In letzter Zeit wird zunehmend versucht, die Eigenverantwortung als ein untaugliches Konzept darzustellen, um den liberalen Rechtsstaat zugunsten eines intervenierenden Wohlfahrtstaates zurückzudrängen: Viele Menschen seien gar nicht dazu in der Lage, für sich zu sorgen oder sich selbst zu schützen. Den modernen Herausforderungen könne man nur mit umfangreicher staatlicher Unterstützung begegnen. Doch rechtfertigt der Umstand, dass es tatsächlich Menschen ohne Fähigkeit zur Selbstverantwortung gibt, ein immer stärkeres Aushebeln dieses elementaren Prinzips des friedvollen Zusammenlebens? Was sind die Vorzüge einer auf der Ethik der Eigenverantwortung basierenden Gesellschaftsordnung? Und läuft das Konzept der «sozialen Verantwortung» nicht auf eine kollektive Verantwortungslosigkeit
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In letzter Zeit wird zunehmend versucht, die Eigenverantwortung als ein untaugliches Konzept darzustellen, um den liberalen Rechtsstaat zugunsten eines intervenierenden Wohlfahrtstaates zurückzudrängen: Viele Menschen seien gar nicht dazu in der Lage, für sich zu sorgen oder sich selbst zu schützen. Den modernen Herausforderungen könne man nur mit umfangreicher staatlicher Unterstützung begegnen. Doch rechtfertigt der Umstand, dass es tatsächlich Menschen ohne Fähigkeit zur Selbstverantwortung gibt, ein immer stärkeres Aushebeln dieses elementaren Prinzips des friedvollen Zusammenlebens? Was sind die Vorzüge einer auf der Ethik der Eigenverantwortung basierenden Gesellschaftsordnung? Und läuft das Konzept der «sozialen Verantwortung» nicht auf eine kollektive Verantwortungslosigkeit hinaus? Diese Fragen wurden im Rahmen der Freiheitsfeier des Liberalen Instituts diskutiert.
Einführend stellte LI-Direktor Olivier Kessler fest, dass elementare Abwehrrechte gegen staatliche Machtanmassung immer weniger als unverrückbare Menschenrechte angesehen würden. Individuelle Freiheit werde dem Einzelnen von den politischen Machthabern lediglich noch auf Raten und nur unter willkürlichen Bedingungen gewährt. Dies alles werde vor dem Hintergrund einer postulierten «sozialen Verantwortung» durchgedrückt, die es angeblich alternativlos mache, die Verantwortung des Einzelnen an ein allmächtiges Kollektiv (oder genauer: an jene Personen, die im Namen dieses Kollektivs zu handeln vorgeben) abzutreten. Doch wenn dem Einzelnen immer mehr die Hände gebunden werden, könne er auch kaum noch Verantwortung für die Ergebnisse wahrnehmen. Freiheit und Eigenverantwortung gehörten untrennbar zusammen. Die Alternativen zu einer auf Selbstverantwortung basierenden liberalen Ordnung seien Entmündigung, Fremdbestimmung, Machtmissbrauch bis hin zur Entmenschlichung.
In seinem Referat befasste sich Michael Bubendorf, Unternehmer und Freiheitsaktivitst, mit dem Zustand der Freiheit. Freiheit bedeute einerseits, dass man einmal abgesehen von kriminellen Handlungen tun könne, was man wolle, und andererseits, dass man nicht tun müsse, was man nicht tun wolle. Unabhängig davon, welche Definition man heranziehe, sei die Freiheit heute bedroht. Mit den staatlich angeordneten Versammlungsverboten, mit Berufsverboten oder der starken Beschneidung der privaten Eigentumsgarantie könne man oftmals nicht mehr tun, was man eigentlich tun wollte. Und mit Auflagen wie dem Maskenzwang und der Ausgrenzung aufgrund von persönlichen gesundheitlichen Eingriffen in den eigenen Körper würden einige dazu verdonnert, Dinge zu tun, die sie aus freiem Willen nicht tun würden.
Es sei grosse Vorsicht geboten, dass die nun eingeführten Freiheitsbeschränkungen in Form eines Ausschlusses aus der Gesellschaft bei fehlender Konformität mit den staatlich angeordneten Handlungsweisen nicht bald auch auf andere Bereiche überschwappten, wie etwa dem Zugang zu seinen finanziellen Mitteln oder zu Gesundheitsleistungen. Bei zunehmender staatlicher Repression bestehe eine mögliche Alternative darin, sich aus den etablierten Strukturen so gut wie es geht herauszulösen und andere, freiere Institutionen aufzubauen.
