Weshalb sollten Flüchtlinge so schnell wie möglich arbeiten dürfen? Und wo könnte ein Zielkonflikt bestehen? Flüchtlinge in der Bahnhofshallen von Budapest. Bild: Wikipediahttps://commons.wikimedia.org/wiki/File:Refugees_Budapest_Keleti_railway_station_2015-09-04.jpg - Rebecca Harms Gut möglich, dass eine restriktive Migrationspolitik Leben retten könnte, weil Wirtschaftsflüchtlinge weniger Anreize hätten den gefährlichen Weg nach Europa auf sich zu nehmen. Möglich auch, dass Europa mit einer konsequenten Einwanderungspolitik mit weniger Problemen konfrontiert wäre und dass einige Afrikanische Länder besser fahren würden, wenn nicht Scharen von arbeitskräftigen Menschen ihr Land verliessen. Diese Analysen des Ökonomen und Afrikaexperten Paul Collier (mehr in diesem Bloghttps://www.iconomix.ch/de/blog/1120-mit-lotterien-gegen-das-ertrinken/) scheinen stimmig und eine eher restriktive Migrations- und Flüchtlingspolitik mag langfristig die beste Lösung für Entwicklungs- und Industrieländer sein. Doch könnte es sein, dass wie so oft die beste Lösung nicht umsetzbar – oder es dafür schlicht zu spät ist? Fakt ist: Tausende von Flüchtlingen haben die Tore Europas passiert und viele von ihnen werden den Heimweg vorerst nicht antreten. Auch ohne hellseherischen Fähigkeiten kann man voraussagen, dass der Zustrom von Flüchtlingen in absehbarer Zeit nicht versiegen wird.
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Weshalb sollten Flüchtlinge so schnell wie möglich arbeiten dürfen? Und wo könnte ein Zielkonflikt bestehen?
Gut möglich, dass eine restriktive Migrationspolitik Leben retten könnte, weil Wirtschaftsflüchtlinge weniger Anreize hätten den gefährlichen Weg nach Europa auf sich zu nehmen. Möglich auch, dass Europa mit einer konsequenten Einwanderungspolitik mit weniger Problemen konfrontiert wäre und dass einige Afrikanische Länder besser fahren würden, wenn nicht Scharen von arbeitskräftigen Menschen ihr Land verliessen.
Diese Analysen des Ökonomen und Afrikaexperten Paul Collier (mehr in diesem Bloghttps://www.iconomix.ch/de/blog/1120-mit-lotterien-gegen-das-ertrinken/) scheinen stimmig und eine eher restriktive Migrations- und Flüchtlingspolitik mag langfristig die beste Lösung für Entwicklungs- und Industrieländer sein. Doch könnte es sein, dass wie so oft die beste Lösung nicht umsetzbar – oder es dafür schlicht zu spät ist?
Fakt ist: Tausende von Flüchtlingen haben die Tore Europas passiert und viele von ihnen werden den Heimweg vorerst nicht antreten. Auch ohne hellseherischen Fähigkeiten kann man voraussagen, dass der Zustrom von Flüchtlingen in absehbarer Zeit nicht versiegen wird. Europa täte daher gut daran, das Beste aus der Situation zu machen – sowohl für Zuwanderer, als auch für die Europäer.
Trotz furchteinflössenden Filmen von IS-Kämpfern und herzzerreissenden Bildern von angeschwemmten Kindern dominiert in weiten Teilen Europas das Bild des illegalen Wirtschaftsmigranten, welcher die aktuelle Krise ausnutzt um von den Annehmlichkeiten Europas zu profitieren.
Tatsächlich ist die Unterscheidung zwischen Menschen, die an Leib und Leben bedroht werden, und solchen die dem wirtschaftlichen Elend in ihrem Land entfliehen möchten, juristisch und moralisch schwierig. Kommt hinzu, dass letzten Endes in jedem anerkannten Flüchtling wohl auch ein Wirtschaftsflüchtling schlummert, der neben dem sicheren Hafen Europas, auch nichts gegen zusätzlichen Wohlstand auszusetzen vermag.
Es gibt aber auch gute ökonomische Gründe, dem Durchschlüpfen des einen oder anderen Wirtschaftsmigranten mit etwas mehr Gelassenheit gegenüber zu stehen. Ein Blick auf die Alterspyramide zeigt schnell, dass viele Länder Europas auf junge Arbeitskräfte angewiesen sind. Kommt hinzu, dass Flüchtlinge wahrscheinlich fleissige Arbeitskräfte sein werden: Wer Meilen durch Wüsten stampfte und sich in schiffbrüchigen Kähnen über das Mittelmeer wagte, wird wohl weder Faulpelz noch Feigling sein.
