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«Kurzarbeits-Regime für Kapital» als dritter Pfeiler

Summary:
Zwei Pfeiler – Kurzarbeit und Liquiditätshilfen – sollen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie abfedern. Den Firmen fehlen aber Einnahmen, um Ausgaben wie Miet- oder Kreditzinsen zu finanzieren. Diese Kapitalkosten sollten bei einem Produktionsausfall teils vom Privatsektor getragen und teilweise erstattet werden. Was die Schweiz in den letzten Wochen geleistet hat, ist bemerkenswert. Mit der Ausweitung der Kurzarbeitskriterien und dem Auffangen von Liquiditätsengpässen wurden zwei tragende Stützpfeiler für Beschäftigte und Firmen bereitgestellt.  Der erste Pfeiler dient dem Beschäftigungserhalt. Durch die Ausweitung der Kurzarbeit können Firmen ihr Geschäft auf das aktuell notwendige Niveau reduzieren, ohne Humankapital zu verlieren. Kurzarbeit schafft

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Hans Gersbach, Jan-Egbert Sturm considers the following as important:

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Zwei Pfeiler – Kurzarbeit und Liquiditätshilfen – sollen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie abfedern. Den Firmen fehlen aber Einnahmen, um Ausgaben wie Miet- oder Kreditzinsen zu finanzieren. Diese Kapitalkosten sollten bei einem Produktionsausfall teils vom Privatsektor getragen und teilweise erstattet werden.

