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Frauen und Jobs im digitalen Zeitalter

Summary:
Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet insbesondere für Frauen neue Möglichkeiten der Arbeitsmarktpartizipation, handkehrum gefährdet sie auch viele Jobs. Dieser Beitrag zeigt, mit welchen politischen Maßnahmen etwaige besondere Risiken der Digitalisierung für Frauen aufgefangen werden können. Die digitale Revolution schreitet voran und verändert die Arbeitswelt erheblich – mit ganz besonderen Chancen und Risiken auch für Frauen. Auf der einen Seite könnte die Digitalisierung die soziale und ökonomische Teilhabe von Frauen verbessern. Digitalisierung erlaubt Frauen, einige der ihnen häufig noch auferlegten zeitlichen und räumlichen Restriktionen zu umgehen, wie die Doppelbelastung durch Einkommenserwerb und familiäre Verpflichtungen oder die Einschränkung der Bewegungsfreiheit

Topics:
Christiane Krieger-Boden, Alina Sorgner considers the following as important:

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Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet insbesondere für Frauen neue Möglichkeiten der Arbeitsmarktpartizipation, handkehrum gefährdet sie auch viele Jobs. Dieser Beitrag zeigt, mit welchen politischen Maßnahmen etwaige besondere Risiken der Digitalisierung für Frauen aufgefangen werden können. Die digitale Revolution schreitet voran und verändert die Arbeitswelt erheblich – mit ganz besonderen Chancen und Risiken auch für Frauen. Auf der einen Seite könnte die Digitalisierung die soziale und ökonomische Teilhabe von Frauen verbessern. Digitalisierung erlaubt Frauen, einige der ihnen häufig noch auferlegten zeitlichen und räumlichen Restriktionen zu umgehen, wie die Doppelbelastung durch Einkommenserwerb und familiäre Verpflichtungen oder die Einschränkung der Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum durch Konventionen. Auf der anderen Seite könnten intelligente Software, Automaten und Roboter in den nächsten 20 Jahren viele menschliche Tätigkeiten übernehmen, auch solche von Frauen. In einer neueren Studie sind wir im Auftrag der Women20, einer Dialoggruppe im G20-Prozess, der Frage nachgegangen, wie sich solche Chancen und Risiken auf Frauen und Männer in verschiedenen G20-Ländern verteilen und wie etwaige besondere Risiken von Frauen durch politische Maßnahmen aufgefangen werden könnten (Sorgner et al. 2017).

Chancen für Frauen im digitalen Zeitalter

Das Ausmaß bestehender Disparitäten zwischen den Geschlechtern ist beträchtlich, und dementsprechend gibt es auch ein erhebliches Aufholpotential für Frauen. Besonders gilt dies für die Teilhabe von Frauen an hochqualifizierten Tätigkeiten (besonders im MINT-Bereich) und an unternehmerischen und Führungstätigkeiten. Digitalisierung kann bei solchen Disparitäten helfen, behindernde Barrieren zu überwinden, z.B. über offene Online-Kurse zur Aus- und Fortbildung, Online-Berufstätigkeit, webbasierte Geschäftsmodelle und innovative digitale Investitionsfinanzierung. Die Anonymität im Internet hilft, geschlechtsspezifische Diskriminierung aller Arten zu verringern; soziale Netzwerke können Problemerkenntnis schärfen,[ 1 ] neue Rollenmodelle und mehr weibliches Selbstbewusstsein verbreiten. Allerdings sind die Barrieren und Stereotype, die den Hintergrund zu bestehenden Disparitäten bilden, wirkungsmächtig. Sie könnten den Zugang auch zu genau jenen digitalen Angeboten behindern, mit denen sie eigentlich überwunden werden sollen. So etwa, wenn die (auch digitale) Ausbildung von Mädchen vernachlässigt wird, wenn höhere Bildung für sie nicht erschwinglich ist und MINT-Fächer für sie als „uncool“ gelten oder wenn es Frauen an Möglichkeiten mangelt, elektronische Geräte und das Internet zu nutzen.

