Die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) ist zugleich Einlagensicherung, Bankenaufsicht, Konkursverwalter und Abwicklungsfonds. Sie verursacht Moral Hazard, aber sie ist eher als die Institutionen in Europa in der Lage, risikogerechte Beiträge zu erheben. Die FDIC wurde 1933 als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise gegründet. Es hatte schon vorher auf der Ebene der Bundesstaaten Einlagensicherungen gegeben – vor dem Bürgerkrieg in sechs Bundesstaaten, danach ab 1907 in acht. Die acht nach der Jahrhundertwende gegründeten Einlagensicherungen erhoben risikounabhängige Beiträge und endeten alle zwischen 1927 und 1931 in der Insolvenz. Calomiris und Jaremski (2018) attestieren ihnen “that deposit insurance increased risk by removing market discipline that had been
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Die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) ist zugleich Einlagensicherung, Bankenaufsicht, Konkursverwalter und Abwicklungsfonds. Sie verursacht Moral Hazard, aber sie ist eher als die Institutionen in Europa in der Lage, risikogerechte Beiträge zu erheben.
Die FDIC wurde 1933 als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise gegründet. Es hatte schon vorher auf der Ebene der Bundesstaaten Einlagensicherungen gegeben – vor dem Bürgerkrieg in sechs Bundesstaaten, danach ab 1907 in acht. Die acht nach der Jahrhundertwende gegründeten Einlagensicherungen erhoben risikounabhängige Beiträge und endeten alle zwischen 1927 und 1931 in der Insolvenz. Calomiris und Jaremski (2018) attestieren ihnen “that deposit insurance increased risk by removing market discipline that had been constraining erstwhile uninsured banks” (S. 711).
Schon vor 1933 hatte es zahlreiche Versuche gegeben, auf Bundesebene eine Depositenversicherung einzurichten – zumeist auf Initiative der Demokraten. Dafür waren typischerweise Bundesstaaten, die es ihren Banken verboten hatten, Zweigstellen zu errichten (sogenanntes “unit banking”). Denn ihre Banken waren klein, unzureichend diversifiziert und besonders konkursanfällig. Calomiris und White (1994) beleuchten diesen politisch-ökonomischen Aspekt:
“Profound differences across states in the propensity for failure … encouraged high-risk unit-banking states to attempt to free-ride on the stability of branch-banking states through the establishment of national deposit insurance” (S. 158). “States that stood to benefit from the cross-subsidization of risk in a national deposit insurance plan supported legislation, while those that enjoyed relatively stable banking systems opposed it” (S. 163).
Ist es heute in der Eurozone nicht ganz ähnlich?
Die Gründung der FDIC
Die FDIC war Teil der New-Deal-Gesetzgebung der ersten hundert Tage. Treibende Kraft war Henry B. Steagall, Vorsitzender des House Banking and Currency Committee und demokratischer Abgeordneter aus Alabama – einem Staat, der den Banken die Errichtung von Zweigstellen verbot. Das Kapital der FDIC wurde von der Treasury und den Federal Reserve Banks bereitgestellt. Der Beitragsatz für die versicherten Banken war risikounabhängig.
Die FDIC verteilte nicht nur von den soliden zu den schwachen Banken um, sondern auch von den Groß- zu den Kleineinlegern. Denn obwohl jede Einlage nur bis zu einer Obergrenze von zunächst $2.500, dann $5.000 versichert war, wurde der Beitragsatz auf die gesamten Einlagen der Banken erhoben. Jedenfalls bestätigt die Geschichte der FDIC die politisch-ökonomische Hypothese von Laeven (2004), dass Einlagensicherungen eher von linken Parteien favorisiert werden. Dazu passt auch, dass die Bundesdepositenversicherung in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine prominente Forderung der Progressive Party war.