Was die Schweiz in den letzten Wochen geleistet hat, ist bemerkenswert. Mit der Ausweitung der Kurzarbeitskriterien und dem Auffangen von Liquiditätsengpässen wurden zwei tragende Stützpfeiler für Beschäftigte und Firmen bereitgestellt. 
Der erste Pfeiler dient dem Beschäftigungserhalt. Durch die Ausweitung der Kurzarbeit können Firmen ihr Geschäft auf das aktuell notwendige Niveau reduzieren, ohne Humankapital zu verlieren. Kurzarbeit schafft Einkommenssicherheit bei den Arbeitnehmenden und verhindert den Substanzabbau in der Wirtschaft. 
Der zweite Pfeiler im Massnahmenpaket des Bundes zur Abfederung wirtschaftlicher Folgen der Pandemie verringert Liquiditätsengpässe bei Firmen weiter. Die staatlichen Garantien im zweiten Pfeiler ermöglichen den direkten, einfachen Zugang zu Bankkrediten und überbrücken den Einnahmeausfall zumindest kurzfristig. Diese Kredite müssen allerdings zurückgezahlt werden.
Dritter Stützpfeiler gegen Kaskadeneffekte und für den Neustart
Um nicht nur überbrücken zu können, sondern auch nach der Krise lebensfähig zu bleiben, brauchen wir neben geeigneten medizinischen und wirtschaftlichen Ausstiegsstrategien einen dritten Stützpfeiler: ein «Kurzarbeits-Regime für Kapital», wie wir es bereits in unserem Vorschlag für einen Schutzschirm von 100 Milliarden angelegt hatten. 
Müssen nämlich die Firmen sogenannte Kapitalkosten wie Miete, Pacht oder Kreditzinsen alleine tragen, werden viele von ihnen – insbesondere KMUs  – den Betrieb aufgeben oder wegen der hohen Schuldenlast nach der Krise nicht genügend investieren können. Dieses Risiko steigt, je länger die sozialen und wirtschaftlichen Einschränkungen anhalten. Das bremst die Dynamik der Wirtschaft nachhaltig. Hinzu kommt, dass vermehrte Firmenschliessungen Kaskadeneffekte auslösen können. Wir müssen versuchen, dies mit dem dritten Stützpfeiler «Kurzarbeits-Regime für Kapital» zu verhindern. 
Wir brauchen Massnahmen, um die Kapitalkosten abzufedern. Hier sind zuerst die Firmen selbst gefordert. Durch die Mobilisierung von Reserven, Zurückhaltung bei Gewinnausschüttungen, Fristverlängerungen und Preisnachlässen während Produktionsunterbrechungen soll ein Teil dieser Kosten sowohl von den Firmen als auch von den Kapitalgebern und -verleihern mitgetragen werden. Darauf kann zu einem gewissen Grad auch vertraut werden. Doch selbst wenn Unternehmen und Kapitalgeber einiges leisten können und müssen, ist zusätzliche staatliche Unterstützung während dieses erzwungenen Produktionsstopps angebracht. 
Implementierung über bereits bestehende Kanäle
Ähnlich wie Arbeitskosten sollen Kapitalkosten bei einem Produktionsausfall zu einem gewissen Teil erstattet werden, durch einen Antrag an den Bund. Für die praktische Implementierung bieten sich die Kanäle an, die bereits für die Kurzarbeitsentschädigung und die Liquiditätshilfen genutzt werden. Das «Kurzarbeits-Regime für Kapital» könnte etwa auf Miet- und Pachtverträgen oder auf den in der Periode vor Ausbruch der Corona-Krise gezahlten Kreditzinsen basieren. Die Hilfsgelder könnten für die Dauer des Produktionsunterbruchs oder -einbruchs beantragt werden. 
Eine andere pragmatische, aber weniger direkte Hilfeleistung könnte die teilweise Rückerstattung der im vergangenen Jahr gezahlten Mehrwertsteuern sein. Anträge könnten sofort gestellt werden und die Hilfszahlungen würden funktionieren wie eine Art «Vorschuss auf Zusehen»: Abgerechnet wird dann, wenn die Corona-Krise überwunden ist. Abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg während der Corona-Krise müssten die Gelder unter bestimmten Kriterien zurückbezahlt werden: Wenig oder gar nicht betroffene Firmen müssten den gewährten Betrag ganz zurückzahlen, während die am härtesten getroffenen Firmen nichts zurückzahlen müssten. Diese Lösung würde auch ermöglichen, dass Selbstständige ohne Umsatz ein kleines Basiseinkommen erhalten. Für die Festlegung der Rückzahlung könnte etwa ein Vergleich zwischen der jeweils gezahlten Mehrwertsteuer für 2020 und 2019 hinzugezogen werden. Für Firmen, die keine oder kaum Mehrwertsteuern zahlen – etwa exportorientierte Firmen – müsste ein analoges Verfahren implementiert werden.
Gerechtere Lastenverteilung innerhalb der Wirtschaft und Gesellschaft
Die Forschung hat nachgewiesen, dass Firmen mit hoher Verschuldung ihre Investitionen nach einer Krise stärker reduzieren.  Das sollten wir verhindern. Der von uns vorgeschlagene dritte Pfeiler «Kurzarbeits-Regime für Kapital» reduziert die Insolvenzgefahr und stellt sicher, dass die Wirtschaft nach der Pandemie sofort durchstarten und wieder investieren kann. Zudem würde der dritte Pfeiler auch für eine etwas gerechtere Verteilung der durch die Krise entstandenen Lasten innerhalb der Wirtschaft und Gesellschaft sorgen. Ohne eigenes Verschulden sind einige Unternehmen existenziell bedroht. Sie akzeptieren einen Produktionsunterbruch, um die Verbreitung der Pandemie einzudämmen – dafür steht ihnen die Unterstützung aller Teile der Gesellschaft und Wirtschaft zu. 
Sobald sich die Wirtschaft erholt hat, könnte man die Lastenverteilung auch rückwirkend implementieren, indem man vorübergehend die Gewinnsteuer erhöht – durch eine Art «Corona-Zuschlag». Nach der Pandemie sollten sich alle Firmen im Rahmen ihres wirtschaftlichen Erfolgs an den Kosten der Krisenüberwindung beteiligen. Ein temporärer Corona-Zuschlag auf ihre Gewinne wäre ein faires Instrument dafür. 
Kann sich die Schweiz dieses Drei-Säulen-Programm leisten? Ja, das kann sie, dank der Schuldenbremse und ihrer allgemeinen Finanzpolitik: Nur wenige Länder haben eine tiefere Staatsverschuldung. Erreicht die Schweiz nach der Pandemie wieder ihr Vor-Corona-Wertschöpfungsniveau, ist sogar eine Krisenintervention in der Grössenordnung von 100 Milliarden Franken machbar. Wir haben in der Zeit gespart, nun haben wir in der Not – wie das Sprichwort sagt.