Gefährdung weiblicher Berufe im digitalen Zeitalter

Um mögliche Risiken für Frauen durch Digitalisierung zu analysieren, haben wir auf eine Studie von Frey und Osborne (2017) für die Vereinigten Staaten zurückgegriffen. Für diese Studie wurden technische Experten zur Digitalisierungs- und Automatisierungsmöglichkeit verschiedener Tätigkeiten befragt. Über die Anteile solcher Aktivitäten an verschiedenen Berufen wurden dann Gefährdungswahrscheinlichkeiten für diese Berufe ermittelt. Danach haben 47% aller Beschäftigten in den Vereinigten Staaten ein hohes Risiko, durch die Digitalisierung ihren Job innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre zu verlieren. Betroffen sind vor allem Berufe mit hohem Routineanteil, darunter auch Büro- und Verwaltungsberufe mit stark standardisierten Tätigkeiten. Wenig gefährdet erscheinen dagegen Tätigkeiten, die Sozialkompetenz, Kreativität und schwer automatisierbare manuelle Fertigkeiten, die etwa Fingerfertigkeit erfordern, sowie hochqualifizierte und Führungstätigkeiten. Abbildung 1: Gefährdung von Berufen durch Digitalisierung Anteile aller Frauen bzw. Männer zwischen 26-65 Jahren, deren gegenwärtiger (2012) Beruf mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten 20-30 Jahre digitalisiert werden wird. Quelle: OECD (2016), PIAAC; Frey und Osborne (2017); eigene Berechnungen. Der Ansatz von Frey und Osborne weist zugestandenermaßen eine Reihe von Schwächen auf, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden sollten. So werden die Implementierungs­möglichkeiten und -geschwindigkeiten von jobsparenden Innovationen angesichts bestehender staatlicher Regulierungen und Widerstände in der Öffentlichkeit vermutlich überschätzt, während die Wandelbarkeit von Berufen und das Entstehen neuer Berufe in der Analyse gar nicht berücksichtigt werden. Ein Verschwinden von Berufen bedeutet also nicht zwangsläufig eine entsprechend steigende Arbeitslosigkeit. Immerhin eignen sich Schätzungen auf dieser Basis als erste Annäherung an die zu erwartenden dramatischen Veränderungen in der Arbeitswelt. Wir haben daher die berufsspezifischen Gefährdungswahrscheinlichkeiten über entsprechende Daten zu den Berufsstrukturen auf andere Länder und separat auf Männer und Frauen übertragen. Unsere Schätzungen umfassen acht G20-Länder, für die geeignete Daten verfügbar waren (Abbildung 1). Die gute Nachricht ist, dass Frauen nach diesen Schätzungen in ihren Berufen von Digitalisierung in den meisten Ländern nur etwa gleich stark oder sogar weniger gefährdet sind als Männer (Ausnahme Japan). Insbesondere im Bereich der generell stark gefährdeten geringqualifizierten Berufe sind Frauen meist sehr viel weniger bedroht als Männer (30-55% gegenüber 60-75%), da sie selten in Berufen wie Maschinenführer oder Fließbandarbeiter tätig sind, sondern eher in Pflege-Berufen oder in Haushalts-Dienstleistungen. Diese Berufe widerstehen einer Automatisierung (noch), weil sie Sozialkompetenz und Empathie erfordern, und damit Eigenschaften, über die Frauen nach vielen Studien häufiger und in größerem Umfang verfügen als Männer (vgl. Petrides und Furnham 2000). In mittelqualifizierten Berufen sehen die Perspektiven von Frauen je nach Land sehr unterschiedlich aus, teilweise sind sie deutlich schlechter als für Männer. Die schlechte Nachricht ist, dass Frauen in dem Bereich mit den besten Perspektiven, dem der hochqualifizierten Berufe (mit nur 20-25% Frauen wie Männern in bedrohten Berufen), nur eine Minderheit sind. Dabei steht insbesondere die Kombination aus hochqualifizierter Ausbildung und sozialer Kompetenz für gute Einkommens- und Aufstiegschancen (Deming 2015), von denen die Frauen allerdings bislang kaum profitieren können.

