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Helikopter-Geld für die Eurozone – Die Ultima Ratio der Geldpolitik?

Summary:
Soll die EZB zum Mittel des "Helikopter-Geldes" greifen, um die Inflation anzukurbeln? Dieser Beitrag zweifelt an der Wirksamkeit dieser direkten monetären Finanzierung. Das Ausbleiben eines spürbaren Anstiegs der Inflation in der Eurozone in den kommenden Monaten dürfte die Diskussion ob einer monetären Finanzierung weiter begünstigen. Doch ob nun gerade Helikopter-Geld die Inflation in der Eurozone nachhaltig anzukurbeln vermag, ist, von den juristischen Hürden einmal abgesehen, mehr als fraglich. Ein Blick nach Japan verheißt nichts Gutes. Darüber hinaus käme das Ergreifen einer derartigen Maßnahme einer Verzweiflungstat der EZB gleich: räumte sie doch ein, dass neben dem Zins-, Kredit- und Erwartungskanal nun auch die bisher ergriffenen unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen versagten. In dem Maße, in dem die Inflation in der Eurozone mit nur 0,2% j/j im Juli 2016 weit unterhalb des Ziels der Europäischen Zentralbank (EZB) von "below to, but close to 2% over the medium term" verharrt und die durch Kreditvergabe seitens europäischer Geschäftsbanken für den privaten Sektor induzierte Geldschöpfung weiterhin schwächelt, erfreut sich die Idee des Helikopter-Geldes zur Abwendung einer "Japanisierung" der Eurozone zunehmender Beliebtheit. So antwortete Mario Draghi, Präsident der EZB, anlässlich der Pressekonferenz zur Verkündung geldpolitischer Beschlüsse am 10.

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Soll die EZB zum Mittel des "Helikopter-Geldes" greifen, um die Inflation anzukurbeln? Dieser Beitrag zweifelt an der Wirksamkeit dieser direkten monetären Finanzierung.

Das Ausbleiben eines spürbaren Anstiegs der Inflation in der Eurozone in den kommenden Monaten dürfte die Diskussion ob einer monetären Finanzierung weiter begünstigen. Doch ob nun gerade Helikopter-Geld die Inflation in der Eurozone nachhaltig anzukurbeln vermag, ist, von den juristischen Hürden einmal abgesehen, mehr als fraglich. Ein Blick nach Japan verheißt nichts Gutes. Darüber hinaus käme das Ergreifen einer derartigen Maßnahme einer Verzweiflungstat der EZB gleich: räumte sie doch ein, dass neben dem Zins-, Kredit- und Erwartungskanal nun auch die bisher ergriffenen unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen versagten.

In dem Maße, in dem die Inflation in der Eurozone mit nur 0,2% j/j im Juli 2016 weit unterhalb des Ziels der Europäischen Zentralbank (EZB) von "below to, but close to 2% over the medium term" verharrt und die durch Kreditvergabe seitens europäischer Geschäftsbanken für den privaten Sektor induzierte Geldschöpfung weiterhin schwächelt, erfreut sich die Idee des Helikopter-Geldes zur Abwendung einer "Japanisierung" der Eurozone zunehmender Beliebtheit. So antwortete Mario Draghi, Präsident der EZB, anlässlich der Pressekonferenz zur Verkündung geldpolitischer Beschlüsse am 10. März 2016 auf die Frage, ob das geldpolitische Instrumentarium der EZB auch das sogenannte Helikopter-Geld enthalte "it's a very interesting concept that is now being discussed by academic economists and in various environments".

Nach Maßgabe der Befürworter des Helikopter-Geldes stößt die bereits heute außergewöhnlich expansive Geldpolitik der EZB schon seit geraumer Zeit an die Grenzen des Möglichen. Dies machte weitere Schritte erforderlich. Der Hauptrefinanzierungszins liegt bei 0,0%; der Einlagenzins sogar bei -0,4% und infolge des Quantitative Easing (QE), also der sog. Quantitativen Lockerung, wuchs die Bilanz der EZB auf mittlerweile €3.286,1Mrd. (per Ende KW 31) an. Selbst wenn der Einlagenzins in den kommenden Monaten nochmals gesenkt würde (wovon zahlreiche Marktteilnehmer ausgehen), könnte sich eine weitere Aufstockung der Anleihekäufe als schwierig erweisen. Die EZB stieße möglicherweise an ihre selbst gesetzte Grenze: "amounts purchased will never exceed one third of a country’s debt issuance").