Was die Schweiz in den letzten Wochen geleistet hat, ist bemerkenswert. Mit der Ausweitung der Kurzarbeitskriterien und dem Auffangen von Liquiditätsengpässen wurden zwei tragende Stützpfeiler für Beschäftigte und Firmen bereitgestellt.

Der erste Pfeiler dient dem Beschäftigungserhalt. Durch die Ausweitung der Kurzarbeit können Firmen ihr Geschäft auf das aktuell notwendige Niveau reduzieren, ohne Humankapital zu verlieren. Kurzarbeit schafft Einkommenssicherheit bei den Arbeitnehmenden und verhindert den Substanzabbau in der Wirtschaft.

Der zweite Pfeiler im Massnahmenpaket des Bundes zur Abfederung wirtschaftlicher Folgen der Pandemie verringert Liquiditätsengpässe bei Firmen weiter. Die staatlichen Garantien im zweiten Pfeiler ermöglichen den direkten, einfachen Zugang zu Bankkrediten und überbrücken den Einnahmeausfall zumindest kurzfristig. Diese Kredite müssen allerdings zurückgezahlt werden.

Dritter Stützpfeiler gegen Kaskadeneffekte und für den Neustart

Um nicht nur überbrücken zu können, sondern auch nach der Krise lebensfähig zu bleiben, brauchen wir neben geeigneten medizinischen und wirtschaftlichen Ausstiegsstrategien einen dritten Stützpfeiler: ein «Kurzarbeits-Regime für Kapital», wie wir es bereits in unserem Vorschlag für einen Schutzschirm von 100 Milliarden angelegt hatten.

Müssen nämlich die Firmen sogenannte Kapitalkosten wie Miete, Pacht oder Kreditzinsen alleine tragen, werden viele von ihnen – insbesondere KMUs[ 1 ]   – den Betrieb aufgeben oder wegen der hohen Schuldenlast nach der Krise nicht genügend investieren können. Dieses Risiko steigt, je länger die sozialen und wirtschaftlichen Einschränkungen anhalten. Das bremst die Dynamik der Wirtschaft nachhaltig. Hinzu kommt, dass vermehrte Firmenschliessungen Kaskadeneffekte auslösen können. Wir müssen versuchen, dies mit dem dritten Stützpfeiler «Kurzarbeits-Regime für Kapital» zu verhindern.

Wir brauchen Massnahmen, um die Kapitalkosten abzufedern. Hier sind zuerst die Firmen selbst gefordert. Durch die Mobilisierung von Reserven, Zurückhaltung bei Gewinnausschüttungen, Fristverlängerungen und Preisnachlässen während Produktionsunterbrechungen soll ein Teil dieser Kosten sowohl von den Firmen als auch von den Kapitalgebern und -verleihern mitgetragen werden. Darauf kann zu einem gewissen Grad auch vertraut werden. Doch selbst wenn Unternehmen und Kapitalgeber einiges leisten können und müssen, ist zusätzliche staatliche Unterstützung während dieses erzwungenen Produktionsstopps angebracht. 

Implementierung über bereits bestehende Kanäle

Ähnlich wie Arbeitskosten sollen Kapitalkosten bei einem Produktionsausfall zu einem gewissen Teil erstattet werden, durch einen Antrag an den Bund. Für die praktische Implementierung bieten sich die Kanäle an, die bereits für die Kurzarbeitsentschädigung und die Liquiditätshilfen genutzt werden. Das «Kurzarbeits-Regime für Kapital» könnte etwa auf Miet- und Pachtverträgen oder auf den in der Periode vor Ausbruch der Corona-Krise gezahlten Kreditzinsen basieren. Die Hilfsgelder könnten für die Dauer des Produktionsunterbruchs oder -einbruchs beantragt werden.

