Noch gilt das schweizerische Gesundheitswesen als eines der besten der Welt. Doch das Erfolgsmodell, welchem die Schweiz diesen internationalen Spitzenplatz zu verdanken hat, wird zunehmend durch die Anwendung falscher Konzepte aufs Spiel gesetzt. Die Folge davon ist eine permanente Finanzierungs-Krise: Die Gesundheitsausgaben wachsen doppelt so schnell wie die realen Einkommen, was zu einer immer höheren Subventionierung von Prämien, zu Anbieterreglementierungen und letztlich zur Rationierung von Leistungen im Rahmen einer scheinbaren «Kostenbekämpfung» führt. An der LI-Konferenz vom 27. Mai wurde über diese Herausforderung intensiv debattiert. Die Veranstaltung war zugleich die Buchvernissage des neuen Bandes der Edition Liberales Institut mit dem Titel «Zu teuer! Warum wir für unser
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Noch gilt das schweizerische Gesundheitswesen als eines der besten der Welt. Doch das Erfolgsmodell, welchem die Schweiz diesen internationalen Spitzenplatz zu verdanken hat, wird zunehmend durch die Anwendung falscher Konzepte aufs Spiel gesetzt. Die Folge davon ist eine permanente Finanzierungs-Krise: Die Gesundheitsausgaben wachsen doppelt so schnell wie die realen Einkommen, was zu einer immer höheren Subventionierung von Prämien, zu Anbieterreglementierungen und letztlich zur Rationierung von Leistungen im Rahmen einer scheinbaren «Kostenbekämpfung» führt. An der LI-Konferenz vom 27. Mai wurde über diese Herausforderung intensiv debattiert. Die Veranstaltung war zugleich die Buchvernissage des neuen Bandes der Edition Liberales Institut mit dem Titel «Zu teuer! Warum wir für unser Gesundheitswesen zu viel bezahlen».
Einführend erinnerte LI-Vizedirektor Olivier Kessler an die Tatsache, dass die durchschnittliche Prämie seit der Einführung der obligatorischen Grundversicherung von 1996 bis heute von monatlich 173 auf 465 Franken gestiegen ist. Das Beispiel von Singapur zeige, dass eine praktisch identische Lebenserwartung auch mit wesentlich weniger Ausgaben erreicht werden könne. In Singapur würde man nur 4,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts für das Gesundheitswesen aufwenden, während es in der Schweiz bereits 12,2 Prozent seien. Während man in Singapur auf mehr Eigenverantwortung, auf individuelle Gesundheitssparkonten und Versicherungen gegen Grossrisiken setze, dominiere in der Schweiz ein staatlich verordnetes Drittzahler-System. Satte 63 Prozent der Gesundheitsausgaben werden in der Schweiz kollektiv getragen.
In einem ersten Referat präsentierte Werner Widmer, Direktor der Stiftung Diakoniewerk Neumünster in Zollikerberg und Zürich sowie Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen, ein Lösungsansatz, um die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen mindestens auf das Niveau des BIP-Wachstums zu senken. Eine mögliche Variante im bestehenden System sei es, einen Teil der Leistungen, die bisher kollektiv finanziert wurden, neu eigenverantwortlich bezahlen zu lassen, weil Vergleiche zeigten, dass das jährliche Kostenwachstum in den Jahren 2000-2016 bei den persönlich getragenen Ausgaben nur 2,3% betrage im Vergleich zu den 4,2% bei den kollektiv getragenen Ausgaben. Zu diesem Zweck könne die Franchise erhöht werden: Dies müsste nicht für alle im selben Umfang passieren, sondern einkommensabhängig, etwa indem die Franchise auf 10 Prozent des Haushaltseinkommens festgesetzt werde. Wer seine Gesundheitsleistungen selber bezahle, frage sich, ob eine angebotene, nicht unbedingt notwendige Leistung den geforderten Preis wert ist oder nicht. Ausserhalb des Gesundheitswesens gehöre diese Frage zum Alltag. Kunden seien darin geübt, sich im konkreten Fall zu entscheiden. Wenn es aber um Gesundheitsleistungen gehe, würden sie vom Krankenversicherungsgesetz infantilisiert: Dieses mute ihnen nur finanzielle Kompetenzen im Umfang eines Taschengelds zu, von minimal 82 Rappen pro Tag (bei einer Franchise von 300 Franken) bis maximal 6,85 Franken pro Tag (bei einer Franchise von 2500 Franken). Sobald es aber um mehr Geld gehe, zwinge das Gesetz die Bürger dazu, die Krankenversicherung zu beanspruchen. Dieses erzwungene Drittzahler-System fördere die kollektive Verantwortungslosigkeit und den Überkonsum auf Kosten anderer. Mit höheren Franchisen könne dieser Fehlanreiz zumindest teilweise korrigiert werden.
