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Verlockung der Macht

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Jahrhundertelange Forschung und Erfahrung haben gezeigt, dass der Liberalismus kultur-, länder- und religionsübergreifend die beste Ordnung zur Förderung von Frieden, Freiheit und Prosperität ist. Dennoch konnte eine solche offene Gesellschaft noch nirgendwo auf der Welt jemals vollständig verwirklicht werden, sondern immer nur in Teilbereichen. Dies ist vor allem der ärgsten Widersacherin des Liberalismus geschuldet: der Macht. Kann der Leviathan durch geeignete Verfassungsbestimmungen gebändigt werden? Welche Rolle kommt dabei dem politischen Wettbewerb, der Demokratie und dem geschützten Privateigentum zu? Inwiefern ist die Sprache ein Instrument zur Erlangung und Verteidigung von Macht? Im Rahmen der LI-Konferenz vom 24. Mai 2022 wurden diese Fragestellungen vertieft diskutiert.

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Jahrhundertelange Forschung und Erfahrung haben gezeigt, dass der Liberalismus kultur-, länder- und religionsübergreifend die beste Ordnung zur Förderung von Frieden, Freiheit und Prosperität ist. Dennoch konnte eine solche offene Gesellschaft noch nirgendwo auf der Welt jemals vollständig verwirklicht werden, sondern immer nur in Teilbereichen. Dies ist vor allem der ärgsten Widersacherin des Liberalismus geschuldet: der Macht.

Verlockung der Macht

Kann der Leviathan durch geeignete Verfassungsbestimmungen gebändigt werden? Welche Rolle kommt dabei dem politischen Wettbewerb, der Demokratie und dem geschützten Privateigentum zu? Inwiefern ist die Sprache ein Instrument zur Erlangung und Verteidigung von Macht?

Im Rahmen der LI-Konferenz vom 24. Mai 2022 wurden diese Fragestellungen vertieft diskutiert. Der Anlass war zugleich die Buchvernissage des neuen Bands der Edition Liberales Institut mit dem Titel «Verlockung der Macht: Die Kunst, die offene Gesellschaft zu verteidigen» (herausgegeben von Olivier Kessler).

Einführend stellte LI-Direktor Olivier Kessler klar, was unter dem Begriff der Macht zu verstehen sei, wenn diese als Hauptwidersacherin des Liberalismus präsentiert werde. Es sei damit jene Macht gemeint, die es einem Einzelnen oder einer Gruppe von Menschen erlaube, anderen ihren Willen durch die Androhung oder Ausübung physischer Gewalt aufzunötigen. Es gehe nicht um die Fähigkeit, seine Mitmenschen mit guten Argumenten oder Angeboten zu überzeugen, sondern diese gegen ihren Willen zu Handlungen oder Unterlassungen zu zwingen, die sie ablehnen würden, wenn sie die freie Wahl hätten.

In der Geschichte bis und mit heute sei Macht mit wandelnden Argumenten legitimiert worden. Oftmals gehe die Rechtfertigung für eine «legalisierte» Zwangsanwendung durch den Staat mit der Verabsolutierung eines Werts einher. Irgendetwas — sei es eine Ideologie, eine Religion, eine wissenschaftliche Disziplin oder Studie, die Sicherheit, die Umwelt, das Klima, die Gesundheit etc. — werde dabei verklärt und als wichtiger als alle anderen Werte dargestellt, weshalb man diesem um jeden Preis mit politischem Zwang zur Durchsetzung verhelfen müsse. Verschiedene Interessengruppen würden dabei aber unterschiedliche Werte favorisieren, gewichten und priorisieren. Wenn viele dieser Gruppen auf staatlichen Zwang als Durchsetzungsinstrument ihrer Interessen setzten, sei das Ergebnis eine wachsende Machtballung beim Staatsapparat und eine zunehmende Entmachtung der Bürger in immer mehr Lebensbereichen.

