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Makroökonomische Effekte einer populistischen Wirtschaftspolitik

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Seit dem Erstarken populistischer Parteien taucht der Begriff "populistische Wirtschaftspolitik" vermehrt in der wirtschaftspolitischen Diskussion auf. Wie bei vielen volkswirtschaftlichen Schlagworten gibt es auch bei diesem Begriff keine verbindliche und allgemein akzeptierte Definition. Dieser Beitrag skizziert die möglichen makroökonomischen Konsequenzen, wenn große Industrienationen diesen wirtschaftspolitischen Weg einschlagen sollten. Kennzeichen einer populistischen Wirtschaftspolitik Eine allgemeingültige Definition des Begriffs "populistische Wirtschaftspolitik" existiert gegenwärtig (noch) nicht.[ 1 ] Unter Rückgriff auf die Überlegungen von Müller 2016, Müller 2017 und Andersen et al. 2017 ist diese Wirtschaftspolitik meiner Ansicht nach durch folgende Merkmale

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Seit dem Erstarken populistischer Parteien taucht der Begriff "populistische Wirtschaftspolitik" vermehrt in der wirtschaftspolitischen Diskussion auf. Wie bei vielen volkswirtschaftlichen Schlagworten gibt es auch bei diesem Begriff keine verbindliche und allgemein akzeptierte Definition. Dieser Beitrag skizziert die möglichen makroökonomischen Konsequenzen, wenn große Industrienationen diesen wirtschaftspolitischen Weg einschlagen sollten.

Kennzeichen einer populistischen Wirtschaftspolitik

Eine allgemeingültige Definition des Begriffs "populistische Wirtschaftspolitik" existiert gegenwärtig (noch) nicht.[ 1 ] Unter Rückgriff auf die Überlegungen von Müller 2016, Müller 2017 und Andersen et al. 2017 ist diese Wirtschaftspolitik meiner Ansicht nach durch folgende Merkmale geprägt:

  • Eine  populistische Wirtschaftspolitik will den Bürgern im Hier und Jetzt ein  Leben über den Verhältnissen ermöglichen. Die Regierung ergreift für die  Lösung wirtschaftspolitischer Probleme einfache, schnell wirkende  Maßnahmen und ignoriert deren mittel- und langfristige Kosten. Notwendige  Wirtschaftsreformen unterbleiben, um die Popularität der Regierung nicht  zu gefährden.
  • Die  Kosten dieser kurzfristigen Wohlstandssteigerung werden den zukünftig  lebenden Menschen aufgebürdet. Sie müssen die Auslandsverschuldung  begleichen und zudem die langfristigen Wachstumseinbußen eines  unterbliebenen technologischen Fortschritts und Strukturwandels tragen.
  • Die  wirtschaftlichen Akteure werden dabei aufgeteilt in die einheimische  Bevölkerung, deren Wohlstand und Arbeitsplätze durch das vorherrschende  Wirtschaftssystem bedroht sind, und eine ihnen gegenüberstehende kleine  Gruppe von Profiteuren (einheimische Eliten in Politik und Wirtschaft  sowie das Ausland).

Zu den wichtigsten Instrumenten dieser Wirtschaftspolitik gehören: Steuersenkungen und dauerhaft kreditfinanzierte Staatsausgabenerhöhungen, hohe Importbeschränkungen bei einer gleichzeitigen Subventionierung der exportierenden Unternehmen, massive Eingriffe in das Preissystem durch Subventionen, Mindest- und Höchstpreise sowie eine Verschuldung der gesamten Volkswirtschaft im Ausland.