Ungeachtet der zunehmenden Verwendung des Begriffs "Monetary Financing" bzw. der sog. Monetären Finanzierung, welche umgangssprachlich auch als Helikopter-Geld (im weiteren Sinne) zu verstehen ist, gibt es keine eindeutige Definition. Vereinfacht dargestellt, handelt es sich bei der Monetären Finanzierung um wenig anderes als die Fähigkeit einer Zentralbank, im wahrsten Sinne des Wortes "Geld zu drucken", sei es Form von Banknoten oder durch die Schaffung von Giralgeld zugunsten von Geschäftsbanken, Regierungen oder Individuen. Anhand des Helikopter-Geldes könnte so Geld geschaffen werden, ohne dass Banken Kredite vergeben oder Staaten sich verschulden müssten.

Wie die konkrete Ausgestaltung des Konzepts allerdings aussehen könnte, bleibt umstritten. Unstrittig ist, dass im Gegensatz zur gegenwärtigen Quantitativen Lockerung, bei der eine Zentralbank die Geldmenge nur temporär ausweitet, beim Helikopter-Geld eine dauerhafte Ausweitung der Geldmenge erfolgte. Die (praktische) Analyse des Konzepts steht in Anbetracht der Tatsache, dass Monetäre Finanzierung in der Regel als außerhalb des geldpolitischen Mandats einer Zentralbank liegend wahrgenommen wird, noch an ihrem Anfang.

Das Konzept des Helikopter-Geldes ist ursprünglich auf Milton Friedman (1969) zurückzuführen: "Let us suppose now that one day a helicopter flies over this community and drops an additional $1,000 in bills from the sky, which is, of course, hastily collected by members of the community. Let us suppose further that everyone is convinced that this is a unique event which will never be repeated". Nach Ansicht von Friedman käme es in einem solchen Szenario – infolge der zusätzlich geschaffenen Geldmenge – zunächst zu einem Anstieg des Preisniveaus, also zu genau dem Phänomen, welches die EZB zu begünstigen sucht. Ohne genauere Kenntnis des Verhaltens der Wirtschaftssubjekte ist jedoch wenig über mögliche Anpassungsprozesse und damit über das zu erwartende Konsumverhalten vorherzusagen.

Verschiedene Ausprägungen der "Monetären Finanzierung"

I. Die vermeintlich noch am wenigsten unkonventionelle Maßnahme der Geldpolitik, also eine Quantitative Lockerung bei expansiver Fiskalpolitik ist dieser Tage bereits zu beobachten. Zentralbanken kaufen Staatsanleihen, was sich in einem temporären Anstieg der monetären Basis niederschlägt. Damit einher geht eine Erhöhung fiskalischer Ausgaben (bzw. Steuererleichterungen), welche die Politik in Folge der impliziten Unterstützung der Rentenmärkte durch die Zentralbank durchsetzt. Prinzipiell verfügt die Politik nun über einen größeren Spielraum zur Ausweitung des Haushaltsdefizits sowie bei der Bemessung der Laufzeit neu zu emittierender Anleihen, da die Finanzierungskosten spürbar gesunken sind.

    In diesem Falle käme es zu einem parallelen Anstieg der Aktiva und Passiva der Zentralbank: die Zunahme an Staatsanleihen auf der Bilanz entspricht einem Anstieg der Aktiva; der Zuwachs des Barvermögens des privaten Sektors hingegen entspricht einer Zunahme der Passiva.

