Die Massnahmen zur Krisenbewältigung sollten Lasten verteilen, ohne Preise zu verzerren. Die Schweiz hat dazu die nötigen Mittel. Der Bundesrat hat mit einer breiten Palette von Massnahmen auf die wirtschaftlichen Verwerfungen reagiert, die Covid-19 und die Eingriffe zum Schutz der öffentlichen Gesundheit verursachen. Es ist absehbar, dass es nicht bei diesen Massnahmen bleiben wird. So dürften zum Beispiel die zinsfreien und mit Bundesgarantie versehenen Darlehen, die Banken nun gewähren, in Zukunft gestundet oder gar teilweise erlassen werden. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Der massive wirtschaftliche Einbruch erfordert neben Sozialversicherungsleistungen für unterbeschäftigte ArbeitnehmerInnen auch Transfers — nicht nur Darlehen — an besonders betroffene
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Die Massnahmen zur Krisenbewältigung sollten Lasten verteilen, ohne Preise zu verzerren. Die Schweiz hat dazu die nötigen Mittel.
Der Bundesrat hat mit einer breiten Palette von Massnahmen auf die wirtschaftlichen Verwerfungen reagiert, die Covid-19 und die Eingriffe zum Schutz der öffentlichen Gesundheit verursachen. Es ist absehbar, dass es nicht bei diesen Massnahmen bleiben wird. So dürften zum Beispiel die zinsfreien und mit Bundesgarantie versehenen Darlehen, die Banken nun gewähren, in Zukunft gestundet oder gar teilweise erlassen werden.
Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Der massive wirtschaftliche Einbruch erfordert neben Sozialversicherungsleistungen für unterbeschäftigte ArbeitnehmerInnen auch Transfers — nicht nur Darlehen — an besonders betroffene Selbständige. Für Eingriffe in den Preismechanismus, wie sie derzeit ebenfalls diskutiert werden, besteht hingegen keine Veranlassung. Erzwungene Mietreduktionen, Preisobergrenzen für spezifische Güter oder Manipulationen des Realzinses würden die Anpassung an die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse nur erschweren und könnten sogar die Bemühungen zur Eindämmung der Pandemie unterlaufen.
Angenommen, wir alle hätten in der Vergangenheit eine Pandemieversicherung abgeschlossen, die nun zum Tragen käme. Dann würden die weniger Betroffenen jetzt Transfers an die besonders Leidtragenden finanzieren, genau wie dies beispielsweise im Rahmen einer Unfallversicherung geschieht: Wer einen Unfall erlitten hat, erhält Leistungen, und wer davon verschont blieb, bezahlt Prämien. Die Transfers der Pandemieversicherung würden wie auch bei einer Unfallversicherung in Form von Direktzahlungen ausgerichtet: Das Unfallopfer erhält Geld, nicht künstlich verbilligte Krücken oder Behandlungen.
Die Pandemieversicherung würde also von GewinnerInnen zu VerliererInnen umverteilen, ohne dabei das Preisgefüge zu verzerren. Pandemiebedingt würden so zum Beispiel ForscherInnen in der Pharmabranche oder HerstellerInnen von Medizintechnik höhere Einkommen erzielen als in normalen Jahren und GastronomInnen tiefere. Gleichzeitig würden aber versicherungsbedingt die Angestellten der Pharma- und Medizintechnikbranche Transferzahlungen an Köche und Kellnerinnen leisten.
Wir alle haben keine Pandemieversicherung abgeschlossen. Aber Wirtschaftspolitiker können mit sachgerechten Massnahmen ähnliche Ergebnisse wie in der idealtypischen Welt erzielen. Zwei Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein. Erstens gilt es, die «Profiteure» (sprich: diejenigen, deren Leistungen besonders wertvoll sind) und die Leidtragenden der Krise zu identifizieren und Instrumente zu finden, mit denen die beiden Gruppen möglichst zielgenau be- oder entlastet werden können.
Dabei wird es Mitnahmeeffekte geben; sie lassen sich weder unter normalen Umständen noch in der jetzigen Ausnahmesituation vermeiden. Eine perfekte Risikoteilung wie in der idealtypischen Welt kann es daher nicht geben. Aber für ein massvolles Abfedern unter Vermeidung exzessiver Mitnahmeeffekte hat die Schweiz mit ihren vielfältigen sozial-, steuer- und wirtschaftspolitischen Instrumenten und Statistiken die nötigen Mittel.
Zweitens dürfen WirtschaftspolitikerInnen nicht der Versuchung erliegen, den angestrebten Ausgleich zwischen den Bevölkerungsgruppen durch vermeintlich naheliegende Eingriffe in das Preisgefüge zu erzwingen. Solche Eingriffe würden zu einer Fehlallokation von Ressourcen führen und dies wäre gerade in der jetzigen Situation ausserordentlich schädlich.
Bei einer Pandemie handelt es sich um einen aggregierten Schock. Im Unterschied zu der Vielzahl von Unfällen, die jedes Jahr in Summe ungefähr einen gleich hohen Schaden verursachen, reduzieren die Folgen der Pandemie die gesamtwirtschaftlichen Ressourcen deutlich. Darüber hinaus verändern sie die relative Knappheit von Gütern und Dienstleistungen. Was vor einigen Wochen gesellschaftlich besonders wertvoll und daher teuer war, muss es heute nicht mehr im gleichen Umfang sein, und umgekehrt.
Preise müssen dies widerspiegeln können. Extreme Knappheit von Pflegepersonal, Medizingütern oder Videokonferenzen muss sich also in einem Anstieg der Preise dieser Güter und Dienstleistungen niederschlagen und der temporäre Überfluss an anderen Gütern und Dienstleistungen in Preissenkungen. Wird die Anpassung der relativen Preise verunmöglicht (zum Beispiel mit dem Argument, dass Pflegerinnen «genug» verdienten oder Hersteller von Medizingütern die «Notlage anderer ausnützten») dann hat dies Rationierung zur Folge. Ausserdem unterminieren Preisobergrenzen die Anreize derer, die durch ihre Arbeit und ihren Erfindergeist die Knappheit lindern können.
Nur sich frei bildende Preise sind in der Lage, Unternehmen und Haushalten zuverlässig zu signalisieren, wo Knappheit herrscht und welche Aktivitäten es auszuweiten oder einzuschränken gilt. Wer auf schnelle, kreative Lösungen der wirtschaftlichen Probleme setzt, der darf nicht Preise fixieren und dadurch Ressourcenflüsse in die Irre leiten.
©KOF ETH Zürich, 3. Apr. 2020