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cash-Interview – «An der Börse sollte man auch mal auf die Schnauze fallen, erst dann lernt man»

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Cash.ch: Frau Gilgen, Sie sind stellvertretende Leiterin Einwohnerdienste bei einer Berner Gemeinde. In der Freizeit sind Sie aber auch aktiv auf der Social Trading Platform Wikifolio. Worauf achten Sie beim Aktienkauf? Sarah Gilgen: An allererster Stelle steht das Geschäftsmodell, welches zukunftsträchtig sein muss. Es muss eine Wachstumsphantasie dahinterstecken. Disney überzeugt mich beispielsweise mit seinem Schritt in das Streaming-Geschäft. Andererseits ist mir der langfristige Blick wichtig. Ich setze nur auf Aktien, die ich langfristig in meinem Portfolio halten möchte. Zudem sollte man der Versuchung widerstehen, Aktien bei guter Performance zu schnell zu verkaufen. Und dann spielen natürlich auch die Bewertungen eine Rolle, also der quantitative Aspekt. Der letzte Punkt macht die

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Interview: Henning Hölder considers the following as important:

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cash.ch: Frau Gilgen, Sie sind stellvertretende Leiterin Einwohnerdienste bei einer Berner Gemeinde. In der Freizeit sind Sie aber auch aktiv auf der Social Trading Platform Wikifolio. Worauf achten Sie beim Aktienkauf?

Sarah Gilgen: An allererster Stelle steht das Geschäftsmodell, welches zukunftsträchtig sein muss. Es muss eine Wachstumsphantasie dahinterstecken. Disney überzeugt mich beispielsweise mit seinem Schritt in das Streaming-Geschäft. Andererseits ist mir der langfristige Blick wichtig. Ich setze nur auf Aktien, die ich langfristig in meinem Portfolio halten möchte. Zudem sollte man der Versuchung widerstehen, Aktien bei guter Performance zu schnell zu verkaufen. Und dann spielen natürlich auch die Bewertungen eine Rolle, also der quantitative Aspekt.

Der letzte Punkt macht die Aktienauswahl derzeit schwierig.

Ja, hier wird es natürlich teilweise schon heikel. Die Apple-Aktie hat derzeit ein Kursgewinnverhältnis (KGV) von 40, was mich natürlich etwas zur Vorsicht zwingt. Die Zinssituationen, insbesondere die Negativzinsen, rechtfertigen zwar eine KGV-Bewertung über den langfristigen Schnitt, jedoch sehe ich da auch gewisse Grenzen.

Sie haben kürzlich bei Lonza hinzugekauft. Der Titel lief 2020 enorm gut. Ist Ihnen bei dem Kurs nicht schwindlig geworden?

Nein, Lonza ist ein grosse Pharmazulieferer, der seine Kapazitäten stets weiter ausbaut und dadurch weiteres Potential im Aktienkurs ermöglicht. Corona verstärkte natürlich die Aufmerksamkeit um Lonza. Das Unternehmen strebt aber eine langfristige Ausrichtung an, das macht mich zuversichtlich und passt zu meinem Portfolio.

Auch jenseits von Corona?

Auf jeden Fall. Die guten Perspektiven der Unternehmen in der Pharmabranche haben nicht nur mit der Pandemie zu tun. Ich konzentriere mich auf Unternehmen, die eine gewisse Grösse haben sowie ein funktionierendes Geschäftsmodell, das vor, während, aber auch nach Corona funktioniert.

Roche haben Sie hingegen Anfang Januar aus dem Depot geschmissen. Warum?

Bei Roche haben mich die Zahlen enttäuscht. Zudem wollte ich ohnehin mein Depot etwas weniger Pharma-lastig aufstellen.

Auch Amazon haben Sie Anfang Januar aus dem Depot gekippt. Ist hier der gute Lauf erstmal zu Ende?

Während der Corona-Krise sind natürlich viele Leute auf Online-Shopping umgestiegen, wovon Amazon selbstverständlich profitiert hat. Handkehrum ist die Aktie so gut gelaufen, dass ich mittelfristig weiteres Wachstumspotential im Kurs für schwierig erachte. Die Marktkapitalisierung von Amazon beträgt mittlerweile rund 1,5 Billionen Dollar.

A propos überbewerte Aktien: Sie haben Tesla im Depot und 2020 zwei Mal Teilverkäufe getätigt. Staunen Sie auch über die Tesla-Rally, die einfach nicht enden will?

Tesla ist ein sehr interessantes Unternehmen, von dem ich nach wie vor überzeugt bin. Tesla ist meines Erachtens kein klassischer Autobauer, sondern ein Technologieunternehmen. Zudem erweitert Tesla seine Produktionsstandorte laufend weiter. Derzeit sehen wir das bei der Gigafactory Berlin-Brandenburg. Besonders die Automatisierung bei der Produktion, unter Einsatz von Robotern, beeindruckt mich bei Tesla - sowie Elon Musk als Person selbst.

Bei Wikifolio ist Ihre grösste Position Zalando. Sehen Sie beim Online-Versandhändler auch nach Corona noch Potenzial?

Ja, weil ich davon ausgehe, dass Corona das Verhalten der Menschen nachhaltig verändern wird, zumindest in gewissen Bereichen. Durch die Pandemie lernten auch jene Leute Online-Shopping zu schätzen, die zuvor weniger damit anfangen konnten. Zudem baut Zalando sein Produktportfolio laufend aus. Sie haben ja längst nicht mehr nur Kleider, sondern auch Pflegeprodukte, Schmuck und noch andere Dinge. Die Wachstumsstory ist hier in Takt. Zalando hat Stärken, die sie laufend ausbauen können.