    II. Geldüberweisungen der EZB an Regierungen weisen erhebliche Parallelen zu oben dargestelltem Konzept auf. Da eine Tilgung der Anleihen nicht vorgesehen ist, kommt es jedoch zu einem permanenten Anstieg der Geldmenge. Geld könnte direkt auf die seitens der Regierung bei der Zentralbank gehaltenen Konten transferiert werden, so dass das Verhältnis der Staatsverschuldung in Relation zum BIP konstant bliebe. Die Zentralbank könnte Staatsanleihen, die eine unendliche Laufzeit haben und mit einem Kupon von 0% ausgestattet sind, kaufen – was, da diese de facto keinen Wert haben, ceteris paribus denselben Effekt hätte. Die genauen Auswirkungen auf die Bilanz der Zentralbank hängen von der Ausgestaltung der Transaktion mit der Regierung ab. In dem Maße, in dem Bargeld in eine Staatsanleihe mit unendlicher Laufzeit und einem Kupon von 0% getauscht wird, erfolgte ein gleicher Anstieg von Aktiva und Passiva. Dennoch könnte die Zentralbank u.U. einen Verlust generieren, da sie keinerlei Kuponzahlungen erhält, gleichwohl (zumindest im Falle eines positiven Einlagezinssatzes) aber Zinsen auf die Geldbestände der Regierung zahlen müsste.

    III. Zudem könnte die Zentralbank einseitig ihren Bestand an Staatsanleihen restrukturieren und/oder ihre Forderungen (teilweise) annullieren (sog. Haircuts). Diese Maßnahmen würden die Staatsverschuldung reduzieren und somit den Spielraum der Politik im Hinblick auf eine etwaige Neuverschuldung vergrößern. Einerseits könnte dies durch einen einmaligen Eingriff bewerkstelligt werden; andererseits wäre ein regelbasiertes Vorgehen denkbar. So könnte die Zentralbank beispielsweise solange Abschreibungen auf ihre Forderungen vornehmen, bis ein bestimmtes Ziel erreicht ist.

      Der Ankauf von Staatsanleihen, die eine negative Rendite aufweisen, entspricht im Wesentlichen bereits einem solchen theoretischen Haircut; zahlt der Emittent, d.h. das Finanzministerium, dem Investor, d.h. der Zentralbank, doch weniger als den ursprünglichen Emissionspreis zurück. Dies lässt sich dieser Tage ohne Weiteres am Kapitalmarkt beobachten: im Rahmen ihres am 8. Juni 2016 begonnenen Corporate Sector Purchase Programms (CSPP) hat die EZB bis zum 15. Juli 2016 Unternehmensanleihen im Wert von €10,4 Mrd. erworben. Davon wies jede Fünfte, d.h. ein Umfang von knapp €2,0 Mrd., eine negative Rendite auf.

      Auf der Bilanz der Zentralbank führen diese Haircuts zu Abschreibungen auf die Aktiva. Der entstehende Verlust würde das Eigenkapital der Zentralbank entsprechend mindern.

      IV. Die vermeintlich radikalste Maßnahme einer Monetären Finanzierung (und Helikopter-Geld im engeren Sinne) wäre die Schaffung neuen Geldes, welches im Anschluss direkt an die Haushalte transferiert würde. Politische Institutionen würden nicht einbezogen. In diesem Falle käme es zu einem Anstieg der Verbindlichkeiten der Zentralbank, da ein Anstieg des Barvermögens des privaten Sektors einer Zunahme der Passiva entspricht. Sollten im Gegenzug seitens der Zentralbank keinerlei Aktiva gekauft werden, müsste der Anstieg der Verbindlichkeiten durch einen bilanziellen Verlust kompensiert werden. Diese Entwicklung könnte sukzessive zu negativem Eigenkapital der Zentralbank führen.

         Grundsätzlich führen Abschreibungen oder aber die Schaffung neuen Geldes ohne Gegenposten zu einem Rückgang des Eigenkapitals einer Zentralbank. Während jedes andere Unternehmen im Falle eines negativen Eigenkapitals insolvent wäre, gilt dies nicht für eine Zentralbank, da diese de facto unbegrenzt Geld als gesetzliches Zahlungsmittel schaffen kann. Einzig ihre Glaubwürdigkeit verhindert dies.

         Oben diskutierten Konzepten einer Monetären Finanzierung stehen in der Eurozone rechtliche Hürden entgegen. Die gegenwärtigen Regelungen lassen Helikopter-Geld nicht zu. So heißt es in Art. 123 (1) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), dass der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken verboten sei. Mögliche Käufe, welche die EZB im Rahmen ihres Outright Monetary Transactions Programms (OMT) durchführt, stellen nach Auslegung durch den EuGH keine offensichtliche Verletzung des Verbots der monetären Haushaltsfinanzierung dar. Zudem bezieht sich das Verbot der Monetären Finanzierung nicht auf öffentliche Kreditinstitute wie z.B. die Europäische Investitionsbank (EIB), deren Anleihen die EZB direkt kaufen könnte.

