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Ein Gespenst geht um: Die geschlossene Gesellschaft

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Vor 200 Jahren wurde Karl Marx geboren. Der Marxismus ist am Ende, doch die Idee, die noch immer in geschlossenen, intoleranten und elitären Gesellschaften mündete, lebt fort. Der Kapitalismus könnte eine Gegenbewegung sein. Marx und der Himmel auf Erden Während Karl Marx in seiner Rolle als Mitbegründer der modernen Soziologie allzu häufig und sträflicher Weise unter den Tisch gekehrt wird, scheint die auf seinen Arbeiten aufbauende politische Ideologie doch mit Recht vollkommen aus der Zeit gefallen. Jede auch nur scheinbar nach marxistischen Prinzipien organisierte Gemeinschaft hat sich entweder insgeheim von Ursprungsidealen abgewandt (China) oder wird durch verheerende Armut zu Kompromissen gezwungen (Kuba).  Die Forderungen des

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Ein Gespenst geht um: Die geschlossene Gesellschaft

Vor 200 Jahren wurde Karl Marx geboren. Der Marxismus ist am Ende, doch die Idee, die noch immer in geschlossenen, intoleranten und elitären Gesellschaften mündete, lebt fort. Der Kapitalismus könnte eine Gegenbewegung sein.

Marx und der Himmel auf Erden

Während Karl Marx in seiner Rolle als Mitbegründer der modernen Soziologie allzu häufig und sträflicher Weise unter den Tisch gekehrt wird, scheint die auf seinen Arbeiten aufbauende politische Ideologie doch mit Recht vollkommen aus der Zeit gefallen. Jede auch nur scheinbar nach marxistischen Prinzipien organisierte Gemeinschaft hat sich entweder insgeheim von Ursprungsidealen abgewandt (China) oder wird durch verheerende Armut zu Kompromissen gezwungen (Kuba).  Die Forderungen des kommunistischen Manifests reißen heute kaum noch jemanden vom Hocker. Es wirkt so als stünden wir tatsächlich an Fukuyamas „Ende der Geschichte“.

Doch das wahre Problem ist ein anderes: Es ist die Idee einer allumfassenden Lösung für die drängenden Probleme unserer Zeit. Bei Marx war dies Problem die (scheinbare) Armut der Arbeiterklasse, heute sind es Klimawandel und Globalisierung. Gerade in der jüngsten Generation sind diese Probleme sehr präsent. Eigentlich ein gutes Zeichen. Doch vielen reicht der individuelle Handlungsraum nicht mehr. Forderungen nach gesamtgesellschaftlichen Lösungen finden viel Zuspruch. Aber um es mit den Worten des österreichischen Philosophen Karl Popper zu sagen, „der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle. Dieser Versuch führt zu Intoleranz, zu religiösen Kriegen und zur Rettung der Seelen durch die Inquisition.“

Die geschlossene Gesellschaft: Elitär und intolerant

Popper erläutert in seinem Buch „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, wie universelle Heilsversprechen in sogenannte „geschlossene“ Gesellschaften führen. Die geschlossene Gesellschaft ist ideologisch festgelegt, etwa auf eine bestimmte Form der Güterverteilung, während sich die offene Gesellschaft im steten Diskurs weiterentwickelt. Es sind Mammutprojekte wie der Marxismus, die die negativen Folgen einer geschlossenen Gesellschaft besonders anschaulich machen.

Die geschlossene Gesellschaft ist zuallererst ein Elitenprojekt. Einige wenige sind derart überzeugt von ihren Visionen, dass sie sie einer ganzen Gesellschaft aufzwingen. Selbst wenn einige Lösungen vorrübergehend die Leben der Menschen positiv beeinflussen, so führt eine solche „top-down“ Organisation doch zwangsläufig zu Stillstand. Denn anstatt die Individuen, mit ihren Erfahrungen und Fehlern und dem daraus resultierenden Wissen in die Organisation der Gemeinschaft einzubeziehen, entscheiden hier nur die Eliten.

Gleichzeitig ist die geschlossene Gesellschaft zutiefst intolerant. Der Wert des Individuums ist für sie untergeordnet. Sie erkennt das Individuum letztlich nur an als Mittel zum Zweck, zum Aufbau und Erhalt des Systems. Der Wert individueller Lebensentwürfe, insbesondere, wenn sie von der Gemeinschaftsvorgabe abweichen, spielt keine Rolle. Verwirklichen kann sich in der geschlossenen Gesellschaft nur, wer der Norm entspricht. Das gilt paradoxerweise auch und gerade für geschlossene Gesellschaften, die sich die Verbesserung der individuellen Lebenssituation auf die Fahnen schreiben.

Der Kapitalismus ist ein Projekt der offenen Gesellschaft

Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen viele Äußerungen in einem anderen Licht. Etwa die Forderung der ehemaligen Juso-Vorsitzenden  Johanna Uekermann, die mittlerweile im Präsidium der Bundes-SPD sitzt:

Ich möchte ein Wirtschaftssystem, das für die Menschen arbeitet und nicht für Konzerne und Profite und die Interessen von einigen wenigen. Menschen mit ihren Bedürfnissen und Wünschen in den Mittelpunkt stellen, das geht im Kapitalismus nicht.

Johanne Uekermann schreibt sich die „Bedürfnisse“ der Menschen auf die Fahnen und verkennt dabei, dass sie eigentlich eine brennende Kapitalistin sein müssten. Denn: Unter den richtigen Rahmenbedingungen, das heißt, wenn Rechtsstaatlichkeit und die Möglichkeit zum friedlichen Machtwechsel garantiert sind, ist der Kapitalismus ein Projekt der offenen Gesellschaft. Gerade in einer Marktwirtschaft werden die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt gestellt. Unabhängig von vermeintlichen Systemzielen, wie sie in geschlossenen Gesellschaften propagiert werden. Man darf nur nicht den Fehler begehen und hinter jedem nicht befriedigten Bedürfnis eine unmenschliche Gemeinschaftsordnung vermuten.

Im Kapitalismus werden Toleranz gegenüber anderen Lebensentwürfen und bottom-up-Entwicklung wie in keiner anderen gemeinschaftlichen Organisationsform gelebt. Nahezu jedes Lebensziel ist in einer markwirtschaftlichen Ordnung verwirklichbar. Es ist mit anderen Lebensentwürfen vereinbar. Egal ob Investment-Banker, Öko-Aktivist oder Perpetual Traveller, alle können im Kapitalismus in einer Gemeinschaft leben, voneinander lernen und profitieren. Und vielleicht noch wichtiger: Der gut organisierte Kapitalismus funktioniert dezentral. Er überträgt möglichst wenige Kompetenzen an den zentral organisierten Staat. Das ermöglicht einen gemeinschaftlichen Innovationsprozess, der auf den individuellen Erfahrungen aller Menschen beruht.

Den Wettstreit der Ökonomen hat der Kapitalismus schon vor geraumer Zeit gewonnen, den Wettstreit der Herzen noch lange nicht. Gerade junge Menschen begeistert oft die Vision einer geplanten und mithin geschlossenen Gesellschaft, die mit alternativen Wirtschaftsformen all unsere Probleme löst. Der Kapitalismus sollte eine Gegenbewegung begründen. Nicht (nur), weil er zu mehr Wohlstand führt und ökonomisch Sinn ergibt. Sondern weil er als Projekt der offenen Gesellschaft, geprägt von Toleranz und Pluralismus, die Herzen erobern kann; vielleicht dann ja auch das von Johanna Uekermann.

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