Politische Maßnahmen zur Stärkung von Frauen im digitalen Zeitalter

Frauen können die Chancen der Digitalisierung also zu einem Aufholspurt nutzen – sofern sichergestellt ist, dass diese Chancen nicht an beharrlich fortbestehenden Barrieren und Stereotypen scheitern – dies ist eine politische Aufgabe. Viele Länder sind bereits auf dem Weg, Frauen entsprechend für die neuen Herausforderungen zu stärken. Trotz dieser Entwicklungen ist der Fortschritt zäh – und einige frühere Studien haben dementsprechend wichtige Politikempfehlungen herausgearbeitet: Zugang zu einem universellen, erschwinglichen und sicheren Breitband-Internet; Förderung der digitalen Kompetenz von Frauen; Ermutigung der Frauen, eine tertiäre Ausbildung aufzunehmen, MINT-Berufe zu ergreifen, in eine webbasierte Unternehmerinnentätigkeit einzusteigen. Wir stellen unsererseits heraus:
  1. Mehr hochwertige Forschung zu den Wirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigungs­chancen von Frauen, besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern, sowie eine permanente Beobachtung der Entwicklung schaffen die Basis für ein Frühwarnsystem und ermöglichen schnelles politisches Eingreifen, wo erforderlich.
  2. Sozialkompetenz und emotionale Intelligenz schützen selbst in geringqualifizierten Berufen vor Jobverlust; Frauen in diesem Bereich sollten das als ihren Vorteil nutzen. Allerdings sollten die betreffenden Berufe gesellschaftlich besser wertgeschätzt und entsprechend bezahlt werden, zumal es, beispielsweise im Gesundheits- und Pflegebereich, oft nicht um marktmäßige, sondern um administrierte (=willkürliche) Entlohnungen geht.
  3. Eine Kombination der besonderen Sozialkompetenz von Frauen mit höherer und akademischer Ausbildung, besonders auch in MINT-Fächern, kann ihnen den Aufstieg ermöglichen und bietet Perspektiven, Leitungsaufgaben wahrnehmen zu können. Mädchen und Frauen sollten dahingehend ermutigt und gefördert werden.
  4. Staatliche Wohlfahrtsprogramme können über Frauen als Empfängerinnen der Leistungen abgewickelt werden; damit haben Schwellen- und Entwicklungsländer in Programmen, die Sozialleistungen zudem an Bedingungen wie Schulbesuch und ärztliche Überwachung der Kinder knüpfen, gute Erfahrungen gemacht. Solche Vorgehensweise stärkt Frauen in ihren Familien, macht sie selbstbewusster, und verbessert gleichzeitig die Effizienz der Programme.
  5. Durch Online-Portale und Unternehmerinnen-Netzwerke können Frauen zur Aufnahme von  Unternehmerinnentätigkeit ermutigt werden; das kann auch als Ausweg dienen, wenn Perspektiven auf den regulären Arbeitsmärkten versperrt sind. Solche Portale können Erfahrungsaustausch, Fortbildungskurse, Anschauungsunterricht für neue Rollenmodelle bieten.
  6. Dazu muss auch der Zugang für Unternehmerinnen zu Finanzmitteln verbessert werden, z.B. durch innovative webbasierte Finanzierungsmöglichkeiten wie Crowdfunding und Angel-Investment, und durch Risikoabwägung über Big-Data-Analyse, gestützt auf Webinformationen, z.B. zum Verlauf vergangener Transaktionen u.ä., ergänzend zu herkömmlichen Sicherheiten.

Literatur

Deming, D.J. (2015). The Growing Importance of Social Skills in the Labor Market. NBER Working Paper 21473, National Bureau of Economic Research, Cambridge, Ma. Frey, C.B., and M.A. Osborne (2017). The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation? Technological Forecasting and Social Change 114: 254–280 (als Thesenpapier seit 2013 im Internet verfügbar). Petrides, K.V. and A. Furnham (2000). Gender Differences in Measured and Self-Estimated Trait Emotional Intelligence. Sex Roles, Vol. 42, 449-461. Sorgner, A., E. Bode, C. Krieger-Boden (2017). The Effects of Digitalization on Gender Equality in the G20 Economies. Mit Beiträgen von U. Aneja, S. Coleman, V. Mishra, A. Robb. Gutachten für Women20 (W20). Kiel Institute for the World Economy, E-Book, Kiel.
  • 1  Die jüngste Kampagne #MeToo, die auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht hat, hat ihre enorme länderübergreifende Wirkung erst durch soziale Netzwerke entfalten können.
©KOF ETH Zürich, 5. Jan. 2018

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