Sehen Sie sich hier die Einführung von Olivier Kessler als Video an:

In ihrem Referat befasste sich Claudia Wirz, Publizistin, Linguistin und Stiftungsrätin beim Liberalen Institut, mit der Sprache der Macht. Sie zeigte auf, dass die gelebte sprachliche Vielfalt in der Schweiz auch ein Hinweis auf die freiheitlich-föderalistische Politkultur im Land sei. Niemand fühle sich von den Dialekten der anderen bedroht und kaum jemand nehme Anstoss an der sprachlichen Andersartigkeit seiner Mitmenschen. Es gebe folglich keine Bestrebungen, die vielen Dialekte durch eine Einheitssprache zu ersetzen, wie das insbesondere in unfreiheitlichen Ländern zu beobachten sei.

Machtpolitik gehe oft einher mit der Kontrolle der Sprache. Im Vielvölkerstaat China etwa würden die turksprachigen Uiguren massiv unterdrückt, während Mandarin als Sprache der politischen Elite gelte. Diese Elite versuche die Assimilierung der Uiguren voranzutreiben, indem sie auf die Strategie einer rigoros durchgesetzten Standardsprache setze. Auch der aktuelle Ukraine-Konflikt sei unter anderem mit der angeblichen Unterdrückung russischsprachiger Minderheiten legitimiert worden. Doch nicht nur das politische Erzwingen einer Einheitssprache sei Ausdruck eines unfreiheitlichen Systems: Auch die angestrebte Kontrolle darüber, was die Leute inhaltlich sagen dürften und was nicht, sei ein deutlicher Hinweis darauf. So drohe Russen etwa 15 Jahre Gefängnis, wenn sie im aktuellen Kontext überhaupt nur schon das Wort «Krieg» in den Mund zu nehmen wagten. Auch in der Schweiz gebe es heute leider diese Tendenzen: Sprachliche Normierung werde vor allem von ideologisch motivierten NGOs, Aktivisten und Medien vorangetrieben, die versuchten, allgemeinverbindliche Sprachregeln durchzusetzen, wobei sie Abweichler gnadenlos diffamierten. Das sei gefährlich. Denn wenn die sprachliche Freiheit abgeschafft werde, sei es auch mit der Abschaffung der restlichen Freiheiten nicht mehr weit.

Sehen Sie sich hier das Referat von Claudia Wirz als Video an:

Florian Follert, Assistant Professor für Unternehmensrechnung und Sportökonomik an der Privatuniversität Schloss Seeburg im österreichischen Seekirchen, präsentierte anschliessend einen möglichen Reformvorschlag, um politische Macht zu begrenzen. Im Privaten sei es eine Selbstverständlichkeit, dass man für angerichtete Schäden hafte. Dass Politiker für jene Schäden, die sie verursachten, nicht haftbar gemacht werden könnten, sei ein schwerwiegende Fehler des heutigen Systems. Die Einführung einer Politikerhaftung sei ein mögliches Instrument, wie das Vertrauen der Wähler in die Politiker gestärkt werden könnte.

Aus der Ökonomik wisse man, dass Menschen auf Anreize reagierten. Damit die Politiker es in ihrem Amt nicht zu bunt trieben, gelte es, die Handlungsspielräume zu begrenzen und die Kosten der Amtshaber für fehlerhafte Entscheidungen zu erhöhen. Es brauche zwar einen Haftungsfreiraum, damit aus lauter Angst keine wichtigen Reformen mehr angepackt würden. Allerdings könnte man darüber nachdenken, analog des deutschen Aktienrechts, in welchem es eine Vorstandshaftung gebe, ein Mechanismus einzuführen, der die Politiker zu einer Beweislast zwinge. Es gelte im Zweifelsfall den Beweis zu erbringen, dass der Politiker seine Entscheidung auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl des Volkes getroffen habe. Voraussetzung einer Politikerhaftung sei auch die Versicherbarkeit, wobei man hier eine entsprechende Haftpflichtversicherung für Politiker einführen könnte mit einem Selbstbehalt, der so hoch angesetzt sei, dass den Politiker offensichtliche Fehlentscheidungen schmerzen würden.