Gibt es einen Trend, den Sie in den nächsten Jahren besonders im Auge haben werden?

In den nächsten vier bis fünf Jahren sehe ich vor allem einen Wandel bei den Ernährungsgewohnheiten. Die Menschen wollen sich bewusster, gesünder und nachhaltiger ernähren und etwas zum Umweltschutz beitragen. Daher werden in Zukunft Unternehmen immer häufiger in den Fokus rücken, die der bewussten Ernährungsform Rechnung tragen.

Was war ihr grösster Erfolg an der Börse?

Tesla hat mir in letzter Zeit natürlich viel Freude bereitet. Doch auch mit Zalando bin ich bisher sehr gut gefahren. Dies rückblickend für die vergangenen 12 Monate.

Und jetzt Hand aufs Herz: Wo lagen Sie so richtig daneben?

Bei Barrick Gold. Die Aktie des Goldförderers habe ich gekauft, um noch vom steigenden Goldpreis zu profitieren. Das hat zu Beginn auch noch recht gut funktioniert. Mittlerweile bin ich hier aber im Minus. Doch auch hier gilt es, die langfristige Sichtweise beizubehalten. Ich bin zuversichtlich, dass sich Barrick Gold in nächster Zeit wieder erholen wird.

In Ihrem Wikifolio-Depot beträgt Ihr Cash-Anteil 41 Prozent. Das ist ziemlich hoch. Erwarten Sie demnächst einen Crash, um dann zugreifen zu können?

Ich erwarte einfach nicht, dass es mit der Performance derart gut weitergehen kann. Natürlich wird viel Geld in den Markt 'gepumpt'. Doch mittelfristig gesehen, also in den nächsten zwei bis drei Jahren, muss sich das Verhältnis zwischen der wirtschaftlichen Realität und den Bewertungen an den Märkten zwangsläufig wieder etwas glätten. Am Ende des Tages korrelieren Aktienkurse mit den Unternehmensgewinnen, über eine lange Zeitperiode betrachtet. Das wird sich irgendwann wieder einspielen müssen. Momentan würde ich zu einer Cash-Quote von 20-25 Prozent raten.

Also erwarten Sie eine stärkere Korrektur?

Ich spreche nicht von einem Crash, aber eine Korrektur von rund 10-15 Prozent ist sicher ein mögliches Szenario und wäre wohl auch gesund für die Märkte. Das Gute ist: Wenn man langfristig investiert ist, muss das einen nicht all zu sehr aus der Ruhe bringen.

Tagsüber sind Sie wie erwähnt stellvertretende Leiterin Einwohnerdienste bei einer Berner Gemeinde. Am Abend beschäftigen Sie sich zwischendurch mit Aktien. Wie sind Sie zur Börse gekommen?

Ich habe durch meinen Job eher weniger mit Zahlen zu tun. Doch mich reizte der Aktienhandel. Vor sechs Jahren hat mich schliesslich mein Lebenspartner an das Thema herangeführt. Mich faszinierte die Idee, nebenbei, also neben dem normalen Job, an den Aktienmärkten aktiv zu sein und Geld zu verdienen. Seitdem befasse ich mich intensiver mit dem Thema, lese viel darüber, schaue Youtube-Videos und tausche mich mit anderen über die Börse aus.

Haben Sie einen Tipp für Neulinge an der Börse?

Breit diversifiziert zu sein, schadet nie. Für Neulinge ist dies aber umso wichtiger. Ich rate jedem, der neu an die Börse geht, ein möglichst breites Depot zu führen mit vielen Titeln. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass von zehn Aktien drei bis vier weniger gut laufen. So ist es umso besser, wenn man diversifiziert ist. Und dass eine Aktie mal richtig mies läuft, ist vielleicht auch gar nicht so schlecht. Zudem möchte ich auch die Frauen dazu ermutigen, sich mehr mit dem Aktienhandel auseinanderzusetzen und zu investieren.

Inwiefern ist eine miese Performance bei einer Aktie gut?

Nun ja, um es vielleicht etwas plakativ zu sagen: Jede Anlegerin und jeder Anleger sollte auch mal auf die Schnauze fallen, um zu sehen, dass es an der Börse nicht nur bergauf gehen kann. Der Lerneffekt ist entsprechend umso grösser.

Im Moment scheint es aber leider schwierig zu sein, 'auf die Schnauze zu fallen'. Der Markt geht hoch, auch wenn die Wirtschaft noch so gebeutelt wird.

Das ist genau das Problem. Viele aus meinem Bekanntenkreis sind beim Corona-Crash neu in den Markt eingestiegen. Sie kennen nur positive Vorzeichen in ihren Portfolios. Da neigt man dann schnell dazu, zu glauben, das würde immer so weitergehen. Das kann natürlich verheerend für das Risikoverhalten sein. Gewisse Vorsicht ist somit immer angebraucht.

Sarah Gilgen ist aktive Traderin auf der Social Trading Platform Wikifolio. Auf dieser Platform führen Anlegerinnen und Anleger Musterdepots, die öffentlich einsehbar sind. Andere Teilnehmer können sich an diesen Musterdepots orientieren, oder sich mittels Kauf entsprechender Musterdepot-Zertifikate direkt an ihnen beteiligen. Die Performance von Gilgens Depot mit dem Namen "future19" beträgt derzeit +20,3 Prozent (seit 17.11.2019). 

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