Die Erhöhung staatlicher Investitionen in Innovationen, als Mittel einer nachfrageorientierten Innovationsförderung, ist derzeit ein viel diskutiertes wirtschaftspolitisches Thema. 2014 wurden auf europäischer Ebene Richtlinien erlassen, die die öffentliche Beschaffung von innovativen Produkten und Dienstleistungen erleichtern sollen. In Deutschland sind vergleichbare Regeln schon seit 2009 implementiert. Dieser Beitrag untersucht den Einfluss der öffentlichen Beschaffung auf den Innovationserfolg deutscher Unternehmen im Anschluss an diese Reform. Im OECD-Durchschnitt macht die öffentliche Beschaffung ca. 12% des Bruttoinlandsprodukts, oder 29% der Staatsausgaben, aus (Appelt und Galindo-Rueda, 2016). Für Deutschland kommen Schätzungen für das Jahr 2006 auf ein
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Dirk Czarnitzki, Paul Hünermund, Nima Moshgbar considers the following as important:
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Die Erhöhung staatlicher Investitionen in Innovationen, als Mittel einer nachfrageorientierten Innovationsförderung, ist derzeit ein viel diskutiertes wirtschaftspolitisches Thema. 2014 wurden auf europäischer Ebene Richtlinien erlassen, die die öffentliche Beschaffung von innovativen Produkten und Dienstleistungen erleichtern sollen. In Deutschland sind vergleichbare Regeln schon seit 2009 implementiert. Dieser Beitrag untersucht den Einfluss der öffentlichen Beschaffung auf den Innovationserfolg deutscher Unternehmen im Anschluss an diese Reform.
Im OECD-Durchschnitt macht die öffentliche Beschaffung ca. 12% des Bruttoinlandsprodukts, oder 29% der Staatsausgaben, aus (Appelt und Galindo-Rueda, 2016). Für Deutschland kommen Schätzungen für das Jahr 2006 auf ein Beschaffungsvolumen von über 250 Milliarden Euro (Wegweiser GmbH, 2009). Dies entspricht einem Vielfachen der Summe die z.B. für staatliche FuE-Subventionen aufgewendet wird. Daraus lässt sich das wirtschaftspolitische Interesse an einer nachfrageorientierten Innovationsförderung erklären. Selbst wenn innovative Produkte und Dienstleistungen nur einen geringen Anteil am Gesamtvolumen der öffentlichen Beschaffung ausmachen würden, könnte so doch eine enorme Nachfragewirkung erzielt werden, die wiederum Anreize auf der Angebotsseite schafft ("demand pull"). Durch eine Optimierung des öffentlichen Beschaffungsprozesses wäre ein solcher Effekt dabei prinzipiell ohne Erhöhung der Staatsausgaben realisierbar (OECD, 2016). Darüber hinaus trägt die innovative öffentliche Beschaffung zu einer besseren Versorgung mit öffentlichen Gütern bei.
In der Praxis besteht jedoch eine erhebliche Rechtsunsicherheit darüber, ob der Innovationsgrad eines zu beschaffenden Produkts als Zuschlagskriterium berücksichtigt werden darf. Bestehende Vergaberichtlinien in Europa folgen dem Prinzip, dass der Beschaffungsgegenstand so genau wie möglich beschrieben werden soll, damit ein fairer Wettbewerb garantiert ist. Dadurch ergeben sich jedoch Hürden für die Beschaffung von innovativen Produkten, da diese definitionsgemäß noch nicht am Markt etabliert sind und somit schwer im Detail spezifizierbar sind. Des Weiteren spielt in vielen Vergabeverfahren immer noch der unmittelbare Anschaffungspreis eine entscheidende Rolle. Die Chancen mit innovativen Lösungen erfolgreich zu sein, die zunächst aufgrund der Entwicklungskosten teurer sind, über ihren Lebenszyklus jedoch geringere Kosten verursachen, werden damit drastisch reduziert.
Diese rechtlichen und prozeduralen Hürden wurden auf europäischer Ebene erkannt und im Jahr 2014 durch die Erlassung neuer Vergaberichtlinien (2014/24/EU und 2014/25/EU) beseitigt. Eine Umsetzung dieser Richtlinien in nationales Recht war bis zum April 2016 gefordert. Allerdings wurde diese Frist von einer Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten nicht eingehalten, sodass sich die Europäische Kommission dazu veranlasst sah ein offizielles Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten (Europäische Kommission, 2017). Der Einsatz der öffentlichen Beschaffung als innovationspolitisches Instrument in Europa bleibt damit weiterhin begrenzt.