         Der direkte Geldtransfer der EZB an Bürger der Eurozone ist zwar nicht verboten, stellte gleichwohl aber eine Kompetenzüberschreitung dar. Es handelte sich um eine offenkundig fiskalische Maßnahme, welche die Legitimität der EZB untergrübe: das offensichtliche Betreiben von Wirtschaftspolitik ist nicht mit ihrem Mandat zu vereinbaren.

        Kein neues Konzept

        Grundsätzlich ist das Konzept des Helikopter-Geldes nicht neu. So verschickte z.B. die Regierung Bush im Sommer 2008 Steuerschecks im Umfang von $95 Mrd. an US-Haushalte. Allerdings führe dies nicht zu einer nachhaltigen Belebung des Konsums. Vielmehr verpuffte der Stimulus, da die Bürger eine spätere Steuererhöhung antizipierten und mehr sparten. Dieses Verhalten entspricht der Ricardianischen Äquivalenz. Dieses Phänomen könnte im Falle des Helikopter-Geldes u.U. auch der Eurozone drohen, sofern die Bürger davon ausgehen, dass die EZB rekapitalisiert werden müsste. So gäben die Wirtschaftssubjekte das geschenkte Geld, wie oben dargestellt, gar nicht oder aber nur unvollständig aus, was sich in einem wirkungslosen Verpuffen der Maßnahme niederschlüge.

        Helikopter-Geld, so wird oftmals postuliert, könnte die chronische Nachfrageschwäche ausgleichen. Es käme infolge der Ausweitung der Geldmenge kurzfristig zu einem Nachfrageboom in der Eurozone, welcher auch die Inflationsrate anheben könnte. Allerdings sind die wirtschaftlichen Probleme der Eurozone eher auf der Angebots- als auf der Nachfrageseite zu finden. Ungeachtet zahlreicher Appelle der EZB an die Regierungen der Eurozone fehlt es nach wie vor an Strukturreformen zu einer nachhaltigen Erhöhung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Eine Monetäre Finanzierung bewirkte in diesem Falle jedoch das Gegenteil. Statt Reformen zu forcieren, vergrößerte sie den Spielraum der Politik zur Ausweitung der Haushaltsdefizite und der Neuverschuldung. Es droht ein Teufelskreislauf.

        In diesem Kontext ist auch einer Forderung nach einer defizitfinanzierten expansiven Fiskalpolitik zur Stimulierung der Konjunktur eine Absage zu erteilen. Ungeachtet unterschiedlicher Vorzeichen verdeutlicht ein Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung Japans in den vergangenen Jahrzehnten den sehr verhaltenen Erfolg eines solchen Deficit Spending.

        Das Ausbleiben eines spürbaren Anstiegs der Inflation in der Eurozone in den kommenden Monaten dürfte die Diskussion ob einer monetären Finanzierung bzw. konkret des Helikopter-Geldes weiter begünstigen. Doch ob nun gerade Helikopter-Geld die Inflation in der Eurozone nachhaltig anzukurbeln vermag, ist, von den juristischen Hürden einmal abgesehen, mehr als fraglich. Ein Blick nach Japan verheißt nichts Gutes. Darüber hinaus käme das Ergreifen einer derartigen Maßnahme einer Verzweiflungstat der EZB gleich: räumte sie doch ein, dass neben dem Zins-, Kredit- und Erwartungskanal nun auch die bisher ergriffenen unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen versagten.

        Bevor sie also vorschnelle Maßnahmen ergreift, die zudem nur schwerlich mit ihrem Mandat zu vereinbaren sind, täte die EZB gut daran, Für und Wider des Helikopter-Geldes sorgsam gegeneinander abzuwägen.

         Die monetäre Finanzierung kann und darf keine Ultima Ratio einer modernen Geldpolitik darstellen. 

        ©KOF ETH Zürich, 18. Aug. 2016

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