Im zweiten Teil des Abends wurde der diesjährige Röpke-Preis für Zivilgesellschaft des Liberalen Instituts an Dr. Werner Widmer, Gesundheitsökonom, verliehen. Ausgezeichnet wurde er für seinen Beitrag zur Aufwertung der Eigenverantwortung im Gesundheitsdiskurs. Werner Widmer ist eines der wenigen ordnungspolitischen Gewissen im Schweizer Gesundheitswesen und fiel in den vergangenen Jahren immer wieder durch fundierte Grundsatzanalysen und liberale Reformansätze auf.
Werner Widmer war bis zu seiner Pensionierung Direktor der Stiftung Diakoniewerk Neumünster. Er gehörte jahrelang dem Stiftungsrat der Schweizerischen Patientenorganisation, dem Verwaltungsrat der Rehabilitationsklinik Adelheid in Unterägeri, dem Verwaltungsrat des See-Spitals in Horgen sowie dem Vorstand von Curaviva Schweiz an. Ausserdem war er Präsident des Verwaltungsrates des Kantonsspitals Baselland. Werner Widmer war zudem Direktor in vier Spitälern, darunter im Universitätsspital Zürich. Heute ist er Präsident der Stiftung zur Förderung von Gesundheit gemäss Meikirch-Modell, Präsident der Krebsliga Zürich, Vorsitzender des Leitenden Ausschusses der Stiftung Diakoniewerk Neumünster, gehört dem Verwaltungsrat des Careum Bildungszentrums an und hat je einen Lehrauftrag an den Universitäten Luzern und St. Gallen.
In seiner Laudatio betonte LI-Stiftungsrat Peter Ruch, dass Werner Widmer für das Liberale Institut und seine Sympathisanten kein Unbekannter sei. Vor gut acht Jahren habe das Institut ein Sammelband mit dem Titel «Heilung für das Gesundheitswesen» herausgegeben. Zu dieser Schrift habe Werner Widmer den Aufsatz mit dem Titel «Wie planwirtschaftliches Denken die medizinische Versorgung verteuert» beigesteuert. Darin wie auch in anderen seiner Schriften werde deutlich, dass er nicht doktrinär denke. Vielmehr betrachte er die Dinge sachorientiert mit der nötigen Breite und Tiefe und suche nach den besten Lösungen. Es sei zu hoffen, dass die gesundheitsökonomischen und gesundheitspolitischen Erkenntnisse von Werner Widmer Allgemeingut werden und Wirkungen entfalten. Vielleicht könne der Röpke-Preis dazu einen Beitrag leisten.
In seiner Dankesrede betonte Dr. Werner Widmer, dass Eigenverantwortung beim Umgang mit einer Krankheit oder einem Unfall zentral sei. Hier gebe es grosse individuelle und kulturelle Unterschiede. Die Westschweizer seien nicht kränker als die Ostschweizer, hätten aber wesentlich höhere Krankenkassenprämien, weil sie anders mit Krankheit umgingen, schneller einen Arzt oder ein Spital aufsuchten und mehr Medikamente nähmen. Trotz unterschiedlichen Möglichkeiten mit einer Krankheit umzugehen müsse man realistischerweise sagen, dass die Eigenverantwortung im Gesundheitswesen, abgesehen von der zahnmedizinischen Versorgung, seit Jahrzehnten (und seit 2020 sowieso) keine zentrale Rolle spiele, obwohl die Bundesverfassung vom Primat der Eigenverantwortung ausgehe.
Das Schweizer Gesundheitswesen sei ein hervorragendes System für schwerkranke, gleichzeitig unmündige und finanziell schlecht gestellte Menschen. In Wirklichkeit seien aber nur die wenigsten Patienten gleichzeitig schwerkrank, unmündig und finanziell schlecht gestellt. Die für das Wohl dieser «Schwachen» geeignete Regulierung werde unnötigerweise allen anderen übergestülpt und führe bei der grossen Mehrheit der Bevölkerung zu einem unnötigen Verzicht auf Eigenverantwortung und den entsprechenden negativen Konsequenzen.
Lesen Sie hier die Dankesrede des Preisträgers, Dr. Werner Widmer.
2. Dezember 2021