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Die Sperrung der maroden Autobahnbrücke Rahmede an der A45 bei Lüdenscheid trifft die Region mit voller Wucht. Einer, der genau unter der Talbrücke wohnt, ist besonders betroffen: Er und seine Familie sollen weichen.
Seit 2010 lebt Ersan Acar unter der Autobahnbrücke Rahmede in Lüdenscheid. Das wenig attraktive Bauwerk rund 80 Meter über ihm und der Lärm, der von der stark befahrenen A45 als wichtiger Nord-Süd-Verkehrsachse zu seinem Haus herunter drang, haben ihn nie gestört, sagt er.
Nun hat die Autobahn GmbH des Bundes bei ihm und seiner Familie angeklopft. „Sie wollen mir das Haus abkaufen und alles abreißen“, schildert Acar der Deutschen Presse-Agentur. Seit Montag weiß er, dass ihm, seiner Frau, den Kindern und Eltern nicht mehr viel Zeit bleibt für eine Entscheidung. „Sie haben mir gesagt, dass die Brücke in sechs Monaten gesprengt werden soll.“
Viel Geld ins Haus investiert
Acar besitzt ein gut 700 Quadratmeter großes Grundstück, das die Autobahn GmbH ebenfalls erwerben wolle. „Sie haben mir einen Plan gezeigt. Mein Haus und eine Firma daneben sind besonders gravierend betroffen.“ 2018 habe er damals noch bei Straßen.NRW angefragt, was mit der Talbrücke passieren werde.
„Die Brücke ist ja nicht von heute auf morgen kaputtgegangen.“ Als man ihm versichert habe, dass demnächst baulich nichts anstehe, habe er viel Geld in sein Haus investiert: Neues Dach, das gesamte Grundstück wegen der Kinder eingezäunt. Um noch die Schwiegereltern einziehen zu lassen, war gerade alles vorbereitet für einen Dachausbau, wie er erzählt.
Die Autobahnbrücke Rahmede auf der Sauerlandlinie hat es seit ihrer Vollsperrung Anfang Dezember zu einiger Bekanntheit gebracht. Die deutschlandweit wichtige Route von Dortmund nach Hessen und Bayern ist seit Wochen unterbrochen.
Die Region leidet unter Umleitungsverkehr, Staus, Lärm, Abgasen, verzögerten Lieferungen, sorgt sich um Gesundheit, Sicherheit und befürchtet schlimme Folgen für den bedeutenden Wirtschaftsstandort Südwestfalen.
Der Neubau der Brücke soll schnell kommen
Bund und NRW wollen Tempo. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte am Montag angekündigt, dass das Bauwerk gesprengt werden soll. „Damit können wir erheblich Zeit einsparen und die Prozesse für einen Neubau der Brücke schneller voranbringen“, sagte der FDP-Politiker der dpa. Details will das Ministerium am Donnerstag zusammen mit der Autobahn GmbH mitteilen.
Ersan Acar zufolge will sich nun die Autobahn GmbH erneut mit ihm zusammensetzen und einen Gutachter beauftragen, den Wert seines Eigentums zu schätzen, um einen Kaufpreis festzulegen. Er befürchtet, dass dabei nicht das rauskomme, was angemessen und nötig sei, um mit seiner Familie ohne eine Verschlechterung neu in Lüdenscheid Wurzeln schlagen zu können. „Die Brücke muss neu gebaut werden. Das ist klar und da will ich mich nicht querstellen. Es geht mir auch nicht ums Geld. Aber ich hatte so viele Träume und Ziele.“
Ein Sprecher der Westfalen-Niederlassung der Autobahn GmbH unterstreicht: „Es ist nicht gesagt, dass er sein Haus räumen muss.“ Man habe Acar alle Optionen von „vorübergehender Inanspruchnahme“ seines Grundstücks bis hin zum Kauf seines Hauses und Grundstücks dargelegt – und werde erneut mit ihm sprechen.
Man gehe auf alle Anwohner und Gewerbetreibenden im unmittelbaren Brückenbereich zu. Allerdings wird die Bauzeit nach bisherigem Ziel der Autobahn GmbH mindestens fünf Jahre dauern. Es sei verständlich, wenn die Familie nicht so lange an einer Großbaustelle leben wolle, sagt Sprecher Bernd Löchter.
Gibt es ein Ersatzhaus?
Ersan Acar betont hingegen, man habe ihm gegenüber bisher nur von Erwerb gesprochen, aber keine Alternativen genannt. Er sei nicht bereit, den hart erarbeiteten Lebens- und Wohnstandard seiner Drei-Generationen-Familie zu opfern, sagt der Familienvater.
„Wenn man uns ein gleichwertiges Dreifamilienhaus mit einem Garten in Lüdenscheid bereitstellt, bin ich dabei.“ Das werde aber wohl extrem schwierig. Zuvor hatten auch andere Medien wie die „Westfalenpost“ über den Fall berichtet.
Die Niederlassungsleiterin der Autobahn GmbH für Westfalen hatte vor gut einer Woche berichtet, es würden bereits mit den Anwohnern Grunderwerbsverhandlungen geführt. Diese Gespräche über Kauf oder zeitweise Nutzung verliefen bislang „sehr gut“. Zugleich verwies Elfriede Sauerwein-Braksiek auf unter der Brücke siedelnde Wanderfalken und Fledermäuse, für die man Ersatzquartiere schaffen werde.
Ersan Acar hofft, dass ihm und seiner Familie mindestens genauso viel Bedeutung zugemessen wird wie diesen Tierarten. „Ich erwarte Empathie. Und dass berücksichtigt wird, wie heftig wir getroffen sind.“ (dpa/red)