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Müssen Zentralbanken die Blockchain fürchten?

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Mittelfristig dürfte den Zentralbanken nichts anderes übrig bleiben, als bei der Blockchain-Technologie mitzutun, wie dieser Beitrag zeigt. Während Bitcoin, die Krypto-Währung beinahe mystischen Ursprungs, an Faszination eingebüsst hat, zieht die zugrunde liegende Blockchain-Technologie zunehmend Interesse auf sich. Neben Banken und anderen Finanzinstituten sind auch Zentralbanken aufmerksam geworden. Kaum eine Woche vergeht ohne die Ankündigung einer namhaften Notenbank, die neue Technologie aufmerksam beobachten und gegebenenfalls einsetzen zu wollen. Was werden die Konsequenzen hieraus für das Geld- und Währungssystem sein? Mittels Blockchain können Käufer und Verkäufer Transaktionen innerhalb eines dezentralen Netzwerkes abwickeln. Kauf- und Verkaufsmitteilungen werden an das Netzwerk übermittelt und von seinen Mitgliedern geprüft. Sofern keine Inkonsistenzen vorliegen, werden die Mitteilungen verbindlich und in einem elektronischen Transaktionsverzeichnis festgehalten. Die Netzwerkstruktur und systemimmanente Anreize der Mitglieder vereiteln Betrugsversuche. Daher verliert das Vertrauen, das bei konventionell abgewickelten Finanztransaktionen zentral ist und durch die Reputation zwischengeschalteter Intermediäre gestiftet wird, an Bedeutung. Auch Gegenparteien, die sich nicht kennen oder sich nicht vertrauen, können mittels Blockchain bilateral Geschäfte tätigen.

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Dirk Niepelt considers the following as important:

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Mittelfristig dürfte den Zentralbanken nichts anderes übrig bleiben, als bei der Blockchain-Technologie mitzutun, wie dieser Beitrag zeigt.

Während Bitcoin, die Krypto-Währung beinahe mystischen Ursprungs, an Faszination eingebüsst hat, zieht die zugrunde liegende Blockchain-Technologie zunehmend Interesse auf sich. Neben Banken und anderen Finanzinstituten sind auch Zentralbanken aufmerksam geworden. Kaum eine Woche vergeht ohne die Ankündigung einer namhaften Notenbank, die neue Technologie aufmerksam beobachten und gegebenenfalls einsetzen zu wollen. Was werden die Konsequenzen hieraus für das Geld- und Währungssystem sein?

Mittels Blockchain können Käufer und Verkäufer Transaktionen innerhalb eines dezentralen Netzwerkes abwickeln. Kauf- und Verkaufsmitteilungen werden an das Netzwerk übermittelt und von seinen Mitgliedern geprüft. Sofern keine Inkonsistenzen vorliegen, werden die Mitteilungen verbindlich und in einem elektronischen Transaktionsverzeichnis festgehalten. Die Netzwerkstruktur und systemimmanente Anreize der Mitglieder vereiteln Betrugsversuche. Daher verliert das Vertrauen, das bei konventionell abgewickelten Finanztransaktionen zentral ist und durch die Reputation zwischengeschalteter Intermediäre gestiftet wird, an Bedeutung. Auch Gegenparteien, die sich nicht kennen oder sich nicht vertrauen, können mittels Blockchain bilateral Geschäfte tätigen. Das dezentrale Netzwerk untergräbt das Modell der zentralen Intermediation.

Dies eröffnet neue Möglichkeiten. Mittelsmänner zu umgehen, erlaubt Finanzmarktteilnehmern nicht nur, Kosten zu senken, Clearing- und Settlement-Prozesse zu beschleunigen (und daher mit weniger Eigenkapital zu unterlegen) und operationelle Risiken zu verringern. Es ermöglicht auch, Transaktionen massgeschneidert abzuwickeln oder vor den Augen der Konkurrenz verborgen zu halten und gleichzeitig gegenüber Aufsichtsbehörden dokumentieren zu können. Angesichts dessen erstaunt es nicht, dass die Blockchain-Technologie Finanzintermediäre in Unruhe versetzt, unabhängig davon, ob es sich um althergebrachte Bankhäuser oder moderne Fintech-Unternehmen handelt.

Zu den Transaktionen, die sich mittels Blockchain abwickeln lassen, gehören nicht zuletzt Zahlungen in konventionellen Fiat-Währungen (wie zum Beispiel in Schweizer Franken, Euro oder Dollar) oder aber in Krypto-Währungen (zum Beispiel in Bitcoin). Für den Einsatz letzterer spricht aus Sicht des einzelnen Nutzers neben technologischen Finessen auch die Aussicht auf eine regelgebundene Geldpolitik. Im Gegensatz zu Fiat-Währungen, die der diskretionären Kontrolle von Geldpolitikern unterliegen, kann das Geldangebot einer Krypto-Währung problemlos von opportunistischen Eingriffen und politischer Einflussnahme abgeschirmt werden. Eine programmierte Geldmengenregel, die bei Bedarf auch Abhängigkeiten von quantifizierbaren Ereignissen wie Konjunkturschwankungen oder Spannungen im Interbankenmarkt abbilden kann, leistet dies mit Leichtigkeit.

Überwindung der Zeitinkonsistenz optimaler geldpolitischer Pläne

Mit der Möglichkeit zur technologisch verankerten Selbstbindung eröffnen Krypto-Währungen somit zum ersten Mal in der Geschichte die Chance, das Problem der Zeitinkonsistenz optimaler geldpolitischer Pläne zu lösen. Gegenwärtig machen die allermeisten Emittenten von Krypto-Währungen allerdings keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit. Wie ihre Kollegen in konventionellen Währungsbehörden steuern sie den Geldumlauf weitgehend diskretionär. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass gerade in der Startphase neuer Krypto-Währungen eine immense Unsicherheit über die Anforderungen an eine erfolgreiche Geldpolitik herrscht.

