Anglizismen werden in der deutschen Sprache immer gebräuchlicher. Die einen findens cool, die andern lästig. Jedoch sind sie vor allem in der Wirtschafts- und Finanzbranche unumgänglich. Ein Beitrag von Simon Schmid, Chefökonom der Handelszeitung. Bild: Wikimediahttps://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8b/Dummies_%282973280850%29.jpg Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und ein englisches Wort sagt mehr als tausend deutsche Wörter. Zum Beispiel: «Borrower». Finden Sie mal eine passende Übersetzung dafür. Kreditnehmer? Schuldner? Borger? Ist alles irgendwie spröde, ungebräuchlich oder falsch konnotiert. Kein deutsches Wort bringt die Tatsache so griffig zum Ausdruck, dass es in einer Volkswirtschafthttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/volkswirtschaft/ neben den Sparern auch Leute braucht, die Geld ausleihen und ausgeben. Borger – eben. Die deutsche Ökonomik leidet an einer Sprachbehinderung. Sie bietet keine passenden Äquivalente für Begriffe wie «corporate governance». Übersetzungen wie «gute Unternehmensführung» sind oft missverständlich. Sie rücken statt die Strukturen und Prozesse der Unternehmensorganisation vielmehr die Führungspersonen und deren Handeln in den Fokus. Was einer fatalen Bedeutungsverschiebung gleichkommt. Angelsächsischer Wirtschaftssprech ist unglaublich knackig.
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Anglizismen werden in der deutschen Sprache immer gebräuchlicher. Die einen findens cool, die andern lästig. Jedoch sind sie vor allem in der Wirtschafts- und Finanzbranche unumgänglich. Ein Beitrag von Simon Schmid, Chefökonom der Handelszeitung.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und ein englisches Wort sagt mehr als tausend deutsche Wörter. Zum Beispiel: «Borrower». Finden Sie mal eine passende Übersetzung dafür. Kreditnehmer? Schuldner? Borger? Ist alles irgendwie spröde, ungebräuchlich oder falsch konnotiert. Kein deutsches Wort bringt die Tatsache so griffig zum Ausdruck, dass es in einer Volkswirtschafthttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/volkswirtschaft/ neben den Sparern auch Leute braucht, die Geld ausleihen und ausgeben. Borger – eben.
Die deutsche Ökonomik leidet an einer Sprachbehinderung. Sie bietet keine passenden Äquivalente für Begriffe wie «corporate governance». Übersetzungen wie «gute Unternehmensführung» sind oft missverständlich. Sie rücken statt die Strukturen und Prozesse der Unternehmensorganisation vielmehr die Führungspersonen und deren Handeln in den Fokus. Was einer fatalen Bedeutungsverschiebung gleichkommt.
Angelsächsischer Wirtschaftssprech ist unglaublich knackig. Beispiele gefällig? «Leverage» – die «Hebelung», also das Verhältnis von Bilanzsumme und Eigenkapitalhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/eigenkapital/, der Verschuldungsgrad einer Firma. «Bail-out» – die Rettungsaktion für einen angeschlagenen Konzern oder Staat, das Auskaufen aus den Schulden. «Bail-in» – die Beteiligung der Gläubiger an der Rettung. «Spillover» – das «Überschwappen» einer Entwicklung auf ein benachbartes Gebiet, also etwa die Ansteckung der grossen Euro-Zone durch Probleme im kleinen Griechenland. Und schliesslich: «Banking» – die Tätigkeit der Banken, nicht selten als Gesamtheit betrachtet. Ökonomisch schliesst das englische Wort wahnsinnig viel mit ein: Die Multiplizierung von Kapitalhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/kapital/ in Form von Krediten, das Schaffen von Geld aus dem Nichts. Dagegen mutet deutscher Jargon vielfach trocken an.
Deutschsprachige Ökonomen tauchen in Rankings selten an der Spitze auf. Die Sprache könnte ein Grund dafür sein. Kein Idiom erlaubt einen derart spielerischen Umgang mit Verben, Substantiven und Adjektiven wie das Englisch. «I am shorting this stock», sagt der Börsenhändler, wenn er auf sinkende Kurse wettet. Mangels Alternativen wurde der Ausdruck ins Deutsche übernommen. Eine Aktiehttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/aktie/ «shorten» kann man auch in germanischen Finanzkreisen – «kürzen» kann man sie nicht. Dass Englisch die Lingua franca der Finanzwelt ist, hilft deutschen Wirtschaftlern nur bedingt.
Man muss auf der Hut sein. Sprache beeinflusst auch das Denken. «The economy» und «die Wirtschaft» sind nicht wirklich dasselbe. Das englische Wort ist makroökonomisch konnotiert; es geht um die Summe von Konsum, Investitionen, Staatsausgabenhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/staatsausgaben/. Anders wird «die Wirtschaft» gerne mit «den Unternehmen» gleichgesetzt. Was aber eine mikroökonomische Perspektive impliziert und vergessen lässt, dass wirtschaftliche Tätigkeiten auch in anderen Kontexten erbracht werden: In der Familie oder über Freiwilligenarbeit. Konsequent müsste man eigentlich stets von der «Volkswirtschaft» sprechen – was aber wegen der Sperrigkeit des deutschen Ausdrucks oft nicht gemacht wird.
Diese Kolumne ist in der Handelszeitung vom 2. Juni 2016 erschienen. iconomix dankt dem Autor Simon Schmid für die Genehmigung zur Publikation.