Die FDIC in der Krise
Ihre erste schwere Bewährungsprobe erlebte die Einlagensicherung der USA in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre. Zwischen 1984 und 1990 meldeten rund 1.150 Banken und Sparkassen – acht Prozent dieser Institute – Konkurs an. Noch dramatischer war das Bild bei den savings & loans associations: 900 von ihnen – ein Viertel – wurden abgewickelt oder liquidiert. Die Einlagensicherung für die savings & loan associations – die Federal Savings & Loan Insurance Corporation, die bei der FDIC angesiedelt war –, wurde insolvent und durch eine neue Organisation ersetzt. Die FDIC selbst war 1991 technisch insolvent (Barth et al. 1992), nahm aber einen Kredit bei der Treasury auf und wurde am Leben erhalten. Für die Sanierung und Abwicklung der savings & loan associations kamen zu über achtzig Prozent die Steuerzahler auf. Es kostete sie fast drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Amerikanische Ökonomen sehen in der Einlagensicherung eine wichtige Ursache der damaligen Finanzkrise. Benston und Kaufman (1998, S. 2) zum Beispiel schreiben:
“Many of these institutions failed, at a high cost to both taxpayers and shareholders, as a result of the incentive-incompatible structure of the government-provided deposit insurance at the time. This structure encouraged both moral hazard behavior by banks that increased their risk-taking, and poor agent behavior by regulators that delayed the imposition of appropriate regulatory sanctions on financially troubled institutions.”
Die FDIC wurde 1991 verpflichtet, risikoabhängige Beiträge zu erheben. In der Finanzkrise von 2008 kam es trotz FDIC zu bank runs – zum Beispiel auf die großen Geschäftsbanken Washington Mutual und Wachovia. Zwischen 2008 und 2013 wurden 489 Banken und thrifts insolvent. Durch Garantiezahlungen und Rückstellungen geriet die Bilanz der FDIC von 2009 III bis 2011 II in die roten Zahlen.
Auch für die Entstehung dieser Finanzkrise wird der von der Einlagensicherung ausgehende moral hazard mitverantwortlich gemacht. Lambert et al. (2017) zeigen, dass die Erhöhung des versicherten Depositenbetrags von $100.000 auf $250.000 die Risikobereitschaft unter den schwach kapitalisierten Banken signifikant erhöhte.
Die FDIC heute
Heute versichert die FDIC die Einlagen bei über 5.400 Kreditinstituten. Sie ist außerdem für die Abwicklung und Liquidierung aller bei ihr versicherten Kreditinstitute und für die Aufsicht über die state-chartered banks und savings banks zuständig. Ihr Deposit Insurance Fund ist zugleich Einlagensicherungsfonds und Abwicklungsfonds. Bei der Treasury hat sie eine Kreditlinie über 100 Mrd. Dollar. Die Mindestausstattung ihres Fonds entspricht 1,35 Prozent der Einlagen. Die Beitragsätze hängen von der tatsächlichen Ausstattung, dem Risiko der einzelnen Bank, ihrer Größe, ihrer Komplexität und ihrem Alter ab (FDIC 2017, Ch. 5). Solange der Deposit Insurance Fund weniger als zwei Prozent der Depositen ausmacht, ist bei den großen und den sehr komplexen Banken – abhängig vom Risiko – der höchstmögliche Beitragsatz 37,5 mal so hoch wie der geringstmögliche. Bei den kleinen Banken beträgt die Spanne 20 : 1.
Vergleich mit Europa
Ein Vergleich mit Europa ist interessant. Beim Einheitlichen Abwicklungsfonds der Eurozone ist die Spanne auf 1,88 : 1 beschränkt. Für die Einlagensicherungen der EU-Mitgliedstaaten schreibt die European Banking Authority (EBA) wahlweise 2 :1 (bucket method) oder 4 : 1 (gliding scale) vor. Der deutsche Einlagensicherungsfonds begrenzt die Spanne auf 3,5 : 1. In den USA können die Unterschiede in den Versicherungsrisiken also viel genauer eingepreist werden als in Europa.