Sehen Sie sich hier das Referat von Florian Follert als Video an:

In seinem Referat zeigte Robert Nef, Publizist und Stiftungsrat am Liberalen Institut, auf, welchen Beitrag die Demokratie bei der Begrenzung staatlicher Macht leisten kann. Demokratiekritik sei aus liberaler Sicht wichtig, denn Selbstbestimmung sei wichtiger als Mitbestimmung und die Überhöhung der Demokratie sei gefährlich. Aber man müsse die Demokratie nicht gleich abschaffen. Vielmehr gelte es, sie in jene Schranken zu weisen, innerhalb jener sie tatsächlich einen Beitrag zur Begrenzung der Macht leisten könne. Je weniger kollektive und allgemeinverbindliche Entscheidungen gefällt würden, desto besser für die Freiheit und für die kommenden Generationen. Das demokratische Mehrheitsprinzip garantiere einerseits einen unblutigen Machtwechsel, andererseits allerdings kaum eine Zähmung der Macht per se.

Durchaus machtbeschränkend könnten Referenden im Sinne eins Volksvetos wirken, gerade wenn neue Steuern und Regulierungen eingeführt werden sollen. Theoretisch denkbar seien auch Volksinitiativen mit liberalen Ansinnen, die zu einem Rückbau der staatlichen Macht führen könnten, wobei hier oftmals starke Sonderinteressen-Gruppierungen ihre Privilegien durch propagandistische Demagogie zu verteidigen verstehen. Es sei nicht auszuschliessen, dass in Demokratien, die auf konkurrierenden kleineren, ebenfalls demokratisch organisierten Einheiten aufbauten, durch die dauernden Vergleichsmöglichkeiten der Resultate und das leicht zu praktizierende «Abstimmen mit den Füssen» so etwas wie «aufgeklärte Mehrheiten» entstünden, welche zu «Hütern der Freiheit» würden, die die fremdbestimmende Umverteilung im intelligenten Eigeninteresse der jeweiligen Gebietskörperschaft limitierten.

Sehen Sie sich hier das Referat von Robert Nef als Video an:

In der darauffolgenden Diskussion mit dem Publikum wurde unter anderem die Politikerhaftung als mögliche Reformidee weiter vertieft. Es wurde zu bedenken gegeben, dass eine solche Haftung diverse Herausforderungen mit sich bringe. Beispielsweise sei es schwierig, zu bestimmen, was nun das «Wohl des Volkes» genau beinhalte, weil es nur individuelle Präferenzen gäbe, die man jedoch nicht zu einer kollektiven Volks-Präferenz aggregieren könne, weil sich diese individuellen Bedürfnisse oftmals untereinander widersprächen. Demgegenüber wurde argumentiert, dass man sich durchaus auf grundlegende Mechanismen wie die Goldene Regel einigen könnte, dass man also anderen nicht das antun dürfe, was man selbst nicht möchte, das einem angetan wird (also z.B. andere zu bestehlen).

Doch der Zweifel blieb, dass man Politiker letztlich doch nicht haftbar machen könne, weil diese dann einfach entsprechende Studien zu ihrer Entlastung anfertigen würden und auf weitere Tricks zurückgreifen würden, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Dem entgegnet wurde, dass es bei der Politikerhaftung weniger darum gehe, dass der Haftungsfall tatsächlich eintrete, sondern dass die Politiker ihre Entscheidungen wohlüberlegter treffen würden und dass es da eine Art Damoklesschwert gebe, das überstürzte Entscheide verhindere — wie etwa die kurzschlussartige Abkehr von der bisherigen Energiestrategie, die in Deutschland zwei bis drei Tage nach Fukushima beschlossen wurde.

Bestellen Sie hier das neue Buch der Edition Liberales Institut von Olivier Kessler (Hrsg.) «Verlockung der Macht: Die Kunst, die offene Gesellschaft zu verteidigen».

25. Mai 2022

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