehmer als bindende Restriktion. Der Staat hilft nur wenigen Personen mit schwacher Eigenkapitalausstattung und niedrigem Einkommen über die Schwelle zum Wohneigentum. Möglicherweise werden dadurch in Zeiten steigender Hauspreise Personen mit relativ schlechten Voraussetzungen für Wohneigentum vom Kauf abgehalten und tragen so nicht zusätzlich zu steigenden Preisen bei. Es ist bezeichnend, dass es im Englischen für den Kauf und Verkauf von Häusern mit „house flipping“ ein Wort gibt, während es in Deutschland üblich ist, im Leben höchstens ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen.

Mortgage-Backed-Securities unüblich

In Deutschland sind die während der Finanzkrise berühmt gewordenen mortgage-backed-securities nicht weit verbreitet. Das heißt, deutsche kreditgebende Institute nutzen die ausgegebenen Hypotheken relativ selten, um auf Grundlage der mit den Hypotheken einhergehenden Forderungen neue Wertpapiere entstehen zu lassen und diese zu verkaufen. Hierzulande verbleibt die Hypothek häufig in der Bilanz der kreditgebenden Bank. Das gibt der Bank einen starken Anreiz, Kredite mit Bedacht zu vergeben und Kreditanträge weniger gut geeigneter Personen häufiger abzulehnen.

In anderen Ländern dagegen werden die Forderungen gegenüber dem Darlehensnehmer häufiger via mortgage-backed-securities verkauft. So war das Volumen bestehender mortgage-backed-securities mit etwa 20 Milliarden Euro in Deutschland 2014 recht gering: In Frankreich war das Volumen mehr als doppelt so hoch und im Vereinten Königreich und gar in den viel kleineren Niederlanden mehr als zehnmal so hoch.

Elastisches Angebot

Ein positiver Nachfrageschock kann die Preise für Häuser in die Höhe schnellen lassen. Die Volatilität der Hauspreise ist dann umso höher, je langsamer die Angebotsseite reagiert und zusätzliche Häuser und Wohnungen auf den Markt kommen. In Großbritannien beispielsweise verlangsamen strikte Bebauungsvorschriften und ein schleppender Baugenehmigungsprozess die Reaktion der Angebotsseite. In Deutschland hingegen kann recht zügig neuer Wohnraum zur Verfügung gestellt und so dazu beitragen werden, dass Hauspreise in Reaktion auf einen positiven Nachfrageschock nicht allzu stark steigen.

Stabile Geldpolitik

Zu lockere Geldpolitik führte in der Vergangenheit wiederholt zu kreditfinanzierten Booms, die in Wirtschaftskrisen endeten. Im Vergleich zu den Notenbanken anderer europäischer Länder stand die Bundesbank im Ruf, eine konservative Geldpolitik zu fahren. Und tatsächlich, Inflationsschwankungen waren in Deutschland relativ schwach ausgeprägt. Da Hauspreise in Boomzeiten steigen und in Krisenzeiten fallen, trug die Bundesbank wahrscheinlich mit einer antizyklischen Geldpolitik zu der niedrigen Volatilität auch der Hauspreise in Deutschland bei.

Gefahren: EZB-Politik und Regulierungen

Die genannten Faktoren leisteten vermutlich nicht nur zur außergewöhnlichen Preisentwicklung einen Beitrag, sondern auch zu einer niedrigen Quote eigentümerbewohnter Wohnungen in Deutschland. 2011 waren es 45 %. Zum Vergleich: In den Niederlanden lag die Quote bei 56 % und in Frankreich bei 58 %. In Großbritannien waren wie im EU-Durchschnitt 64 % aller Wohnungen vom Eigentümer bewohnt. Für Italien betrug das Verhältnis 72 %, während es in Spanien gar bei 79 % lag.

In dem gleichen Maße, wie Wohneigentum in Deutschland selten ist, sind Mietverhältnisse häufig anzutreffen. Trotz starker mietrechtlicher Restriktionen, wie jüngst der Mietpreisbremse, die die Situation der Mieter stärken, ist die Teilnahme am Mietmarkt anscheinend für viele Vermieter weiterhin attraktiv. Der Mietmarkt in Deutschland zeichnet sich durch sein breites und vielfältiges Angebot aus. Da Wohnen zur Miete eine attraktive Alternative zum Wohneigentum ist, kann sich das Gleichgewicht mit einer niedrigen Quote eigentümerbewohnter Wohnungen selbst verstärken.

Die in der Vergangenheit begrüßenswert wenig volatilen Hauspreise in Deutschland garantieren jedoch keine Stabilität in der Zukunft. Die Stabilität der Vergangenheit wird durch die aktuellen Maßnahmen der EZB und staatlich getriebenen Kostensteigerungen im Hausbau gefährdet. Wenn es weiterhin für wünschenswert erachtet wird, dass Hauspreise relativ niedrig bleiben und wenig schwanken, sollte der Staat nicht als Kostentreiber auftreten, sondern Barrieren abbauen, die das Angebot zusätzlichen Wohnraums einschränken.

Artikel erstmals erschienen bei IREF

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