Bisherige Erfahrungen mit einer populistischen Wirtschaftspolitik

Die bisherigen Erfahrungen mit einer populistischen Wirtschaftspolitik betreffen vor allem lateinamerikanische Länder in den 1970er- und 1980er-Jahren (Peru, Chile, Brasilien, Argentinien, Mexiko und Nicaragua). Rüdiger Dornbusch und Sebastian Edwards untersuchten diese Länder und veröffentlichten ihre Ergebnisse 1991 in dem bahnbrechenden Buch "The Macroeconomics of Populism in Latin America". Sie identifizierten dort vier Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung (vgl. Dornbusch/Edwards 1991, S. 11 – 12):

  1. Steuersenkungen und Staatsausgabenerhöhungen stärken kurzfristig Wachstum und Beschäftigung, erhöhen aber auch die Staatsverschuldung. Die hohe Binnennachfrage kann nicht durch die heimische Produktion bedient werden, daher nehmen die kreditfinanzierten Importe zu. Es kommt zu einem Leistungsbilanzdefizit und das Inland verschuldet sich im Ausland.
  2. Nachfragesteigerungen führen zu Preisanstiegen. Ein wachsendes Leistungsbilanzdefizit bewirkt eine Abwertung der heimischen Währung, die die Importe aus dem Ausland verteuert. Die Inflationssteigerung führt zu Lohnsteigerungen (Lohn-Preis-Spirale). Staatliche Subventionen mildern die Kaufkraftverluste der wachsenden Inflation ab. Das staatliche Defizit und die Verschuldung im Ausland vergrößern sich. Zur Verringerung der Importe werden protektionistische Maßnahmen ergriffen.
  3. Die staatlichen Bemühungen zur Eindämmung von Inflation und Abwertung der heimischen Währung bleiben erfolglos. Leistungsbilanzdefizit, Auslands- und Staatsverschuldung werden größer. Die Reallöhne sinken, weil die Lohnsteigerungen die Inflationsraten nicht mehr kompensieren können. Kapitalflucht führt zu Investitionsrückgängen. Produktion und Beschäftigung gehen zurück, das Bruttoinlandsprodukt schrumpft. Der zunehmende Devisenmangel und die nachlassende Bonität schränken die Importmöglichkeiten ein, es kommt zu Versorgungsengpässen der Bevölkerung.
  4. Hyperinflation und wachsende Verschuldung führen letztendlich zu einem massiven Wirtschaftseinbruch und zur Abwahl bzw. zum Sturz der Regierung. Um die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder in Gang zu bringen, sind finanzielle Unterstützungen aus dem Ausland – z. B. durch den Internationalen Währungsfonds – notwendig.

Aktuelle Trends einer populistischen Wirtschaftspolitik

Gegenwärtig gibt es eine Reihe von Parteien und Politikern in westlichen Industrienationen, deren wirtschaftspolitische Programme als Elemente einer populistischen Wirtschaftspolitik angesehen werden können. Beispiele sind die rechtspopulistische "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ), die nationalkonservative polnische Partei "Recht und Gerechtigkeit" (Prawo i Sprawiedliwo?? PiS), Marine Le Pen und der "Front National" in Frankreich, aber auch US-Präsident Donald Trump.

Welche Auswirkungen sich hieraus für die Weltwirtschaft ergeben, ist nicht eindeutig. Die bisherigen Erfahrungen mit einer populistischen Wirtschaftspolitik beschränken sich auf kleine Volkswirtschaften, die zudem nur über einen relativ geringen wirtschaftlichen Entwicklungsstand verfügten. Für die Weltwirtschaft als Ganzes spielten diese Länder daher keine große Rolle.

Falls nun große, hoch entwickelte Industrienationen eine populistische Wirtschaftspolitik anwenden, hat das auf die weltwirtschaftliche Entwicklung andere Effekte. Die grundsätzlichen Wirkungszusammenhänge dürften so ausfallen wie beschrieben. Einige Konsequenzen werden weniger gravierend sein als bei den lateinamerikanischen Erfahrungen. In anderen Bereichen aber könnten die globalen Auswirkungen wesentlich weitreichender sein.