Präsentation von Dr. Werner Widmer:
«Einkommensabhängige Franchise: Ein konkreter Vorschlag zur Senkung des Kostenwachstums»
Im Anschluss gab Stefan Felder, Professor für Gesundheitsökonomie an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel sowie Geschäftsführer der European Health Economics Association und Vorsitzender der Schweizer Gesellschaft für Gesundheitsökonomie, zu bedenken, dass kantonale Regierungen die Spitallandschaft fast vollständig beherrschten. Der Marktanteil der Spitäler, die Kantone betreiben oder über die Aktienmehrheit kontrollieren, gemessen in Pflegetagen, betrage im interkantonalen Durchschnitt rund 80 Prozent. Diese marktbeherrschende, quasi-monopolistische Stellung der öffentlichen Spitäler schränke den dringend benötigten Wettbewerb ein, führe zu hohen Preisen, ungenügender Qualität und damit ganz konkret zu mehr Todesfällen. Weiter wettbewerbsbehindernd wirke, dass die Kantone die freie Spitalwahl ihrer Bürger einschränkten, indem sie Zölle auf ausserkantonale Spitalbehandlungen erheben. Konkret zahle der Patient je nach Kanton 800 Franken und mehr für solche ausserkantonalen Spitalbehandlungen. Zudem sei auch der freie Marktzugang von Spitalanbietern nicht gegeben: Zum einen würden sich auf den kantonalen Spitallisten jeweils alle öffentlichen Spitäler, jedoch nur eine sehr kleine Anzahl privater Kliniken finden. Die Subventionen der Kantone für Akutspitäler würden zu 96,5 Prozent an eigene oder durch sie kontrollierte Einrichtungen fliessen. Dadurch könnten sich staatliche Spitäler einen unfairen Vorteil gegenüber privaten Anbietern verschaffen, etwa bei den Basisfallwerten, was den Wettbewerb stark verzerre und tiefere Preise verhindere.
Präsentation von Prof. Dr. Stefan Felder:
«Wider die Erosion des Privatrechts durch das öffentliche Recht»
In einem dritten Referat analysierte Marc Fouradoulas, Facharzt und Gesundheitsökonom, welche Folgen der weitreichende Verzicht auf Marktmechanismen im Gesundheitswesen hat. Eine Tatsache, die auf hoch abstrakte, modellhafte Vorstellungen der Wirtschaft zurückgingen, wonach es im Gesundheitsbereich zu einem Marktversagen käme, wenn man die freie Preisbildung unter der Bedingung der Wahlfreiheit aller Akteure zulassen würde. Doch diese Modelle seien zu weit weg von der Realität. Man spräche sämtlichen Leistungen die Marktfähigkeit ab, obwohl die Frage nicht bei allen Gütern abschliessend beantwortet werden könne. Wo sich Preise als Informations- und Allokationssignale jedoch nicht frei bilden könnten, komme es unweigerlich zu Fehlanreizen, rigiden Strukturen und einer Bürokratisierung. Regulierungsspiralen, Lobbying und ausufernde Kosten seien die klassischen Folgen. Darauf folgten zentralistische und planwirtschaftliche Steuerungsversuche, welche schliesslich zu willkürlicher Rationierung führten. Die Rolle des Marktes werde dabei zwar in residueller Form eines regulierten Wettbewerbs beibehalten. Dieser orientiere sich aber nicht an der Zahlungsbereitschaft der Patienten, sondern an Diagnosen und Zeit-/Leistungstarifen, welche von Drittfinanzierern bezahlt werden müssten. Bei wachsender Anbieterzahl seien Mengenausweitung und Orientierung an lukrativen Tarifen die unausweichlichen Folgen dieses verzerrten Wettbewerbs.
Präsentation von Dr. Marc Fouradoulas:
«Marktversagen im Gesundheitswesen: Dogma oder Denkfehler?»
Die darauffolgende Diskussion widmete sich unter anderem der Frage, ob es eine Möglichkeit wäre, den Leistungskatalog bei der obligatorischen Versicherung auf lebensrettende Massnahmen einzuschränken und alles andere der privaten Vorsorge und Versicherung zu überlassen. Damit würde das Drittzahler-Prinzip lediglich in dringenden Fällen und nicht generell zur Anwendung kommen, womit die Eigenverantwortung gestärkt und das Kostenwachstum gebremst werden könnte. Zur Sprache kamen auch die ordnungpolitischen Fehlüberlegungen der damaligen KVG-Befürworter, die annahmen, dass ein Obligatorium keine Auswirkungen hätte, weil schon 97 Prozent der Bevölkerung freiwillig versichert waren. Es mache hinsichtlich der Anreize und der Auswirkungen einen grossen Unterscheid, ob eine Handlung freiwillig oder zwangsweise vollzogen wird. Einer der Gründe, weshalb die staatliche aufgezwungene Krankenversicherung nicht stärker hinterfragt werde, seien enge Brancheninteressen sowie kantonalstaatlichen Empfindlichkeiten. Dafür braucht es ein starkes Bewusstsein für die Nachteile einer Kollektivierung, die zu höheren Kosten und niedrigeren Qualität führen. Nur ein auf Wettbewerb, Vertragsfreiheit, Marktwirtschaft und Verantwortung aufbauendes Gesundheitssystem vermag die nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ guten Gesundheitsleistungen zu vernünftigen Preisen sicherzustellen, während gleichzeitig die Wahl- und Therapiefreiheit gewährleistet bleibt.
Das Buch bestellen:
«Zu teuer! Warum wir für unser Gesundheitswesen zu viel bezahlen.»
(Edition Liberales Institut, 2019)
27. Mai 2019