William Nordhaus und Paul Romer integrieren Klimawandel und technologische Innovationen in die langfristige makroökonomische Analyse. Dafür haben sie zurecht den Nobelpreis erhalten, wie dieser Beitrag zeigt. Technologischen Wandel zu fördern und den Klimawandel zu verlangsamen sind zwei grundlegenden Herausforderungen unserer Zeit, besonders wenn es um die langfristige Entwicklung unserer Volkswirtschaft und Gesellschaft geht.[ 1 ] Mit der industriellen Revolution nahmen sowohl die Rate des technologischen Wandels – und somit die Wachstumsrate des pro-Kopf Einkommens – als auch die Treibhausgasemissionen auf Grund der Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl und Kohle zu (siehe Abbildung 1). Treibhausgase sind die Hauptverursacher des Klimawandels. Um die Ursachen und Auswirkungen
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William Nordhaus und Paul Romer integrieren Klimawandel und technologische Innovationen in die langfristige makroökonomische Analyse. Dafür haben sie zurecht den Nobelpreis erhalten, wie dieser Beitrag zeigt.
Technologischen Wandel zu fördern und den Klimawandel zu verlangsamen sind zwei grundlegenden Herausforderungen unserer Zeit, besonders wenn es um die langfristige Entwicklung unserer Volkswirtschaft und Gesellschaft geht.[ 1 ] Mit der industriellen Revolution nahmen sowohl die Rate des technologischen Wandels – und somit die Wachstumsrate des pro-Kopf Einkommens – als auch die Treibhausgasemissionen auf Grund der Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl und Kohle zu (siehe Abbildung 1). Treibhausgase sind die Hauptverursacher des Klimawandels. Um die Ursachen und Auswirkungen von Klimawandel und technologischem Wandel für die Ökonomie zu verstehen, fehlten lange Zeit angemessene methodische Ansätze. Die diesjährigen Preisträger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften[ a ], William N. Nordhaus and Paul M. Romer, haben hier entscheidende Beiträge geleistet. Paul Romer befasste sich mit den positiven Wirkungen neuer, von Unternehmen entwickelter Ideen für Produkte und Dienstleistungen. William Nordhaus hingegen analysierte die negativen Folgen von Treibhausgasemissionen.
Abbildung 1: Kohlestoffemissionen und Pro-Kopf-Einkommen steigen
Die abgebildeten Emissionen beziehen sich nur auf die Emissionen, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe oder während der Zementherstellung verursacht wurden
Quellen: Carbon Dioxide Information Analysis Center[ b ] (CDIAC). (abgerufen am 11.10.2018)
Angus Maddison (1995): Monitoring the World Economy 1820-1992[ c ], OECD Development Centre Studies, Paris; Appendix G Regional and World Totals, 1820-1992. (abgerufen am 11.10.2018)
GDP per capita (constant 2010 US$), World Bank national accounts data, and OECD National Accounts data files. 1960 – 2017[ d ]; (abgerufen am 11.10.2018)
Paul Romer und der technologische Wandel
Bis in die neunziger Jahre mussten Ökonomen das Wirtschaftsgeschehen anhand von Modellen– wie zum Beispiel dem Solow Modell – erklären, die einen schwerwiegenden Nachteil hatten: technischer Fortschritt musste als vorgegeben – und unerklärt – vorausgesetzt werden. Weil das langfristige Wachstum des Pro-Kopf Einkommens jedoch hauptsächlich durch den technischen Fortschritt bestimmt wird, war es kaum möglich, befriedigende Antworten darauf zu finden, warum die Menschheit seit der industriellen Revolution deutlich höhere Fortschritte im Pro-Kopf Einkommen und im Wohlstand allgemein erlebt hat und warum einige Länder schneller wachsen als andere. Nord- und Südkorea, welche einmal praktisch den gleichen Entwicklungsstand hatten und heute dramatisch unterschiedliche Lebensstandards aufweisen, sind dafür ein Extrembeispiel.
Diese Erklärungslücke begann Paul Romer in den achtziger Jahren zu schliessen. Seine grösste Leistung war, dass er Ideen für neue Güter und Dienstleistungen als das Ergebnis von unternehmerischen Forschungsanstrengungen modellierte. Ausserdem erfasste er, dass Ideen sich grundsätzlich von physischem Kapital wie Maschinen und Gebäuden oder von menschlichen Fertigkeiten im Produktionsprozess unterscheiden. Ideen – wie Anleitungen für die Produktion von Gütern – lassen sich nämlich beliebig kopieren und können von vielen Akteuren gleichzeitig benutzt werden, ohne dass der Gebrauch eines Akteurs den Gebrauch des anderen Akteurs beeinträchtigt.
