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Iran-Sanktionen: Europa in der Bredoullie

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Im Konflikt mit dem Iran setzt die USA auf 'sekundäre Massnahmen', die sich gegen nicht-amerikanische natürliche und juristische Personen mit iranischen Kontakten richten. Seitens der EU zeichnet sich bisher kein effektiver Ansatz ab, wie europäische Unternehmen trotzdem weiterhin frei mit dem Iran handeln könnten. Eine Möglichkeit wäre eine staatliche Strategie des Nicht-Wissens. Europäische Firmen leiden unter der Verquickung amerikanischer Aussen- und Wirtschaftspolitik. Dies wird in den letzten Wochen insbesondere vor dem Hintergrund der Ereignisse im mittleren Osten deutlich. Siemens traf es im Oktober. Die Administration Trump signalisierte, dass sie es nicht tolerieren werde, wenn der Irak beim Aufbau seiner Energieversorgung hauptsächlich mit dem deutschen Konzern

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Im Konflikt mit dem Iran setzt die USA auf 'sekundäre Massnahmen', die sich gegen nicht-amerikanische natürliche und juristische Personen mit iranischen Kontakten richten. Seitens der EU zeichnet sich bisher kein effektiver Ansatz ab, wie europäische Unternehmen trotzdem weiterhin frei mit dem Iran handeln könnten. Eine Möglichkeit wäre eine staatliche Strategie des Nicht-Wissens.

Europäische Firmen leiden unter der Verquickung amerikanischer Aussen- und Wirtschaftspolitik. Dies wird in den letzten Wochen insbesondere vor dem Hintergrund der Ereignisse im mittleren Osten deutlich. Siemens traf es im Oktober. Die Administration Trump signalisierte, dass sie es nicht tolerieren werde, wenn der Irak beim Aufbau seiner Energieversorgung hauptsächlich mit dem deutschen Konzern zusammenarbeite; angesichts des amerikanischen Blutzolls seit der Irak-Invasion müsse auch General Electric bei grossen Aufträgen den Zuschlag erhalten.

Deutlich mehr Unternehmen sind mit den Iran-Sanktionen der amerikanischen Regierung konfrontiert. Die „sekundären Sanktionen”, die nach dreijähriger Unterbrechung wieder in Kraft getreten sind, richten sich gegen nicht-amerikanische natürliche und juristische Personen mit iranischen Kontakten. Sie stellen die Betroffenen vor die vermeintlich einfache Wahl, entweder mit dem Iran oder mit den USA Geschäfte zu machen. Um Gegendruck aufzubauen, hat die Europäische Union eine „Blocking-Verordnung“ erlassen. Diese soll Firmen schützen, die Schäden erleiden, weil andere Unternehmen infolge amerikanischen Drucks aus dem Irangeschäft aussteigen. Ein Zulieferer, dessen Abnehmer sich aus dem Irangeschäft zurückzieht, könnte zum Beispiel von seinem Kunden Schadenersatz verlangen.

Die amerikanischen Massnahmen setzen an mehreren Punkten an. Zunächst betreffen sie Unternehmen, die direkte Beziehungen zu Geschäftspartnern im Iran pflegen. Diesen Unternehmen drohen die USA mit dem Verlust des Marktzugangs. Wirksam ist die Drohung allerdings nur gegenüber denjenigen, für die die USA einen wichtigen Markt darstellen und die darüber hinaus befürchten müssen, dass ihr Iran-Engagement bekannt wird. Nischenanbieter und Firmen, die nicht auf dem Radar amerikanischer Behörden oder befreundeter Geheimdienste sind, könnten sich ermutigt fühlen, die Drohungen in den Wind zu schlagen.

Das zweite Element der amerikanischen Massnahmen betrifft daher den Finanzsektor: Die USA drohen Banken, die Handelsgeschäfte mit dem Iran finanzieren oder Zahlungen abwickeln, damit, den Zugang zum amerikanischen Kapitalmarkt, zur Dollar-Finanzierung und zur Verrechnungseinheit der meisten Rohstoffgeschäfte zu verlieren. Ein solcher Schritt wäre für das Gros der Finanzinstitute existenzbedrohend.

Für den Fall, dass auch diese Drohkulisse nicht genügt, zum Beispiel weil eine Bank keine US-Beziehungen pflegt oder keine Dollar-Geschäfte tätigt, kommt ein drittes Element ins Spiel: Implizite Drohungen gegen SWIFT beziehungsweise vorauseilender Gehorsam des in Belgien domizilierten Kommunikationsdienstleisters, über dessen Rechenzentren in den Niederlanden, den USA und der Schweiz internationale Zahlungen abgewickelt werden. Zu den Trägern von SWIFT gehören amerikanische Banken ebenso wie nicht-amerikanische Finanzinstitute. Alle sind auf den Goodwill der US-Behörden angewiesen. Wenig überraschend hat SWIFT Anfang November daher kleinlaut erklärt, den amerikanischen Wünschen entsprechend iranische Banken von seinen Dienstleistungen auszuschliessen. Dies, wohlgemerkt, obwohl SWIFT der belgischen Gesetzgebung untersteht und daher Europäische Direktiven einhalten müsste.

Die drei Elemente der amerikanischen Drohkulisse werden von Stufe zu Stufe wirkungsvoller, aber auch fragwürdiger, denn sie lagern die Verantwortung für die Durchsetzung der amerikanischen Vorgaben zunehmend an Unbeteiligte aus. Wenn Industrie- und Handelsfirmen vor die Wahl gestellt werden, sich zwischen dem US- und dem Irangeschäft zu entscheiden, dann ist dies nachvollziehbar. Wenn aber Druck auf den Finanzsektor und SWIFT ausgeübt wird, dann gleicht dies eher einer Erpressung. Die Verantwortung des Einzelnen weicht der Kollektivhaftung.