Eine andere pragmatische, aber weniger direkte Hilfeleistung könnte die teilweise Rückerstattung der im vergangenen Jahr gezahlten Mehrwertsteuern sein. Anträge könnten sofort gestellt werden und die Hilfszahlungen würden funktionieren wie eine Art «Vorschuss auf Zusehen»: Abgerechnet wird dann, wenn die Corona-Krise überwunden ist. Abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg während der Corona-Krise müssten die Gelder unter bestimmten Kriterien zurückbezahlt werden: Wenig oder gar nicht betroffene Firmen müssten den gewährten Betrag ganz zurückzahlen, während die am härtesten getroffenen Firmen nichts zurückzahlen müssten. Diese Lösung würde auch ermöglichen, dass Selbstständige ohne Umsatz ein kleines Basiseinkommen erhalten. Für die Festlegung der Rückzahlung könnte etwa ein Vergleich zwischen der jeweils gezahlten Mehrwertsteuer für 2020 und 2019 hinzugezogen werden. Für Firmen, die keine oder kaum Mehrwertsteuern zahlen – etwa exportorientierte Firmen – müsste ein analoges Verfahren implementiert werden.

Gerechtere Lastenverteilung innerhalb der Wirtschaft und Gesellschaft

Die Forschung hat nachgewiesen, dass Firmen mit hoher Verschuldung ihre Investitionen nach einer Krise stärker reduzieren.[ 2 ] Das sollten wir verhindern. Der von uns vorgeschlagene dritte Pfeiler «Kurzarbeits-Regime für Kapital» reduziert die Insolvenzgefahr und stellt sicher, dass die Wirtschaft nach der Pandemie sofort durchstarten und wieder investieren kann. Zudem würde der dritte Pfeiler auch für eine etwas gerechtere Verteilung der durch die Krise entstandenen Lasten innerhalb der Wirtschaft und Gesellschaft sorgen. Ohne eigenes Verschulden sind einige Unternehmen existenziell bedroht. Sie akzeptieren einen Produktionsunterbruch, um die Verbreitung der Pandemie einzudämmen – dafür steht ihnen die Unterstützung aller Teile der Gesellschaft und Wirtschaft zu.

Sobald sich die Wirtschaft erholt hat, könnte man die Lastenverteilung auch rückwirkend implementieren, indem man vorübergehend die Gewinnsteuer erhöht – durch eine Art «Corona-Zuschlag». Nach der Pandemie sollten sich alle Firmen im Rahmen ihres wirtschaftlichen Erfolgs an den Kosten der Krisenüberwindung beteiligen. Ein temporärer Corona-Zuschlag auf ihre Gewinne wäre ein faires Instrument dafür.

Kann sich die Schweiz dieses Drei-Säulen-Programm leisten? Ja, das kann sie, dank der Schuldenbremse und ihrer allgemeinen Finanzpolitik: Nur wenige Länder haben eine tiefere Staatsverschuldung. Erreicht die Schweiz nach der Pandemie wieder ihr Vor-Corona-Wertschöpfungsniveau, ist sogar eine Krisenintervention in der Grössenordnung von 100 Milliarden Franken machbar. Wir haben in der Zeit gespart, nun haben wir in der Not – wie das Sprichwort sagt.

Kalemli-Ozcan, Sebnem, Luc Laeven, David Moreno (2020), Debt overhang, rollover risk, and corporate investment: Evidence from the European crisis, NBER Working Paper 24555, first published April 2018, Revised February 2020.

Gebauer, Stefan, Ralph Setzer, Andreas Westphal (2017), Corporate debt and investment: A firm level analysis for stressed Euro area countries, ECB Working Paper 2101, September 2017.


©KOF ETH Zürich, 31. Mär. 2020

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