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Befristungen: Nötig sind gezielte Maßnahmen und ein breiter Flexibilitätskompromiss

Summary:
Soll die sachgrundlose Befristung abgeschafft werden, oder nicht? Dieser Beitrag rät eher davon ab. Allerdings wäre es wichtig, sowohl mit gezielten Maßnahmen bei Kettenbefristungen anzusetzen als auch das Thema Befristungen in einem breiteren Kontext zu behandeln. Derzeit wird intensiv über eine Abschaffung der Möglichkeit sachgrundloser Befristung diskutiert. Die einen stellen eine ungerechtfertigte Abwälzung von Unsicherheit auf die Arbeitnehmer fest, die anderen sehen die Flexibilität der Betriebe in Gefahr. Ganz von der Hand zu weisen sind Probleme in Bezug auf Befristungen nicht. Nach dem IAB-Betriebspanel stieg der Anteil befristeter Beschäftigter von unter vier Prozent Mitte der 1990er Jahre auf 7,6 Prozent zu Beginn des aktuellen Jahrzehnts, der Anteil sachgrundloser

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Enzo Weber considers the following as important:

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Soll die sachgrundlose Befristung abgeschafft werden, oder nicht? Dieser Beitrag rät eher davon ab. Allerdings wäre es wichtig, sowohl mit gezielten Maßnahmen bei Kettenbefristungen anzusetzen als auch das Thema Befristungen in einem breiteren Kontext zu behandeln.

Derzeit wird intensiv über eine Abschaffung der Möglichkeit sachgrundloser Befristung diskutiert. Die einen stellen eine ungerechtfertigte Abwälzung von Unsicherheit auf die Arbeitnehmer fest, die anderen sehen die Flexibilität der Betriebe in Gefahr. Ganz von der Hand zu weisen sind Probleme in Bezug auf Befristungen nicht. Nach dem IAB-Betriebspanel stieg der Anteil befristeter Beschäftigter von unter vier Prozent Mitte der 1990er Jahre auf 7,6 Prozent zu Beginn des aktuellen Jahrzehnts, der Anteil sachgrundloser Befristungen nahm in Richtung 50 Prozent deutlich zu. Dies geschah parallel zu ähnlichen Entwicklungen etwa bei Minijobs und im Niedriglohnbereich. Trotz der hervorragenden Arbeitsmarktentwicklung gibt es in Deutschland also Beschäftigtengruppen, die mit deutlichen Schwierigkeiten im Arbeitsmarkt konfrontiert sind. Allerdings hat sich der Trend ab dem Jahr 2012 nicht mehr fortgesetzt, das Befristungsniveau stagnierte oder ging leicht zurück. Gegenüber dem früheren Zustand ist es aber noch immer deutlich erhöht.

Die Vorteile einer Befristung

Dennoch droht eine Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Beispielsweise lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung des Entlassungsrisikos, also Übergänge von Beschäftigung in Arbeitslosigkeit, bspw. nach Auslaufen befristeter Verträge: Dieses befindet sich seit Jahren auf einem deutlichen Abwärtstrend und ist mittlerweile auf dem Rekordtief seit der Wiedervereinigung angekommen (Fuchs et al. 2017). Die gute Arbeitsmarktentwicklung mit entsprechender Verknappung von Arbeitskräften zeigt Wirkung. Es ist also nicht so, dass Arbeitnehmer einem immer größeren Risiko von Jobverlusten ausgesetzt wären.

Entsprechend ist befristete Beschäftigung denn auch oft ein Sprungbrett in unbefristete Arbeitsverhältnisse. In deutlich mehr als einem Drittel der Fälle erfolge eine Übernahme in unbefristete Beschäftigung – und in diesem Durchschnitt sind bspw. auch Saisonarbeiter enthalten. Die übrigen Fälle verteilen sich auf Verlängerungen und Beendigungen der Arbeitsverhältnisse (Hohendanner 2014). Hierin spiegelt sich, dass die sachgrundlose Befristung oft als verlängerte Probezeit oder aufgrund von Unsicherheit über den weiteren Personalbedarf genutzt wird. Ohne die Befristungsmöglichkeit bestünde also die Gefahr, dass viele Einstellungen dann erst gar nicht vorgenommen würden, oder dass es zu Ausweichreaktionen etwa auf Leiharbeit oder Werkverträge käme.

Deutlich über dem Durchschnitt liegt das Befristungsniveau im öffentlichen Dienst. Hier geht es aber meist um Befristungen mit Sachgründen, die oft in Vertretungen oder zeitlich begrenzten Haushaltsmitteln begründet liegen (Hohendanner et al. 2016). Für eine Verbesserung der Lage wären hier Maßnahmen wie eine flexiblere Haushaltsbewirtschaftung nötig. Zu befristeten Einstellungen kommt es auch oft bei Akademikern, gerade zu Beginn des Erwerbslebens. Im weiteren Verlauf hat aber gerade diese Gruppe mit Abstand die niedrigste Arbeitslosenquote und die höchste Entlohnung (Söhnlein et al. 2017, Stüber 2017). Trotz anfänglicher Befristung läuft die Arbeitsmarktintegration hier also meist sehr gut.

