Weshalb haben gerade William Nordhaus und Paul Romer dieses Jahr den "Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften» erhalten und was bedeutet das für die Politik? Auf den ersten Blick war es schon überraschend. William Nordhaus und Paul Romer erhalten gemeinsam den diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Einzeln betrachtet sind beide Forscher bereits lange als Favoriten gehandelt worden. Es wurde dieses Mal aber nicht ein typisches Gebiet, wie "Die Ökonomie des Klimawandels» (Nordhaus) oder die "Neue endogene Wachstumstheorie» (Romer) – welches sich als Kurs für universitäre Lehrveranstaltungen auf Masterebene eignen würde – ausgezeichnet. Vielmehr muss man erst die Klammer suchen, die die beiden Forscher verbindet. Beide modellieren die langfristige
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Weshalb haben gerade William Nordhaus und Paul Romer dieses Jahr den "Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften» erhalten und was bedeutet das für die Politik?
Auf den ersten Blick war es schon überraschend. William Nordhaus und Paul Romer erhalten gemeinsam den diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Einzeln betrachtet sind beide Forscher bereits lange als Favoriten gehandelt worden. Es wurde dieses Mal aber nicht ein typisches Gebiet, wie "Die Ökonomie des Klimawandels» (Nordhaus) oder die "Neue endogene Wachstumstheorie» (Romer) – welches sich als Kurs für universitäre Lehrveranstaltungen auf Masterebene eignen würde – ausgezeichnet. Vielmehr muss man erst die Klammer suchen, die die beiden Forscher verbindet. Beide modellieren die langfristige Wirtschaftsentwicklung und berücksichtigen dabei fundamentale externe Effekte.
Nordhaus hat insbesondere zur Frage des optimalen wirtschaftspolitischen Umgangs mit dem menschlichen Einfluss aufs Klima beigetragen. Dabei führt er traditionelle dynamische Makroökonomie zusammen mit den interdisziplinär erforschten ökologischen Auswirkungen von Treibhausgas-Emissionen. Nach Vorarbeiten bereits in den 1970er Jahren (z.B. Nordhaus, 1977), entwickelte Nordhaus mit dem sogenannten DICE-Modell (DICE steht für "Dynamic-Integrated-Climate-Economy») einen Rahmen, der den Trade-off von wirtschaftlicher Aktivität und dem aus der Emission von Treibhausgasen angerichteten Schaden abbildet. Aus der Umweltökonomik ist bekannt, dass Wirtschaftsakteure, die die negativen Effekte von Umweltverschmutzung nicht berücksichtigen, ein höheres Mass an Umweltverschmutzung erzeugen, als es volkswirtschaftlich optimal wäre. Im Gegensatz zu Wirtschaftssubjekten in unregulierten Märkten berücksichtigt Nordhaus’ sozialer Planer die externen Effekte der Treibhausgase aufs Klima und kann so eine wohlfahrtsmaximierende Lösung ermitteln (z.B. Nordhaus, 1992, 2017). Neben den typischen Elementen eines neoklassischen Wachstumsmodells finden sich in seinem Modell die umweltpolitisch beeinflussbare Relation zwischen Produktion und Emissionen sowie deren Auswirkungen auf das Klima. Nordhaus hat das Modell im Laufe der Zeit verfeinert und nicht nur verbesserte Prognosen über die globale Erwärmung in Abhängigkeit umweltpolitischer Massnahmen gewagt, sondern auch massiv weitere Forschung in diesem Bereich angestossen.
Romer (1990) indes gelingt es, technischen Fortschritt auf Entscheidungen von gewinnmaximierenden Firmen zurückzuführen, die in komplexer Weise mit anderen Wirtschaftssubjekten interagieren. Das hat fundamental zu unserem Verständnis beigetragen, wie Wirtschaftswachstum durch Innovationen zustande kommt. Aus der neoklassischen Wachstumstheorie war bekannt, dass Wachstum langfristig ohne technologischen Fortschritt bei abnehmender Grenzproduktivität physischen Kapitals nicht möglich ist (Solow, 1956). In einem ersten Versuch, langfristiges Wachstum zu erklären, hat Romer (1986) auf Basis des Solow-Modells daher positive Externalitäten von Kapitalinvestitionen eingeführt. Der grosse Beitrag von Romer (1990) war, eine mikrofundierte Abkehr vom neoklassischen Wachstumsmodell zu finden. Er legt das Augenmerk auf die Forschungsanreize privater Firmen und kann damit eine innovationsbasierte Erklärung langfristigen Wirtschaftswachstums liefern. Marktmacht generiert dabei die für Forschungsanreize nötigen Profite. Deswegen unterstellt Romers Modell, dass die Hersteller von innovierten Zwischenprodukten in monopolistischer Konkurrenz agieren. Die von Romer entwickelte Antwort auf die Frage, wie langfristiges Wirtschaftswachstum aufgrund von Innovationen möglich ist, enthält im Kern eine einfache Einsicht: Eine gute Idee nutzt sich nicht ab, wenn man sie umsetzt. Mit anderen Worten: Innovationen stossen immer auch weitere Innovationen an, die über den Innovator hinausgehen. Wissenserweiterung zugunsten zukünftiger Innovatoren berücksichtigt der heutige Innovator aber nicht, weswegen aus ökonomischer Sicht zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert wird. Im Allgemeinen Gleichgewicht kommt es aufgrund der Marktmacht neben den ineffizient geringen Investitionen in Forschung und Entwicklung auch zu ineffizient geringer Akkumulation physischer Kapitalgüter (Grossmann, Steger und Trimborn, 2013, 2016).
