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Neue Geldpolitik, alte geldpolitische Optionen

Summary:
Geldpolitik war lange eine langweilige Angelegenheit, das hat sich mit der Finanzkrise schlagartig geändert. Doch der neuen "aufregenderen" Geldpolitik stehen keine neuen geldpolitischen Instrumente zur Verfügung, entsprechend sollten wir auch unsere überzogenen Erwartungen an ihre Erfolge dämpfen, wie dieser Beitrag zeigt. Früher ging es in der Geldpolitik um die behutsame Steuerung des Geldangebots. Die renommierten Zentralbanken richteten ihr Augenmerk auf die Sicherung eines stabilen Preisniveaus und berücksichtigten dabei die konjunkturelle Lage. Geldpolitik war langweilig und man konnte sich darauf verlassen, dass sie es auch blieb. Gerade deshalb war sie ein stabiler Pfeiler der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft. Die Zeiten haben sich geändert. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise wurde die behutsame Steuerung des Geldangebots durch drastische Manöver abgelöst, die zum Teil fiskalpolitischen Charakter hatten. Mittelfristige Inflations- und Konjunkturziele verloren an Bedeutung. An ihre Seite oder gar Stelle traten Bemühungen, unmittelbar drohende Bankenzusammenbrüche zu verhindern, heftige Kapitalflüsse zu bändigen oder die Solvenz von Staaten und Notenbanken zu sichern.

Topics:
Dirk Niepelt considers the following as important:

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Geldpolitik war lange eine langweilige Angelegenheit, das hat sich mit der Finanzkrise schlagartig geändert. Doch der neuen "aufregenderen" Geldpolitik stehen keine neuen geldpolitischen Instrumente zur Verfügung, entsprechend sollten wir auch unsere überzogenen Erwartungen an ihre Erfolge dämpfen, wie dieser Beitrag zeigt.

Früher ging es in der Geldpolitik um die behutsame Steuerung des Geldangebots. Die renommierten Zentralbanken richteten ihr Augenmerk auf die Sicherung eines stabilen Preisniveaus und berücksichtigten dabei die konjunkturelle Lage. Geldpolitik war langweilig und man konnte sich darauf verlassen, dass sie es auch blieb. Gerade deshalb war sie ein stabiler Pfeiler der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft.

Die Zeiten haben sich geändert. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise wurde die behutsame Steuerung des Geldangebots durch drastische Manöver abgelöst, die zum Teil fiskalpolitischen Charakter hatten. Mittelfristige Inflations- und Konjunkturziele verloren an Bedeutung. An ihre Seite oder gar Stelle traten Bemühungen, unmittelbar drohende Bankenzusammenbrüche zu verhindern, heftige Kapitalflüsse zu bändigen oder die Solvenz von Staaten und Notenbanken zu sichern.

Veränderte Wahrnehmung der Rolle der Notenbanken

Die Wucht der Schocks, mit denen sich die Zentralbanken konfrontiert sahen, und die Dringlichkeit, mit der es auf sie zu reagieren galt, überstiegen das gewohnte Mass. Entsprechend kräftig fielen die Reaktionen aus. Gleichzeitig veränderte sich die öffentliche Wahrnehmung der Notenbanken: Konservative, schwerfällig anmutende Institutionen mit farblosen Bürokraten an ihrer Spitze mauserten sich zu Sondereinsatzkommandos unter der Führung medialer Helden, die bereitwillig Verantwortung übernahmen. Die Sondereinsatzkommandos konnten den Kollaps abwenden. Doch die Krisenherde aus der Welt schaffen und die Folgen der Rettungseinsätze kurzfristig ungeschehen machen konnten sie nicht — und auch in Zukunft werden sie dazu nicht in der Lage sein.

Die Helden von einst sind nicht zu beneiden. Nach den spektakulären Erfolgen der letzten Jahre bei der vorläufigen Sicherung des Finanzsystems sehen sie sich vielerorts mit Erwartungen konfrontiert, die nicht zu erfüllen sind, und ihre Arbeit wird dadurch erschwert. Doch die Verantwortung hierfür liegt nicht zuletzt bei den Zentralbanken selbst.

Zum einen haben sie sich mit der Übernahme neuer Aufgaben insbesondere im Bereich der Finanzstabilität dem Risiko ausgesetzt, verschiedene Ziele erreichen zu müssen, ohne ausreichend viele Instrumente zu deren Erreichung zur Verfügung zu haben. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Zielkonflikten kommt, dass Ziele verfehlt werden und in der Folge das Vertrauen in die Kompetenz oder die Zuverlässigkeit der geldpolitischen Akteure leidet. In der Hochphase der Finanzkrise war dieses Risiko sehr begrenzt, weil die traditionellen Stabilitätsziele und das Bemühen um Finanzstabilität ähnliche Massnahmen erforderten und die Öffentlichkeit ohnehin stark auf die Finanzstabilität fokussierte. Doch in der Zukunft wird dies nicht mehr immer der Fall sein.

Zum anderen haben die Zentralbankvertreter auch dadurch zu überhöhten Erwartungen beigetragen, dass sie mit dem Einsatz "neuer" geldpolitischer Instrumente den Anschein erweiterter Handlungsoptionen erweckten, obwohl diese gar nicht bestanden. Ein gutes Beispiel hierfür ist "Quantitative Easing (QE)" — der grossangelegte Kauf von Wertpapieren durch die Zentralbank mit dem Ziel der Senkung der langfristigen Zinsen. QE geht zwar über traditionelle Offenmarktoperationen hinaus, was das Volumen und die Vielfalt der gekauften Wertpapiere betrifft, doch die Gesetzmässigkeiten der Zinsstruktur setzt es nicht ausser Kraft.