Auch bei der Auswahl der Risikoindikatoren gibt es interessante Unterschiede – zum Beispiel hinsichtlich der notleidenden Kredite. In der Eurozone variiert der Anteil der notleidenden Kredite zwischen knapp 40 Prozent in Griechenland und 0,2 Prozent in Luxemburg. In der Liste der elf Risikoindikatoren, die den Beitragsatz einer Bank beim Einheitlichen Abwicklungsfonds bestimmen, kommt der Anteil der notleidenden Kredite jedoch nicht vor. Die EBA verpflichtet die Einlagensicherungen der 28 Mitgliedstaaten, den Anteil der notleidenden Kredite bei der Berechnung der Beitragsätze mit mindestens 13 und höchstens 28 Prozent zu gewichten. In Deutschland sind es 13 Prozent. Die FDIC trägt dem Anteil der notleidenden Kredite sowohl bei den ratings (asset quality) als auch bei den financial ratios (underperforming assets, criticized assets) mit einem Gesamtgewicht von über 10 Prozent Rechnung.
Die Zielausstattung des Einheitlichen Abwicklungsfonds der Eurozone (ein Prozent der Einlagen) und die Mindestausstattung der nationalen Einlagensicherungen in der EU (0,8 Prozent der Einlagen) sind zusammen genommen deutlich größer als die Mindestausstattung der FDIC (1,35 Prozent der Einlagen) und auch als ihre tatsächliche Ausstattung (1,4 Prozent).
Ist die Depositenversicherung der USA ein Vorbild für Europa oder eher ein warnendes Beispiel? Stellt man auf die zulässige Differenzierung der Risikoprämien ab, so ist die FDIC den Versicherungen in Europa überlegen. Das gilt nicht nur für die nationalen Einlagensicherungen, sondern auch und vor allem für den Abwicklungsfonds der Eurozone.
Die Geschichte der amerikanischen Depositenversicherungen gibt keinen Aufschluss darüber, ob die Einlagensicherung in Europa national oder zentral organisiert werden sollte. Dafür müsste man wissen, ob die nationalen Bankenkrisen in Europa eher zufallsbedingt oder eher hausgemacht, d. h. auf schuldhaftes Verhalten inländischer Akteure zurückzuführen sind. Wenn Verschulden vorliegt, sollten nicht andere für den Schaden haften. Mein Eindruck ist, dass die sogenannten asymmetrischen Bankenkrisen, die auf einzelne Länder beschränkt sind, in Europa typischerweise hausgemacht sind.
Barth, J.R., Brumbaugh, D., Litan, R.E. (1992). The future of American banking. Armonk, N.Y.: Sharpe.
Benston, G.J., Kaufman, G.G. (1998). Deposit insurance reform in the FDIC Improvement Act: The experience to date. Federal Reserve Bank of Chicago, Economic Perspectives 22, 1-20.
Calomiris, C.W., Jaremski, M. (2018). Stealing deposits: Deposit insurance, risk-taking and the removal of market discipline in early 20th century banks. Journal of Finance 74, 711-754.
Calomiris, C.W., White, E.N. (1994). The origins of federal deposit insurance. In: C. Goldin, G.D. Libecap, eds. The regulated economy: A historical approach to political economy. Chicago: University of Chicago Press, 145-188.
Federal Deposit Insurance Corporation (2017). FDIC: Crisis and response. An FDIC History, 2008-13. Washington, DC: FDIC.
Laeven, L. (2004). The political economy of deposit insurance. Journal of Financial Services Research 26, 201-224.
Lambert, C., Noth, F., Schüwer, U. (2017). How do insured deposits affect bank risk? Evidence from the 2008 Emergency Economic Stabilization Act. Journal of Financial Intermediation 29, 81-102 (vgl. auch die Zusammenfassung in der Ökonomenstimme vom 17.02.16: “Auswirkungen der Einlagensicherung auf das Bankenrisiko”).
©KOF ETH Zürich, 18. Dez. 2019