Auch die Kosten der Durchsetzung werden von den eigentlichen Verursachern (zum Beispiel einer Ölhandelsfirma, bei der in Frage steht, ob sie die amerikanischen Vorgaben einhält) an Dritte überwälzt. Die Banken etwa müssen die Kosten für Compliance ihren verbliebenen Kunden in Rechnung stellen. Zu dieser Verletzung des Verursacherprinzips gäbe es Alternativen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Unternehmen, die im Verdacht stehen die Sanktionen zu unterlaufen, solange den Zugang zum US-Markt verlieren, bis sie – von einer amerikanischen Revisionsgesellschaft zertifiziert – den Gegenbeweis erbringen.

Die extraterritoriale amerikanische Wirtschaftspolitik erhöht die Anreize für Drittstaaten, ihren Bürgern und Unternehmen Zahlungskanäle zu öffnen, die amerikanischem Druck besser standhalten können. Mittelfristig wird dies die Position des US-Dollars schwächen. Kurzfristig hingegen haben insbesondere die Länder der Europäischen Union wenig in der Hand, um der US-Politik wirkungsvoll zu begegnen. Gerade die Reaktion von SWIFT zeigt, wie begrenzt der Einfluss der Union ist. Würde sie die „Blocking-Verordnung“ eng auslegen und auf deren Einhaltung bestehen, wovon nicht auszugehen ist, dann liefe sie Gefahr, sich lächerlich zu machen.

Die Gründung einer europäischen Zweckgesellschaft, die quasi als Tauschbörse den Handel europäischer Unternehmen mit Iran vom Bankensystem und SWIFT entkoppeln könnte, verläuft ebenfalls wenig vielversprechend. Auch eine Tauschbörse funktioniert besser, wenn sie zumindest teilweise an das Finanzsystem angebunden ist. Die europäischen Zentralbanken könnten einen solchen Anschluss leisten. Doch sie haben rasch deutlich gemacht, dass sie hierfür nicht zur Verfügung stehen.

Noch einen Schritt weiter ging die Deutsche Bundesbank. Im August änderte sie kurzerhand ihre Geschäftsbedingungen. Sie behält sich nun das Recht vor, Barauszahlungen an Banken zu verweigern, wenn die Gefahr besteht, dass das Bargeld zur Umgehung von Sanktionen oder zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten verwendet werden könnte. Zudem kann sie Bargeldgeschäfte auch dann ablehnen, wenn diese die Beziehungen zu „Zentralbanken und Finanzinstitutionen dritter Länder“ gefährden könnten. Der Anlass für die Änderung der Geschäftsbeziehungen war, dass die Europäisch-Iranische Handelsbank bei der Bundesbank einige Hundert Millionen Euros in bar abheben wollte, vermutlich um sie an die iranische Zentralbank weiterzuleiten.

Ein zweiter Grund dafür, dass sich die Gründung einer Zweckgesellschaft durch Mitglieder der Europäischen Union verzögert, ist die Angst vor amerikanischen Strafmassnahmen. Denn implizit besteht die oberste Eskalationsstufe der amerikanischen Politik darin, unkooperative oder offen opponierende Staaten direkt zur Verantwortung zu ziehen. Dieser Bedrohung kann ein Land ohne vergleichbare wirtschaftspolitische Macht nur sehr begrenzt begegnen.

Wirtschaftliche Sachzwänge bieten zwar ein gewisses Mass an Schutz. Das Volumen der iranischen Öllieferungen zum Beispiel beeinflusst den Rohölpreis und der wiederum die amerikanische Innenpolitik. Wie sich gezeigt hat, ist die Administration Trump daher gewillt, Ausnahmegenehmigungen für Ölimporte aus dem Iran zu erteilen. Doch diese müssen erst einmal verdient werden.

Zuverlässigeren Schutz verspräche eine staatliche Strategie des Nicht-Wissens. Einen Nachtwächterstaat, der wenig über die privaten Angelegenheiten seiner Bürger weiss, können andere Staaten nicht zwingen, Privates auszubreiten und fremde Interessen durchzusetzen; Nicht-Wissen kann schützen.

Was das für neue Zahlungsmittel und -kanäle auf der Basis von Blockchain- und Kryptotechnologien bedeutet, bleibt abzuwarten. Bei der Frage, ob Europa eine Umkehr auf dem Weg zum gläsernen Bürger und Unternehmen wagen wird, scheint Skepsis geboten. Im Zweifel dürften sich die europäischen Regierungen für – nicht gegen – mehr staatlichen Zugang zu Informationen entscheiden, auch wenn dies eine Einschränkung ihrer aussenpolitischen Souveränität mit sich bringt.

Dieser Beitrag ist bereits in der 'Finanz und Wirtschaft' (www.fuw.ch) erschienen.

©KOF ETH Zürich, 26. Nov. 2018

Dirk Niepelt
Dirk Niepelt is Director of the Study Center Gerzensee and Professor at the University of Bern. A research fellow at the Centre for Economic Policy Research (CEPR, London), CESifo (Munich) research network member and member of the macroeconomic committee of the Verein für Socialpolitik, he served on the board of the Swiss Society of Economics and Statistics and was an invited professor at the University of Lausanne as well as a visiting professor at the Institute for International Economic Studies (IIES) at Stockholm University.

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