Die negativen Auswirkungen einer Befristung

Es gibt aber auch kritische Wirkungen von Befristungen, und zwar besonders dann, wenn es zu lang andauernden Kettenbefristungen kommt, die eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration der Betroffenen erschweren und die Familienphase mit Unsicherheit belasten. Beim selben Arbeitgeber ist das länger als zwei Jahre nur mit Sachgrund möglich, in Bezug auf die sachgrundlose Befristung geht es also um Jobs bei verschiedenen Arbeitgebern. Deshalb sind gezielte Maßnahmen gerade in diesem Bereich sowohl bei Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern zu empfehlen. So könnten Arbeitgebern Anreize gesetzt werden, Personen, die schon mehrere Befristungen in anderen Betrieben hinter sich haben, unbefristet einzustellen. Eine Möglichkeit wäre, in solchen Fällen für die ersten Jahre die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu erlassen – schließlich nimmt mit der unbefristeten Einstellung das Arbeitslosigkeitsrisiko ja deutlich ab. Dies wäre in der Umsetzung durchaus praktikabel, müssten doch nur der Meldung zur Sozialversicherung Kopien der letzten Arbeitsverträge beigelegt werden. Zudem sollte die Arbeitsmarktpolitik Personen mit vielen Befristungen Unterstützung und Beratung zur Verfügung stellen. So könnten mit längerem Atem Anstrengungen unternommen und unterstützt werden, Erwerbskarrieren zu verstetigen, unabhängig davon, ob gerade eine Arbeitsuchend- bzw. Arbeitslosmeldung vorliegt.

Allgemein ist anzuraten, das Thema Befristungen in einem breiteren Kontext zu behandeln. Kontroversen über einzelne Regulierungen gab und gibt es viele, etwa zu Leiharbeit, Mindestlohn, Minijobs, Arbeitszeit, Werkverträgen oder eben Befristungen. Von Interesse sind dabei aber eigentlich nicht die Einzelmaßnahmen, sondern insgesamt betriebliche Flexibilität auf der einen und gute Arbeitsbedingungen auf der anderen Seite. Es empfiehlt sich daher, im Gesamtpaket abzustimmen, worauf es entscheidend ankommt, um die notwendige Flexibilität der Betriebe sicherzustellen, und auf welchem Wege Verbesserungen für die Beschäftigten erreicht werden können, ohne die Betriebe empfindlich zu treffen (Weber 2017). Gerade die eher gut etablierten Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen auf sozialpartnerschaftlicher und betrieblicher Ebene könnten für einen solchen Flexibilitätskompromiss genutzt werden.

Fuchs, Johann; Hummel, Markus; Hutter, Christian; Klinger, Sabine; Wanger, Susanne; Weber, Enzo; Zika, Gerd (2017): IAB-Prognose 2017: Der Arbeitsmarkt stellt neue Rekorde auf. IAB-Kurzbericht, 09/2017.

Hohendanner, Christian (2014): Befristete Beschäftigung. Mögliche Auswirkungen der Abschaffung sachgrundloser Befristungen: öffentliche Anhörung von Sachverständigen vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags am 17. März 2014. IAB-Stellungnahme, 01/2014.

Hohendanner, Christian; Ramos Lobato, Philipp; Ostmeier, Esther (2016): Befristete Beschäftigung im öffentlichen Dienst: Öffentliche Arbeitgeber befristen häufiger und kündigen seltener als private. IAB-Kurzbericht, 05/2016. 

Söhnlein, Doris; Weber, Brigitte; Weber, Enzo; Leber, Ute (2017): Qualifikationsspezifische Arbeitslosigkeit. In: J. Möller & U. Walwei (Hrsg.), Arbeitsmarkt kompakt. Analysen, Daten, Fakten. Bielefeld: Bertelsmann, S. 54-56. 

Stüber, Heiko (2017): Bildungserträge. In: J. Möller & U. Walwei (Hrsg.), Arbeitsmarkt kompakt. Analysen, Daten, Fakten. Bielefeld: Bertelsmann, S. 94-95.

Weber, Enzo (2017): Mauert die Betriebe nicht ein! In: Handelsblatt, 14.08.2017, S. 48.

©KOF ETH Zürich, 29. Jan. 2018

Enzo Weber
Enzo Weber ist Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung, insbesondere Makroökonometrie und Arbeitsmarkt, der Universität Regensburg. Er arbeitete als Postdoc an der Universität Mannheim und als Juniorprofessur für Volkwirtschaftslehre an der Universität Regensburg. Zudem war er Forschungsprofessor am IAB.

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