Externe Effekte und das resultierende Marktversagen spielen also in beiden diesjährig vom Nobelpreiskomitee ausgezeichneten Beiträgen eine zentrale Rolle und eröffnen Raum für tiefgreifende, wirtschaftspolitische Eingriffe. Nordhaus befürwortet beispielsweise die globale Besteuerung des CO2-Ausstosses. Neuere Forschung zeigt, dass eine solche Massnahme die Innovationsanreize für alternative Energieerzeugung erhöht und so die wirtschaftliche Entwicklung in eine langfristig bessere Richtung führen kann (Acemoglu, Aghion, Bursztyn und Hemous, 2012). Damit werden die beiden diesjährig ausgezeichneten Bereiche Umweltpolitik und Innovationsanreize auf wirtschaftspolitisch hochrelevante Weise verbunden.
Im Gegensatz zu der vor allem global auszurichtenden Klimapolitik hat Forschungsförderung auch national Priorität. Ineffizient geringe private Investitionen in Forschung und Entwicklung sprechen beispielsweise für eine Absetzbarkeit solcher Ausgaben von der Körperschaftssteuer. Das optimale Ausmass kann mittels auf Romer (1990) basierenden, kalibrierten Wachstumsmodellen quantifiziert werden (Grossmann, Steger und Trimborn, 2016). Ebenso folgt aus dieser Wachstumstheorie die Sinnhaftigkeit öffentlicher Förderung der Hochschulausbildung, insbesondere in sogenannten MINT-Fächern (Romer, 2000; Grossmann, 2007). Ein weiteres Beispiel ist die Immigration von MINT-Absolventen in die USA, deren positiven externe Effekte in einer empirischen Studie von Hunt und Gauthier-Loiselle (2010) nachgewiesen wurden. Somit hat die Arbeit von Paul Romer auch wichtige Implikationen für die Migrationspolitik. Da ein beträchtlicher Teil der positiven Effekte von Innnovation in der Region verbleiben kann, ziehen beispielsweise IT-Unternehmer ins Silicon Valley, ist die Pharmaindustrie der Schweiz in Basel konzentriert und ist ein wichtiger Teil der deutschen Automobilindustrie im Raum Stuttgart angesiedelt.
Somit ist das manchmal vorgebrachte Argument, es gebe keinen Mangel an technisch-naturwissenschaftlich orientierten Fachkräften, da deren Marktlöhne geringer seien als beispielsweise von im Finanzsektor beschäftigten Juristen, aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht stichhaltig. Wo Externalitäten vorliegen, sind Marktlöhne verzerrt. So verdienen beispielsweise Ingenieure gesamtwirtschaftlich gesehen zu wenig, da deren Arbeitgeber nur bereit sind, jenen Teil der Leistungen zu bezahlen, die sich auch innerhalb der Unternehmensgrenze auszahlen. Ebenso ergibt sich aus der Arbeit von Romer eine in der neoklassischen Handelstheorie nicht vorkommende Quelle von Aussenhandelsgewinnen. Grundlage ist wiederum die im Zentrum des Romer-Modells stehende Nicht-Rivalität von Ideen für neue, handelbare Produkte (Romer, 1994). In einer Zeit, in der internationale Verträge zu Aussenhandel und Klimapolitik selbst in westlichen Demokratien immer mehr unter Druck geraten, ist die Vergabe der diesjährigen Nobelpreise somit auch ein starkes politisches Statement.
Beide Forscher haben sich grossen Fragen gewidmet und wesentliche Beiträge zu deren Verständnis geleistet. Noch wichtiger als die eigenen Beiträge sind aber wohl die darauf aufbauenden Forschungsarbeiten und deren wirtschaftspolitische Konsequenzen – ganz im Sinne des Ansatzes von Romer zu kumulativen Innovationen.
Acemoglu, Daron, Philippe Aghion, Leonardo Bursztyn und David Hemous (2012). The Environment and Directed Technical Change, American Economic Review 102, 131-166.
Hunt, Jennifer und Marjolaine Gauthier-Loiselle (2010). How Much Does Immigration Boost Innovation?, American Economic Journal: Macroeconomics 2, 31–56.
Grossmann, Volker (2007). How to Promote R&D-based Growth? Public Education Expenditure on Scientists and Engineers versus R&D-Subsidies, Journal of Macroeconomics 29, 891-911.
Grossmann, Volker, Thomas Steger und Timo Trimborn (2013). Dynamically Optimal R&D Subsidization, Journal of Economic Dynamics and Control 37, 516-534.
Grossmann, Volker, Thomas Steger und Timo Trimborn (2016). Quantifying Optimal Growth Policy, Journal of Public Economic Theory 18, 451-485.
Nordhaus, William D. (1977).Economic Growth and Climate: The Case of Carbon Dioxide, American Economic Review 67, 341–346.
Nordhaus, William D. (1992). An Optimal Transition Path for Controlling Greenhouse Gases, Science 258, 1315–1319
Nordhaus, William D. (2017). Evolution of Assessments of the Economics of Global Warming: Changes in the DICE Model, 1992–2017, NBER Working Paper No. 23319.
Romer, Paul M. (1986). Increasing Returns and Long-Run Growth, Journal of Political Economy 94, 1002-1037.
Romer, Paul M. (1990). Endogenous Technological Change, Journal of Political Economy 98, S71-S102.
Romer, Paul M. (1994). New Goods, Old Theory, and the Welfare Costs of Trade Restrictions[ a ], Journal of Development Economics 43, 5-38.
Romer, Paul M. (2000). Should the Government Subsidize Supply or Demand in the Market for Scientists and Engineers?, NBER Working Paper No. 7723.
Solow, Robert M. (1956). A Contribution to the Theory of Economic Growth, Quarterly Journal of Economics 70, 65-94.
©KOF ETH Zürich, 17. Okt. 2018