Auf der Ökonomenstimme läuft die Diskussion über das "Geld aus dem Nichts" bereits seit ein paar Monaten. Nicht zuletzt aufgrund der Vollgeldinitiative in der Schweiz wird nun auch ausserhalb von VWL-Kreisen verstärkt über die Geldschöpfung privater Geschäftsbanken diskutiert. Dieser Beitrag weist darauf hin, dass im Prinzip jedermann Geld schöpfen kann, dass das durch Banken geschöpfte Geld jedoch (noch) besonderes Vertrauen geniesst, das im Zweifelsfall mit staatlicher Unterstützung gesichert werden muss. Die Debatte um die Vollgeldinitiative hat ein Thema in das Zentrum der öffentlichen Diskussion gerückt, das bis vor kurzem neben wenigen Wissenschaftlern nur VWL-Studenten in Einführungsvorlesungen beschäftigte: Die Geldschöpfung im Bankensystem.[ 1 ] Weithin bekannt ist,
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Auf der Ökonomenstimme läuft die Diskussion über das "Geld aus dem Nichts" bereits seit ein paar Monaten. Nicht zuletzt aufgrund der Vollgeldinitiative in der Schweiz wird nun auch ausserhalb von VWL-Kreisen verstärkt über die Geldschöpfung privater Geschäftsbanken diskutiert. Dieser Beitrag weist darauf hin, dass im Prinzip jedermann Geld schöpfen kann, dass das durch Banken geschöpfte Geld jedoch (noch) besonderes Vertrauen geniesst, das im Zweifelsfall mit staatlicher Unterstützung gesichert werden muss.
Die Debatte um die Vollgeldinitiative hat ein Thema in das Zentrum der öffentlichen Diskussion gerückt, das bis vor kurzem neben wenigen Wissenschaftlern nur VWL-Studenten in Einführungsvorlesungen beschäftigte: Die Geldschöpfung im Bankensystem.[ 1 ] Weithin bekannt ist, dass Zentralbanken Zahlungsmittel in Umlauf bringen. Dies geschieht in aller Regel, indem Geschäftsbanken den Zentralbanken Devisen und Wertschriften verkaufen oder verleihen und dafür hochliquide Guthaben bei den Zentralbanken gutgeschrieben erhalten. Weniger bekannt war bis anhin, dass auch die Geschäftsbanken selber Geld "aus dem Nichts" schöpfen. Sie kreieren Sichteinlagen, also täglich fällige Forderungen auf Zahlungsverkehrskonten, nicht nur im Tausch gegen Zentralbankgeld, das die Kunden bei ihnen einzahlen, sondern auch im Zuge der Kreditgewährung.
Befragungen zufolge zeigen sich viele Bürger erstaunt über diese Praxis und nicht wenige äussern Unbehagen oder lehnen die Geldschöpfung durch den Privatsektor gänzlich ab. Dies ist aus ökonomischer Sicht teilweise auch nachvollziehbar. Denn mit Sichteinlagen schafft der Privatsektor (neben Chancen) auch Risiken, deren Bewältigung im Verantwortungsbereich des Staates liegt. Die private Geldschöpfung birgt somit die Gefahr, dass das zentrale ökonomische Gebot der Einhaltung des Verursacherprinzips verletzt wird.
Drei Irrtümer
Zugleich spiegeln das Unbehagen und die Ablehnung aber auch Missverständnisse wider. Drei Fehlinterpretationen fallen dabei besonders ins Gewicht. Erstens ist fast immer davon die Rede, dass es Banken sind, die Geld aus dem Nichts schöpfen. Dies ist insofern irreführend, als Finanzinstitute dazu alleine gar nicht in der Lage sind. Denn sie brauchen zur Geldschöpfung eine Gegenpartei, den Kunden, der bereit ist, die Sichteinlagen zu akzeptieren. Wenn Geschäftsbanken im Rahmen der Möglichkeiten, die durch die Zentralbank und die Bankenaufsicht eingeräumt werden, Geld schöpfen wollen, dann können sie dies also nur im Einvernehmen mit ihren Kunden tun und somit nur so lange, wie ihre Kunden ihnen Vertrauen entgegenbringen.
Ein zweites Missverständnis betrifft den Charakter des geschöpften Geldes. Viele Kritiker scheinen zu glauben, dass es den Geschäftsbanken selbst als Zahlungsmittel dient, sie sich also gewissermassen selbst zu Geld verhelfen können. Dies ist natürlich nicht der Fall. Durch Geldschöpfung erzeugte Sichteinlagen stellen Schulden des Finanzinstituts dar, nicht Vermögenswerte.
Wenn eine Geschäftsbank ein Darlehen vergibt und durch neu geschaffene Sichteinlagen finanziert, dann erhöhen sich ihre Aktiva im Umfang des illiquiden Darlehens und die Passiva (im gleichen Umfang) um die neuen Einlagen. Beim Kreditnehmer verlängert sich die Bilanz spiegelbildlich: Seine Aktiva erhöhen sich um die neuen Sichteinlagen und seine Passiva um das Darlehen. Als Zahlungsmittel dienen die Sichteinlagen dem Kreditnehmer und nicht der Bank, die sie geschöpft hat.
Jede/r kann "Geld" schöpfen
Drittens schliesslich handelt es sich bei der Geldschöpfung durch Geschäftsbanken nicht um ein derartiges Privileg, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Denn im Prinzip kann jedermann Geld schöpfen. Wenn beispielsweise ein Einzelhändler seinen Kunden Coupons schenkt, die gegen einen Liter Milch eingetauscht werden können, dann vollzieht sich ein ähnlicher Prozess wie bei der Geldschöpfung durch Geschäftsbanken. Auch der Einzelhändler emittiert eine Forderung, und wenn die Coupons noch mehrmals die Hände wechseln, bevor sie eingelöst werden, dann übernehmen sie dieselbe Funktion wie Sichteinlagen einer Geschäftsbank, die zur Begleichung von Rechnungen überwiesen werden. Der Unterschied zwischen Sichteinlagen und Coupons in den oben genannten Beispielen liegt darin, dass die Coupons verschenkt werden, während die Sichteinlagen im Tausch gegen die Darlehensschuld in Umlauf kommen.
Das Coupon-Beispiel macht deutlich, dass Geld nicht einfach zu definieren ist. Jedes Blatt Papier, auf dem eine Partei eine Leistung zusichert und das andere Parteien im Vertrauen darauf entgegennehmen, es weitergeben und eintauschen zu können, kann eine Form von Geld darstellen. Geldschöpfung ist somit (noch) viel alltäglicher, als dies mancher vermutet.
Wahr ist aber auch, dass die Geldschöpfung durch Geschäftsbanken sich von anderen Formen privater Geldschöpfung abhebt. Ein wesentlicher Grund hierfür besteht darin, dass wir gelernt haben, Bankengeld ein höheres Mass an Vertrauen entgegenzubringen als anderen von Privaten emittierten Forderungen. Und dies wiederum spiegelt die Tatsache wider, dass über Jahrzehnte hinweg ein gesellschaftlicher Konsens dahingehend bestand, dass die Bonität von Geschäftsbankengeld im Zweifel mit staatlicher Unterstützung gesichert werden muss. Dieser Konsens steht nicht zuletzt aufgrund der Vollgeldinitiative vermehrt zur Debatte.
©KOF ETH Zürich, 20. Nov. 2017