Neue Ideen für Güter und Dienstleistungen sind zentral für den technischen Fortschritt. Sie erweitern das Güter- und Dienstleistungsangebot fortlaufend, was wiederum das Pro-Kopf Einkommen erhöht. Die ständige Produktion von Ideen führt damit zu Wachstum und weil es – im Gegensatz zu natürlichen Ressourcen – keine Grenzen für die Produktion von Ideen gibt, kann ein solches Ideen-gestütztes Wachstum immer fortschreiten.
Gerade weil aber Ideen so einfach kopiert werden können, haben Firmen nur dann einen Anreiz, neue Ideen auch zu produzieren, wenn diese nicht unmittelbar kopiert werden können. Deshalb müssen andere Marktteilnehmer temporär vom Gebrauch neuer Ideen ausgeschlossen werden können, zum Beispiel durch das Patentrecht. Auch können die Anreize, neue Ideen zu produzieren, durch Subventionen für Forschung und Entwicklung oder durch niedrigere Steuersätze im Vergleich zu anderen Gewinnquellen erhöht werden.
Die Arbeiten von Paul Romer und die komplementären Ansätze zur Erklärung der kreativen Zerstörung – das Phänomen, dass neue Produkte den Markt für alte Produkte ersetzen – haben eine ganz neue Teildisziplin der ökonomischen Forschung begründet. Diese Teildisziplin nennt sich „Endogene Wachstumstheorie". Sie erklärt in immer weiter entwickelten Modellen, wie technologischer Fortschritt endogen zustande kommt, wie die Wirtschaftspolitik darauf Einfluss nehmen kann und wie diese Einflusskanäle empirisch gemessen werden können. Damit können Wohlstandsunterschiede zwischen Ländern erklärt und langfristig orientierte Wirtschaftspolitik begründet werden.
Mit Hilfe der neuen Wachstumstheorie kann man auch erste Antworten auf die Frage geben, ob ein Land ein gutes Innovationssystem hat. Nebst den institutionellen und steuerlichen Rahmenbedingungen und der Bildung sind vor allem die Förderung von Unternehmensgründungen, die Risikokapitalfinanzierung und die Gestaltung der Grundlagenforschung zu nennen. Letztere liefert das Wissen für private Akteure, um kommerzialisierbare Ideen für Güter und Dienstleistungen zu entwickeln. Mit einer zur Weltspitze gehörenden Grundlagenforschung, mit zurückhaltender und gezielt eingesetzter Subventionierung für private Forschung und Entwicklung und mit innovationsstarken Unternehmen ist die Schweiz international recht gut positioniert. Allerdings lässt sich heute kein abschliessendes Urteil darüber fällen, wie das Innovationsystem der Schweiz weiter optimiert werden könnte – vor allem im Zug der Digitalisierung. Für präzise Antworten würde man wieder auf die Ansätze von Paul Romer zurückgreifen und diese erweitern.
Bei aller Begeisterung für die Ansätze der endogenen Wachstumstheorie mahnen spätere Arbeiten von Paul Romer auch zur Vorsicht: mit solchen Modellen muss präzise umgegangen werden. Schnell lässt sich aus bestimmten Modellen und Parameterkonstellationen beispielsweise schliessen, dass es zu viel oder zu wenig Forschung gibt. Generell sollte es für die Wahl eines wirtschaftspolitischen Instruments zur Förderung der Ideenproduktion entscheidend sein, dass ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Instrument und Ideenproduktion über viele mögliche Modellvarianten hinweg besteht und dass der Zusammenhang empirisch geschätzt werden kann.
William Nordhaus und die Klimaökonomie
Bereits in den 1970ern begann William Nordhaus, sich mit den möglichen Auswirkungen von Klimawandel zu beschäftigen. Naturwissenschaftler waren besorgt über den Einfluss der steigenden Treibhausgasemissionen auf das globale Klima. Mitte der 1990er präsentierte Nordhaus als erster ein umfassendes Klima-Ökonomie Modell, das die wechselseitigen Beziehungen zwischen Ökonomie und Klima darstellt. Diese Art von Modellen werden häufig als «integrierte Bewertungsmodelle« (integrated assessment models) bezeichnet. In seinem Ansatz nutzt Nordhaus theoretische Konzepte und empirische Ergebnisse aus der Physik, der Chemie und der Ökonomie. Diese interdisziplinäre Vorgehensweise ist heute weit verbreitet, aber zum Zeitpunkt der Modellentwicklung war sie ungewöhnlich.