In Deutschland hat jedoch schon die Vergaberechtsnovelle von 2009 Klarheit darüber geschaffen, dass innovationsrelevante Zuschlagskriterien als vergabekonform anzusehen sind (Falck und Wiederhold, 2013). Diesen Umstand machen wir uns in einer neuen Studie zu Nutze, die vor kurzem in der Diskussionspapierreihe des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung erschienen ist (Czarnitzki, Hünermund und Moshgbar, 2018). Basierend auf Daten des Mannheimer Innovationspanels (MIP[ a ]) untersuchen wir eine repräsentative Stichprobe von 3410 deutschen Unternehmen im Zeitraum unmittelbar nach der Rechtsänderung (2010 bis 2012). In einer ökonometrischen Analyse schätzen wir den Einfluss von öffentlichen Beschaffungsaufträgen, die explizit die Durchführung von Innovationsaktivitäten als Zuschlagskriterium enthalten, auf den Anteil von innovativen Produkten und Dienstleistungen am Unternehmensumsatz. Dabei unterscheiden wir zwischen Innovationen, die echte Marktneuheiten darstellen, und solchen, die lediglich Weiterentwicklungen oder merkliche Verbesserungen von bestehenden Produkten eines Unternehmens sind. Um eine Aussage über einen möglichen Kausalzusammenhang treffen zu können, greifen wir auf eine Vielzahl von Schätzverfahren zurück, die alle ein konsistentes und robustes Ergebnis liefern. Ausgehend von einer multivariaten Regressionsanalyse verwenden wir außerdem ein nicht-parametrisches Matching-Verfahren, einen Instrumentalvariablenansatz basierend auf Lewbel (2012) und erweitern unseren Datensatz zu einem Panel, was die Anwendung der Differenz-von-Differenzen-Methode erlaubt.
Positive Wirkung
Unsere Analyse zeigt, dass ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der innovativen öffentlichen Beschaffung und dem Innovationserfolg besteht. Innerhalb unserer Stichprobe weisen Unternehmen, die einen Beschaffungsauftrag mit innovationsrelevanten Zuschlagskriterien erhalten, im Mittel einen um 8,7 Prozentpunkte höheren Umsatzanteil mit innovativen Produkten und Dienstleistungen auf. Hochgerechnet auf die Grundgesamtheit entspricht das einem zusätzlichen Umsatz von 13 Milliarden Euro allein in 2012 (oder 0,37 Prozent des BIP). Allerdings zeigen unsere Schätzungen auch, dass dieser Effekt hauptsächlich auf inkrementelle Innovationen beschränkt bleibt, da kein statistisch signifikanter Einfluss auf den Umsatzanteil mit Marktneuheiten festzustellen ist.
Damit kommen wir zu dem Ergebnis, dass die Gesetzesänderung hin zu innovationsfreundlicheren Vergaberegeln als Erfolg angesehen werden kann. Insbesondere zeigt sich keine vergleichbare positive Wirkung für Beschaffungsaufträge ohne innovationsrelevante Zuschlagskriterien. Die Vergaberechtsnovelle in 2009 hat somit die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, die öffentliche Beschaffung als effektives Instrument zur Förderung von Innovationen im Unternehmenssektor einzusetzen. Auf Basis dieser Ergebnisse erwarten wir auch auf europäischer Ebene einen Wachstumseffekt durch die Umsetzung der neuen Vergaberichtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU. Handlungsspielraum besteht jedoch noch bei der spezifischen Anwendung des Instruments.
Im Untersuchungszeitraum zwischen 2010 und 2012 betrug der Anteil der Unternehmen mit innovativen öffentlichen Beschaffungsaufträgen 1,8 Prozent an der Gesamtpopulation (Aschoff et al., 2014). Aufgrund der dokumentierten positiven Effekte, sollte dieser Anteil weiter ausgebaut werden. Darüber hinaus können Maßnahmen zur Erhöhung des Wirkungsbereichs der nachfrageorientierten Innovationsförderung getroffen werden. Um ebenfalls einen stimulierenden Effekt auf Marktneuheiten und radikalere Innovationen zu erzielen, bedarf es einer geeigneten Anreizstruktur und besseren Schulung von Auftraggebern im öffentlichen Sektor. Derzeit stellen eine zu hohe Risikoaversion, sowie fehlendes technisches und marktrelevantes Wissen hier noch ein Hindernis dar.
Appelt, S., und Galindo-Rueda, F. 2016. Measuring the Link between Public Procurement and Innovation[ b ]. OECD Science, Technology and Industry Working Papers 2016/03. Paris: OECD Publishing.
Aschhoff, B., Crass, D., Doherr, T., Hud, M., Hünermund, P., Iferd, Y., Köhler, C., Peters, B., Rammer, C., Schubert, T., und Schwiebacher, F. 2014. Dokumentation zur Innovationserhebung 2013[ c ]. Dokumentation Nr. 14-01. Mannheim, Germany: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
Czarnitzki, D., Hünermund, P., und Moshgbar, N. 2018. Public Procurement as Policy Instrument for Innovation[ d ]. ZEW Discussion Paper No. 18-001.
Europäische Kommission[ e ]. 2017.
Falck, O., und Wiederhold, S. 2013. Nachfrageorientierte Innovationspolitik: Bestandaufnahme und ökonomische Bewertung. Ifo Beiträge zur Wirtschaftsforschung 51.
Lewbel, A. (2012). Using heteroscedasticity to identify and estimate mismeasured and endogenous regressor models. Journal of Business & Economic Statistics 30(1), 67–80.
OECD. 2016. OECD Science, Technology and Innovation Outlook 2016[ f ]. Paris: OECD Publishing.
Wegweiser
GmbH. 2009. "Einkäufer
Staat[ g ]" als Innovationstreiber.
©KOF ETH Zürich, 30. Jan. 2018