Urs Birchler Am Tag, als die Nationalbank Negativzinsen auf ihren Girokonti einführte, schrieb ich hier naiv, allzu negativ könnten die Zinsen nicht werden. Sonst würden die Banken ihre Giroguthaben lastwagenweise in bar bei der SNB abholen. Jedoch: so klar ist dies anscheinend nicht. These: Die Zürcher Rechtsprofesssorin Corinne Zellweger-Gutknecht argumentiert in der ZfPW (3/2015, S. 350-375), dass gemäss Währungs- und Zahlungsmittelgesetz (WZG) aus dem Jahre 2000 die Giroguthaben der Banken bei der SNB (gegenüber den Inhabern von Girokonti) gesetzliche Zahlungsmittel sind. Im Klartext: Die SNB könnte einer Bank (oder Pensionskasse) den Umtausch von Giroguthaben in Bargeld verweigern. Als Folge könnte die Bank ihrerseits ihren Kunden die Auszahlung von Banknoten als objektiv unmöglich verweigern. Sitzen wir mit unseren Bankguthaben also längerfristig in der Negativzins-Falle? Antithese: Widerspruch kommt beispielsweise vom ehemaligen Chefjuristen der SNB, Hans Kuhn. Erstens habe die SNB gemäss Notenbankgesetz (NBG) die Pflicht, die Bargeldversorgung zu gewährleisten. Zweitens gehe aus den Materialien klar hervor, dass der Gesetzgeber die SNB nicht vom Umtausch der Giroguthaben in Bargeld habe entbinden wollen.
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Urs Birchler
Am Tag, als die Nationalbank Negativzinsen auf ihren Girokonti einführte, schrieb ich hier naiv, allzu negativ könnten die Zinsen nicht werden. Sonst würden die Banken ihre Giroguthaben lastwagenweise in bar bei der SNB abholen. Jedoch: so klar ist dies anscheinend nicht.
These: Die Zürcher Rechtsprofesssorin Corinne Zellweger-Gutknecht argumentiert in der ZfPW (3/2015, S. 350-375), dass gemäss Währungs- und Zahlungsmittelgesetz (WZG) aus dem Jahre 2000 die Giroguthaben der Banken bei der SNB (gegenüber den Inhabern von Girokonti) gesetzliche Zahlungsmittel sind. Im Klartext: Die SNB könnte einer Bank (oder Pensionskasse) den Umtausch von Giroguthaben in Bargeld verweigern. Als Folge könnte die Bank ihrerseits ihren Kunden die Auszahlung von Banknoten als objektiv unmöglich verweigern. Sitzen wir mit unseren Bankguthaben also längerfristig in der Negativzins-Falle?
Antithese: Widerspruch kommt beispielsweise vom ehemaligen Chefjuristen der SNB, Hans Kuhn. Erstens habe die SNB gemäss Notenbankgesetz (NBG) die Pflicht, die Bargeldversorgung zu gewährleisten. Zweitens gehe aus den Materialien klar hervor, dass der Gesetzgeber die SNB nicht vom Umtausch der Giroguthaben in Bargeld habe entbinden wollen. Tatsächlich stellt die Botschaft zum WGZ die Giroguthaben den übrigen gesetzlichen Zahlungsmitteln dem Bargeld gerade deshalb gleich, da sie jederzeit in Bargeld umgetauscht werden könnten (Punkt 213.4). Also: Keine Sorge.
Synthese (Versuch): Was hätte der Gesetzgeber beim Erlass des WGZ im Jahre 2000 gewollt, wenn er gewusst hätte, dass die SNB dereinst Negativzinsen einführen würde. An solche hat damals niemand gedacht: Die SNB darf gemäss Notenbankgesetz „verzinsliche oder unverzinsliche Konten“ für Banken führen. Ein Negativzins ist nicht einmal erwähnt. Der heutige Chefjurist der SNB, Martin Plenio, argumentiert aber in der SZW/RSDA (5/2015, S. 527-535), Negativzinsen seien möglich aufgrund der ratio legis, aufgrund dessen also, was der Gesetzgeber letztlich gemeint habe oder gemeint hätte. Was aber ist die ratio legis bezüglich der Umwandlung von Giroguthaben in Bargeld bei negativen Zinssätzen? Hätte der Gesetzgeber, wenn er denn an Negativzinsen gedacht hätte, deren Umgehung durch massenweise Abzüge von Bargeld zulassen wollen? Oder hätte er dann den Wortlaut des WZG, dass Giroguthaben gesetzliche Zahlungsmittel sind, auch als Schutz der Geldpolitik vor „Notenflucht“ gesehen? Und: Schliesst die Aufgabe, die Bargeldversorgung sicherzustellen, tatsächlich die schrankenlose Auszahlung von Noten zu Hortungszwecken ein?
Wie ein Gericht entscheiden würde, weiss ich nicht. Es scheint gemäss Hans Kuhn nicht einmal offenkundig, welches Gericht in einem konkreten Fall zuständig wäre. Solange nichts entschieden ist, sitzt in solchen Fällen derjenige am längeren Hebel, der das Geld hat — im vorliegenden Fall die SNB. Zu beneiden ist sie deswegen nicht. Im Gegenteil: Fiele die Schweizer Wirtschaft wirklich in eine tiefe Depression, oder stürzte der Euro nochmals ab, stünde die SNB vor der Wahl, mehr oder minder tatenlos zuzusehen oder stark negative Zinsen durchzusetzen und Notenabzüge zu beschränken. Recht könnte sie es — wie die Wechselkursdiskussion zeigt — kaum jemandem machen.