Für Zentralbanken bringt der Einsatz von Krypto-Währungen dieselben Probleme mit sich wie die Verwendung von Fremdwährungen in einer "dollarisierten" Wirtschaft zum Beispiel während einer Hyperinflation: Die Nachfrage nach heimischer Währung fällt und darunter leiden die Seignorage-Einnahmen. Ausserdem verliert die Notenbank aufgrund des verschärften Währungswettbewerbs Einfluss auf das Geld- und Kreditangebot und ist nur noch beschränkt in der Lage, bei Liquiditätskrisen als "Lender of last Resort" zu agieren.

Von diesen Schwierigkeiten sind die Währungsbehörden in entwickelten und wirtschaftlich stabilen Volkswirtschaften momentan jedoch noch weit entfernt. Angesichts der tiefen Liquidität von Krypto-Währungen und der damit verbundenen hohen Wechselkursvolatilität lohnt sich ihr Einsatz heute kaum, es sei denn, ein potenzieller Nutzer habe ein sehr starkes Anonymitätsbedürfnis bei der Abwicklung elektronischer Zahlungen. Doch dieser Mangel an Attraktivität kann sich legen. Wenn die Anzahl Nutzer einer Krypto-Währung erst einmal eine kritische Schwelle erreicht hat, dann wird der Einsatz des neuen Zahlungsmittels aufgrund starker Netzwerkeffekte auch für andere interessant und lukrativ. In der Folge kann der Marktanteil der Krypto-Währung in kurzer Zeit deutlich ansteigen.

Viel rascher und intensiver dürften Notenbanken mit Blockchain-Transaktionen konfrontiert werden, die in heimischer Währung abgerechnet werden. Wenn mit Hilfe der Blockchain zum Beispiel ein Wertpapierverkauf abgewickelt und in Schweizer Franken bezahlt werden soll, dann kann der Käufer den Preis auf zwei Arten begleichen. Entweder lässt er Guthaben von seiner an die Blockchain angeschlossenen Hausbank an die ebenfalls an die Blockchain angeschlossene Bank des Verkäufers überweisen. Die eigentliche Übertragung des gesetzlichen Zahlungsmittels muss dann im Nachgang zwischen den beiden Banken stattfinden und über die bestehenden Zahlungsverkehrskanäle abgewickelt werden; dies kostet Zeit und Geld.

Oder aber er kann "echte" Schweizer Franken — nicht auf Franken lautende Forderungen gegenüber seiner Hausbank — mittels Blockchain an den Verkäufer übertragen, sofern die Zentralbank hierfür die Voraussetzungen geschaffen hat. Der Bedarf an Intermediation durch Banken entfällt in diesem zweiten Fall, denn die Übertragung des Wertpapiers und des Frankenbetrages wird simultan und final mittels Blockchain abgewickelt.

Einbindung der Zentralbank für Erfolg zentral

Dieses Beispiel macht deutlich, dass das Potenzial der Blockchain-Technologie erst dann voll ausgeschöpft werden kann, wenn die Zentralbank mit in die Blockchain eingebunden ist: Verfügungsrechte über Notenbankgeld müssen direkt mittels Blockchain übertragen werden können. Um die Möglichkeiten hierfür zu schaffen, müssten Zentralbanken beträchtliche Schwierigkeiten technischer und rechtlicher Natur überwunden. Ausserdem könnten sie damit den Anstoss dazu geben, dass die bestehenden Zahlungsverkehrs- und Abwicklungskanäle gänzlich durch Blockchain basierte dezentrale Netzwerke ersetzt werden. Sollten sich Notenbanken auf ein derartiges Unterfangen einlassen?

Mittelfristig dürfte ihnen nichts anderes übrig bleiben, denn ein Abseitsstehen wäre mit grossen Risiken verbunden. Zentralbanken, die sich dem Trend zu dezentralen und effizienteren Clearingsystemen verschliessen, laufen längerfristig Gefahr, im Zahlungsverkehrsbereich zu Statisten zu verkommen und in der Folge nicht zuletzt die Fähigkeit zur wirkungsvollen Aufsicht zu verlieren. Darüberhinaus riskieren sie, dass Zahlungsverkehrsdienstleister in diejenigen Währungsräume abwandern, in denen das gesetzliche Zahlungsmittel in Formen bereitgestellt wird, die die Marktteilnehmer wünschen.

Angesichts des verschärften Währungswettbewerbs und der rasanten technologischen Entwicklung stehen Zentralbanken vor der Herausforderung, die Attraktivität "ihrer" Währungen zu erhalten. Sie sollten sicherstellen, dass das breite Publikum und nicht nur Finanzinstitute mit elektronischem Notenbankgeld bezahlen kann. Dabei kommt auch dem Blockchain-Kanal eine wichtige Bedeutung zu.

©KOF ETH Zürich, 14. Dez. 2016

Dirk Niepelt
Dirk Niepelt is Director of the Study Center Gerzensee and Professor at the University of Bern. A research fellow at the Centre for Economic Policy Research (CEPR, London), CESifo (Munich) research network member and member of the macroeconomic committee of the Verein für Socialpolitik, he served on the board of the Swiss Society of Economics and Statistics and was an invited professor at the University of Lausanne as well as a visiting professor at the Institute for International Economic Studies (IIES) at Stockholm University.

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