Nordhaus' Klima-Ökonomie Modell beinhaltet drei interagierende Sub-Modelle. Sein Kohlenstoff-Zirkulationsmodell überführt Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe in die Kohlenstoffkonzentration der Atmosphäre. Sein Klima-Modell berechnet die Auswirkungen der atmosphärischen Kohlenstoffkonzentration auf die globale Temperatur. Das Wirtschaftsmodell demonstriert die Auswirkungen der globalen Temperatur auf wirtschaftliche Tätigkeiten und bestimmt, wie wirtschaftliche Aktivitäten zu Kohlenstoffemissionen führen. Diese Kohlenstoffemissionen wiederum fliessen in das Kohlenstoff-Zirkulationsmodell ein.
Während naturwissenschaftliche Modelle nur von Daten aus der Vergangenheit abhängen, haben ökonomische Modelle eine vorausschauende Komponente. Menschen denken über die Zukunft nach, z.B. über den Einfluss von Klimawandel, so dass ihre Entscheidungen auch von den möglichen zukünftigen Entwicklungen abhängen. Werden Modelle mit vorausschauenden Agenten zu komplex, wird es schwierig, sie zu berechnen. Ökonomische Modelle sind somit inkompatibel mit gross-skaligen naturwissenschaftlichen Klima-Modellen. Nordhaus' Idee, die naturwissenschaftlichen Modelle in einer vereinfachten Weise darzustellen, um Klima- und Ökonomie-Modellen zu verbinden, ist ein entscheidender methodischer Beitrag für die ökonomische Analyse des Klimawandels. Nordhaus selbst verweist darauf, dass eine Vereinfachung komplexer Interaktionen auch die Gefahr falscher Schlussfolgerungen birgt.
Mit Klima-Ökonomie-Modellen kann man beispielsweise die vom Klimawandel verursachten Kosten gegen die Kosten eines reduzierten Treibhausgasausstosses abwägen. Des Weiteren können verschiedene Politikmassnahmen oder die optimale Höhe einer Steuer auf Kohlenstoff untersucht werden. Eine solche Steuer sollte den „Sozialen Kosten von Kohlestoff" entsprechen, also dem Barwert der zukünftigen Schäden auf Grund einer zusätzlichen Einheit ausgestossenen Kohlenstoffs.
Ein wichtiger Aspekt bei der quantitativen Analyse von Klima-Ökonomie Modellen ist die Festsetzung von Parameterwerten. Bei den naturwissenschaftlichen Komponenten fällt die Wahl auf Parameterwerte, die mit historischen Beobachtungen übereinstimmen. Nordhaus verfolgt einen ähnlichen Ansatz für den ökonomischen Teil seines Modells. Ein alternativer Ansatz zur Wahl von Parameterwerten im Wirtschaftsmodell berücksichtigt normative Kriterien. Ein Beispiel ist die Diskontrate. Bei der Diskontierung geht es um die Frage, welchen Wert ein zukünftiges Einkommen heute hätte. Da die Folgen des Klimawandels zu einem Grossteil in der Zukunft liegen, spielt die Diskontierung bei der Abschätzung von Kosten eine entscheidende Rolle. Eine höhere Diskontrate impliziert, dass zukünftigen Einkommen heute ein geringerer Wert beigemessen wird. Intergenerationelle Gerechtigkeit könnte daher für eine niedrigere Diskontrate sprechen.
Um die Grösse der Diskontrate hat sich eine intensive Debatte mit gegensätzlichen Standpunkten entwickelt. Weitere Debatten ergaben sich über die Schätzung der Schadensfunktion sowie um die Rolle von Schwellenwerten, deren Überschreitung zu einer extremen Veränderung des Klimas führt, so dass Klimaschutz auch als eine Versicherung gegen ein worst-case Scenario gesehen werden kann.
Nordhaus' "Dynamic Integrated Climate Economy (DICE)-Model" sowie dessen regionalisierte Version, das RICE-Model, werden seit ihrer Entstehung 1994/1996 regelmässig aktualisiert. Im Sinne einer offenen und nachprüfbaren Wissenschaft hat Nordhaus die Details seiner Modelle veröffentlicht. Inspiriert von der Struktur des DICE-Modells gibt es inzwischen viele weitere Klima-Ökonomie Modelle. Damit hat Nordhaus die Basis für eine gute Klimapolitik geschaffen.
©KOF ETH Zürich, 18. Okt. 2018