Die mangelnde Staatlichkeit der Eurozone und die Tatsache, dass nicht alle EU-Mitgliedstaaten den Euro eingeführt haben, birgt das Potential zur Spaltung des Binnenmarktes. Der „Euro für alle“ würde dem EU-Binnenmarkt neuen Schub verleihen. Mit 20 Jahren Erfahrung gehört der Euro noch zu den ganz jungen Währungen. Zunächst nur als Buchgeld eingeführt, wurde er am 1. Jänner 2002 – in der Zwischenzeit in 19 EU-Mitgliedstaaten - gesetzliches Zahlungsmittel. In der kurzen Geschichte des Euro wechseln sich Erfolge und Misserfolge ab. Der Euro hat sich zwar als zweitwichtigste Weltwährung (20% der weltweiten Währungsreserven werden in Euro gehalten) etabliert, er kann aber die Dominanz des Dollars (62,7%) noch lange nicht gefährden. In der EU ist die Zustimmung zum Euro laut jüngsten
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Die mangelnde Staatlichkeit der Eurozone und die Tatsache, dass nicht alle EU-Mitgliedstaaten den Euro eingeführt haben, birgt das Potential zur Spaltung des Binnenmarktes. Der „Euro für alle“ würde dem EU-Binnenmarkt neuen Schub verleihen.
Mit 20 Jahren Erfahrung gehört der Euro noch zu den ganz jungen Währungen. Zunächst nur als Buchgeld eingeführt, wurde er am 1. Jänner 2002 – in der Zwischenzeit in 19 EU-Mitgliedstaaten - gesetzliches Zahlungsmittel. In der kurzen Geschichte des Euro wechseln sich Erfolge und Misserfolge ab. Der Euro hat sich zwar als zweitwichtigste Weltwährung (20% der weltweiten Währungsreserven werden in Euro gehalten) etabliert, er kann aber die Dominanz des Dollars (62,7%) noch lange nicht gefährden. In der EU ist die Zustimmung zum Euro laut jüngsten Eurobarometer-Umfragen mit 75% sehr hoch.
Vom Schönwetter in die Krise
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Eurozone ist in den letzten 20 Jahren durchaus gemischt ausgefallen. In der „Schönwetterperiode“ von 1999 bis 2008 konnte das durchschnittliche jährliche Wachstum des realen BIP der Eurozone (2,1%) mit jenem der USA (2,6%) nahezu mithalten. In der „Eurokrisenperiode“ von 2009 bis 2019 fiel die Wirtschaftsleistung der Eurozone (0,9%) stark hinter jener der USA (1,8%) zurück.
Als Folge der massiven keynesianischen Eingriffe der EU-Mitgliedstaaten zur Milderung der Großen Rezession 2009 schoss die Staatsverschuldung stark in die Höhe. Besonders dramatisch war der Anstieg in den Peripheriestaaten der Eurozone: Griechenland löste mit der Aufdeckung der „Verschuldungslüge“ Anfang 2010 die Euro-Schuldenkrise aus. Die Finanzmärkte erhöhten dramatisch die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen und lösten ähnliche Effekte für die Staatsanleihen anderer Peripheriestaaten aus. Einer der Gründe, warum Staatsschulden in Eurostaaten seit der Einführung des Euro ein größeres Problem darstellen als zuvor, besteht darin, dass sie jetzt Staatsanleihen in einer „fremden“ Währung ausgeben.
Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, Mitte 2012, benötigten fünf von damals 17 Euro-Staaten – Griechenland, Irland, Spanien, Portugal und Zypern – massive Finanzhilfen seitens der neue geschaffenen Euro-Rettungsinstrumente (EFSM, EFSF und ESM). Alle Programmstaaten sind seither sukzessive aus den Hilfsprogrammen ausgestiegen.
Im Schlepptau der Fed hat auch die EZB, wenn auch verzögert, in der Großen Rezession 2009 begonnen, zunächst mit konventionellen Mitteln den Konjunktureinbruch zu mildern. Während die anderen Notenbanken (Bank of Japan, Bank of England und Fed) bereits sehr früh zusätzlich zur Zinssatzsenkung auch mit quantitativer Lockerung (QE) die Konjunktur stützten, hat die EZB dieses Instrument erst 2015 eingesetzt, dann stetig gesteigert und Ende 2018 beendet. Während die Fed bereits Ende 2015 begann, ihre extrem expansive Geldpolitik zu lockern und seither den Hauptzinssatz (Federal Funds Rate) auf 2,25% bis 2,5% angehoben hat, verblieb die EZB auf ihrem Nullzinsniveau.