Ähnliche makroökonomische Auswirkungen

Die Kombination aus Staatsausgabensteigerungen und Steuersenkungen wird auch in entwickelten Industrienationen zu einem Anstieg der Staatsverschuldung und einer Erhöhung des Leistungsbilanzdefizits führen. Kurzfristig bewirkt der durch die Finanzpolitik ausgelöste Wachstumsimpuls einen Anstieg von Produktion und Beschäftigung. Die Aussicht auf einen Konjunkturaufschwung motiviert ausländische Investoren, ihr Geld in dem Land mit der populistischen Wirtschaftspolitik anzulegen. Die Folge ist eine höhere Nachfrage nach der Währung des Landes und damit eine Aufwertung. Irgendwann stoßen die Verschuldungsmöglichkeiten der Regierung jedoch an Grenzen. Die dann notwendigen Steuererhöhungen und Staatsausgabensenkungen schwächen die Güternachfrage. Damit kommt es zu einer Abschwächung der Produktion und Beschäftigung, die in eine Rezession umschlagen kann.

Weniger gravierende makroökonomische Auswirkungen

Die lateinamerikanischen Erfahrungen mit einer populistischen Wirtschaftspolitik sind geprägt von einer Hyperinflation sowie einer wachsenden Staats- und Auslandsverschuldung, die schließlich in einem Staatsbankrott endeten. Die Gefahr eines Staatsbankrotts ist für die USA und Europa zumindest kurzfristig nicht gegeben, weil entwickelte Industrienationen eine viel höhere Bonität haben als weniger entwickelte Länder.

Auch die Gefahr einer Hyperinflation sehe ich nicht. In den lateinamerikanischen Ländern wurde die Inflation von der Abwertung der heimischen Währungen beschleunigt: Wenn die internationalen Kapitalanleger das Vertrauen in die Währung eines Landes verlieren, trennen sie sich von dessen Währung. Sofern die Zentralbank des betreffenden Landes keine Gold- und Devisenreserven besitzt, hat sie keine Möglichkeit, durch den Kauf der eigenen Währung an den Devisenmärkten den Preis ihrer Währung zu stabilisieren. Große Industrienationen verfügen hingegen in der Regel über ausreichende Gold- und Devisenreserven, die sie zur Stärkung der eigenen Währung einsetzen können.

Gravierendere makroökonomische Auswirkungen

Wenn ökonomische Schwergewichte wie die USA oder Frankreich protektionistische Maßnahmen ergreifen, kann dies zu Vergeltungsmaßnahmen anderer Länder führen. Die Folge wäre ein globaler Handelskrieg. Möglich ist auch ein globaler Abwertungswettlauf: Die Abwertung der eigenen Währung ist ein schnell wirkendes Instrument, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen zu verbessern. Falls viele Zentralbanken diese geldpolitische Strategie verfolgen, kommt es zu einer globalen Überliquidität. Damit steigt die Gefahr, dass sich an den Kapitalmärkten Spekulationsblasen bilden, die früher oder später platzen. Die Konsequenz ist ein realwirtschaftlicher Absturz – so wie nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA und der damit verbundenen Lehman-Pleite.

Ausblick

Im Ergebnis birgt eine wirtschaftspolitische Entwicklung, die in großen Industrienationen zu einer populistischen Wirtschaftspolitik im hier definierten Sinne führt, für die weltwirtschaftliche Entwicklung erhebliche Gefahren. Die negativen Effekte für Produktion und Beschäftigung der Weltwirtschaft dürften langfristig weit über das Ausmaß hinausgehen, das wir von den bisherigen lateinamerikanischen Experimenten eines populistischen Wirtschaftskurses kennen.

Andersen, T. M. et al. (2017): Wirtschaftspolitik und Aufstieg des Populismus – So einfach ist das nicht!, Ökonomenstimme.

Dornbusch, R./ Edwards, S. (1991): The Macroeconomics of Populism. In: Dornbusch, R./ Edwards, S. (Hrsg.): The Macroeconomics of Populism in Latin America. Chicago und London, S. 7 – 13.

Müller, H. (2017): Nationaltheater – Wie falsche Patrioten unseren Wohlstand bedrohen. Frankfurt und New York.

Müller, H. (2016): Die vier Merkmale populistischer Wirtschaftspolitik.[ a ] Manager Magazin.


©KOF ETH Zürich, 8. Jan. 2018

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