Auf friktionsfreien Finanzmärkten spiegeln langfristige Zinsen die erwarteten durchschnittlichen kurzfristigen Zinsen (und Laufzeitenprämien). Die Wirkungen von QE entsprechen daher denjenigen einer konventionellen Geldpolitik, die eine Sequenz von Kurzfristzinsen ankündigt und die Ankündigung entsprechend umsetzt. Unterschiede zwischen QE und konventioneller Geldpolitik ergeben sich nur dann, wenn es an Vertrauen in die Zentralbank mangelt. Denn die mit QE verbundene Ausweitung der Zentralbankbilanz schafft im Gegensatz zur blossen Ankündigung zukünftiger Zinsschritte Tatsachen und kann deswegen glaubwürdiger wirken. Auf der anderen Seite wird die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik aber auch untergraben, wenn QE einen fiskalpolitischen Charakter annimmt.

Weitere Unterschiede ergeben sich infolge von Marktverwerfungen. Wenn das Zusammenspiel der Zinsen über Laufzeiten hinweg nicht mehr friktionsfrei funktioniert, dann macht es einen Unterschied, ob die Zentralbank direkt am Markt für langlaufende Titel interveniert oder aber wiederholt die kurzfristigen Zinsen beeinflusst. Allerdings ist in solch einem Umfeld segmentierter Märkte auch unklar, ob eine Intervention überhaupt die gewünschten Transmissionseffekte und Wirkungen auf die Realwirtschaft entfaltet. Denn die Marktsegmentierung kann dann ebenso das Zusammenspiel der Zinsen über Wertpapierklassen hinweg unterbinden; eine Reduktion der Zinsen langlaufender Staatsanleihen muss also keineswegs auch zu einer Reduktion der Zinsen beispielsweise für Unternehmensanleihen führen. QE läuft daher bestenfalls auf die gezielte Umgehung spezifischer Transmissionshemmnisse hinaus. Im schlechtesten Fall reflektiert es lediglich die Ratlosigkeit der geldpolitischen Entscheidungsträger. So oder so, eine wirkliche Erweiterung der geldpolitischen Möglichkeiten bringt es nicht mit sich.

Instrumentarium bleibt das alte

Auch was die Beeinflussung von Wechselkursen anbelangt trügt der Schein, dass das Betreten geldpolitischen Neulands in den vergangenen Jahren mit erweiterten Handlungsoptionen verbunden war. Denn Devisenkurse, Zinsen und Geldmengen sind aufs Engste miteinander verzahnt und können nicht unabhängig voneinander beeinflusst werden. Der Wechsel von einer "Geldmengen-" oder "Zinspolitik" zu einer "Wechselkurspolitik" sagt daher weniger über die Vielfalt des zur Verfügung stehenden geldpolitischen Instrumentariums aus als vielmehr über das vorrangige Ziel der Zentralbank und ihre Kommunikationsstrategie. Die Handlungsoptionen bleiben grundsätzlich dieselben. Wo dies missverstanden wird, da weckt ein Politikwechsel übertriebene Erwartungen und führt in der Konsequenz zu Enttäuschungen.

Dies gilt auch für die Politik der Schweizerischen Nationalbank. Die vor einem Jahr aufgegebene Fixierung einer Wechselkursuntergrenze zum Euro ist nicht grundsätzlich verschieden von einer Politik, bei der die Zinsen und damit zusammenhängend die Geldmenge derart gesteuert werden, dass sich im Endeffekt ein Wechselkurs in der gewünschten Höhe einstellt. Unter der bis vor einem Jahr verfolgten "Wechselkurspolitik" garantierte die Nationalbank den Mindestpreis ausländischer Devisen und gab in der Konsequenz die Kontrolle über das Zinsniveau und die Länge ihrer Bilanz preis. Heute hat sie diese Kontrolle zurückgewonnen, sofern sie nicht weiterhin ein Wechselkursziel verfolgt.

Nach dem Ausbruch der Finanzkrise haben die führenden Zentralbanken Neuland betreten, was die Dramatik und die Ansatzpunkte ihrer Politik betrifft. Doch die grundsätzlichen makroökonomischen Zusammenhänge sind die Gleichen geblieben. Dies in Erinnerung zu rufen und überzogene Erwartungen zu dämpfen liegt im ureigenen Interesse der Notenbanken. Denn nur so können sie Unverständnis, Enttäuschung und Ungeduld auf Seiten von Politik und Öffentlichkeit vorbeugen und dadurch vermeiden, dass früher oder später ihre Unabhängigkeit in Frage gestellt wird.

©KOF ETH Zürich, 21. Jan. 2016

Dirk Niepelt
Dirk Niepelt is Director of the Study Center Gerzensee and Professor at the University of Bern. A research fellow at the Centre for Economic Policy Research (CEPR, London), CESifo (Munich) research network member and member of the macroeconomic committee of the Verein für Socialpolitik, he served on the board of the Swiss Society of Economics and Statistics and was an invited professor at the University of Lausanne as well as a visiting professor at the Institute for International Economic Studies (IIES) at Stockholm University.

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