Dennoch muss man der EZB ein gutes Zeugnis in der Krisenbewältigung der letzten 10 Jahre aussprechen. Sie hat – angesichts der Beschränkungen der Fiskalpolitik durch die verschärften SWP-Regeln – eine zunehmend dominierende Rolle eingenommen. Sie ist zum „Multitasker“ geworden, weil sie neben dem Hauptgeschäft (Geldpolitik) auch Partner in der Troika (nunmehr „Institutionen“) war und seit 2014 die Euro-Bankenaufsicht innehat. Am Höhepunkt der Eurokrise 2012 stand das Weiterbestehen des Euro auf der Kippe. In dieser Situation hat EZB-Präsident Mario Draghi am 26. Juli 2012 auf einer Investorenkonferenz in London mit seinem “…. whatever it takes ….“ praktisch den Euro gerettet.
Gewinner und Verlierer des Euro
Der Euro führt im Idealfall dazu, dass die Transaktionskosten (Wechselkursumtausch und -schwankungen) für den Handel von Waren und Dienstleistungen (besonders im Fremdenverkehr) sinken bzw. wegfallen und damit auch die Faktorwanderung im EU-Binnenmarkt erleichtern. Er macht den Preisvergleich innerhalb der Eurozone leichter und erlaubt den Mitgliedstaaten der Eurozone, Staatsanleihen in Euro (in einer „fremden Währung“) zu begeben. Die Tatsache, dass bisher nur 19 von 28 EU-Mitgliedstaaten den Euro eingeführt haben, relativiert diesen Idealzustand. Nicht-Euroländer können sich Wettbewerbsvorteile durch Abwertungen gegenüber dem Euro herausholen und somit den Binnenmarkt stören. Vor Einführung des Euro war es (trotz des Europäischen Währungssystems EWS) gang und gäbe, dass Länder mit Leistungsbilanzdefiziten (meist die Südstaaten – der Weichwährungsblock mit Griechenland, Italien, Portugal und Spanien) ihre Währungen gegenüber dem Hartwährungsblock um die Deutsche Mark (DM) abwerteten. Mit der Einführung des Euro fiel diese Option aus. Der Euro hat diese Wettbewerbskonstellation umgedreht: die Hartwährungsländer um den DM-Block haben relativ zu den Weichwährungsländern an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen.
Die meisten Studien finden, dass die Einführung des Euro den Intra-EU-Handel stimuliert (um 10 bis 15%) und positive Einkommenseffekte ausgelöst hat. Aufgrund der Umkehrung der Wettbewerbseffekte wegen des Wegfalls des Instruments Abwertung ist es plausibel, dass Deutschland und die Länder des ehemaligen Hartwährungsblocks um die DM (z.B. Niederland und Österreich) – gemessen an der zusätzlichen Steigerung des BIP pro Kopf – zu den größten Euro-Gewinnern gehören. Die extrem expansive Geldkrisenpolitik der EZB (Nullzinspolitik und QE) hat aber auch die Wirtschaftsakteure in der Eurozone unterschiedlich betroffen: die „Financial Repression“ hat Sparer zugunsten der Kreditnehmer (sowohl Unternehmen als auch Staaten) benachteiligt bzw. bestraft.
Ist der Euro für die nächste Krise gerüstet?
Die Eurokrise hat eine Fülle von Reformen ausgelöst, von denen einige bereits implementiert sind: SWP-III, Six-Pack, Two-Pack, Fiskalpakt (Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der WWU) und Europäisches Semester. Europe 2020, ESM, Europäische Bankenunion (EBU). Andere Vorschläge warten noch auf ihre Umsetzung (z.B. Kapitalmarktunion, Umwandlung des ESM zum Europäischen Währungsfonds, EWF), während weiterreichende Vorschläge (Macrons Eurofinanzminister und Eurobudget) keine Chance haben dürften.
Die Frage ist natürlich, ob diese neuen Maßnahmen genügen, um den Euro für künftige Krisen (dessen Eigenart man noch nicht kennen kann) wetterfester zu machen als bisher. Die grundsätzliche Frage – ob das Prinzip “ One market, one money“ überlebensfähig ist – bleibt bisher unbeantwortet. Man müsste eigentlich mehr EU in Richtung der „Vereinigten Staaten von Europa“ (VSE) wagen. Nur so würde man – wie in den USA – wieder zurück zur überlebensfähigen Situation einer natürlichen Geldordnung kommen: “ One country, one money“.
Als Zwischenlösung würde es schon genügen, den „Euro für alle“ einzuführen. Einerseits könnte man dadurch eine Spaltung der EU in Euro- und Nicht-Euroländer verhindern, weil Störungen des Binnenmarktes durch Abwertungen wegfielen. Andererseits könnten dadurch die Potenziale für ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes stärker ausgeschöpft und dem EU-Binnenmarkt neuer Schub verliehen werden. Im Falle von Krisen haben wir mit dem EMS (später EWF) ohnehin bereits ein mächtiges Rettungsinstrument.
Dieser Beitrag ist in einer längeren Fassung unter dem Titel „20 Jahre Euro: eine Währung für alle?“ als ÖGfE-Policy Brief 06/2019[ a ] erschienen.
©KOF ETH Zürich, 26. Apr. 2019