Dank den vergleichsweise gut funktionierenden Institutionen Europas sind Flüchtlinge hier gleich ein Vielfaches produktiver als im krisengeschüttelten Heimatland – und verdienen auch dementsprechend mehr.
«Lasst sie arbeiten»
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Flüchtlinge so schnell wie möglich arbeiten dürfen. «Lasst sie arbeiten», plädiert der Economist in einem kürzlich erschienen Artikelhttp://www.economist.com/news/leaders/21662547-bigger-welcome-mat-would-be-europes-own-interest-let-them-and-let-them-earn. Dies auch vor dem Hintergrund der kulturellen Unterschiede, das Unbehagen bei vielen Menschen auslöst. Wer arbeitet, wird sich besser in die Gesellschaft integrieren.
Die Devise sollte also lauten: Schnell die Sprache lernen und dann ab in den Arbeitsmarkthttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/arbeitsmarkt/ – sofern es der körperliche und geistige Zustand erlaubt. Doch wie so oft birgt auch diese Politik eine Schattenseite. Die NZZhttp://www.nzz.ch/meinung/reflexe/ein-klassischer-zielkonflikt-1.18606010 spricht von einem klassischen Zielkonflikt: Spricht sich nämlich herum, dass Asylbewerber schnell gut verdienen, wird das Aufnahmeland attraktiver – und dies nicht nur für «echte» Flüchtlinge, sondern auch für Wirtschaftsflüchtlinge.
Ein anderer Stein des Anstosses ist die Auswirkung der zusätzlichen Arbeitskräfte auf die Löhne der Europäer. Sinken dann die Löhne der Alteingesessenen? Ob und wie stark sich die Migrationhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/migration/ auf den Arbeitsmarkthttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/arbeitsmarkt/ auswirkt, ist unklar. Wenn auch gewisse sehr gut gebildete Migranten den Weg nach Europa suchen, so ist das Gros der Flüchtlinge im Vergleich zu Europa wohl eher schlecht ausgebildet. Lohndruck dürfte daher vor allem in Niedriglohnbereich auftreten.
Aufschwung in Jordanien
Dass Flüchtlinge nicht einfach nur eine Belastung für die Wirtschaft sind, zeigt das Beispiel Jordanien. Obwohl Flüchtlinge die ohnehin knappen Ressourcen wie Wasser und Strom zusätzlich belasten, hat ihr Eintreffen auch positive Folgen für die Jordanische Wirtschaft. Im Gegensatz zu vielen anderen Flüchtlingen, schicken Syrer ihr Geld nicht nach Hause zu Verwandten, sondern geben es direkt in Jordanien aus. Grund: eine Überweisung ins kriegserschütterte Heimatland ist schlicht zu riskant.
Zudem sind nicht nur Flüchtlinge aus Syrien gekommen. In den ersten Jahren des Krieges haben viele syrische Firmen, Böses ahnend, ihren Sitz nach Jordanien verlegt, wie die NZZhttp://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/das-gastgeschenk-der-verfolgten-1.18607206 schreibt. Gemäss Schätzungen flossen über 1 Milliarde Dollar in die Jordanische Wirtschaft, was das Realwachstum anstiegen liess.
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Zum Thema:
- The Economist. Let the in an let them earnhttp://www.economist.com/news/leaders/21662547-bigger-welcome-mat-would-be-europes-own-interest-let-them-and-let-them-earn. Why a bigger welcome for migrants would be in Europe’s own interest. (29.08.2015)
- The Economist. Looking for a homehttp://www.economist.com/news/europe/21662597-asylum-seekers-economic-migrants-and-residents-all-stripes-fret-over-their-place-looking. (29.08.2015)
- NZZ. Das Gastgeschenk der Verfolgtenhttp://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/das-gastgeschenk-der-verfolgten-1.18607206. (04.09.2015)
- Die Zeit. Wir investieren. Wir profitieren. Oder?http://www.zeit.de/2015/17/fluechtlinge-migration-nutzenhttps://www.iconomix.ch/de/service/glossar/details/detail/default/migration/-schaden Eine Kosten-Nutzen-Rechnung über Flüchtlinge. (23.04.2015)
Patrick Keller, Ökonom, MA der Universität Zürich, ehemaliger Praktikant bei iconomix.
Dies ist ein Gastbeitrag. Inhaltlich verantwortlich ist der jeweilige Autor, die jeweilige Autorin.