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Freiheitsfeier 2019: Die Tugend der politischen Zurückhaltung

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Die Freiheitsfeier des Liberalen Instituts vom 4. Dezember befasste sich angesichts des weltrettenden, interventionistischen Umfelds, wo die Politik bei jeder Gelegenheit «etwas» machen soll, mit der Tugend der Zurückhaltung. Diese Tugend wird oftmals erst als solche erkannt, wenn man sich mit den Nebenwirkungen der politischen Einflussnahme auseinandergesetzt und die Überlegenheit marktwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Lösungen verstanden hat. Vor dem Hintergrund des Jahrs der Milizarbeit und zu Beginn der neuen Legislatur war es angebracht, sich auf die Vorteile der Zweitrangstellung der Politik in einer offenen und kompetitiven Ordnung zu besinnen. Einführend erinnerte LI-Direktor Pierre Bessard daran, dass die Realpolitik von dieser Zurückhaltung ziemlich weit entfernt

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Die Freiheitsfeier des Liberalen Instituts vom 4. Dezember befasste sich angesichts des weltrettenden, interventionistischen Umfelds, wo die Politik bei jeder Gelegenheit «etwas» machen soll, mit der Tugend der Zurückhaltung. Diese Tugend wird oftmals erst als solche erkannt, wenn man sich mit den Nebenwirkungen der politischen Einflussnahme auseinandergesetzt und die Überlegenheit marktwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Lösungen verstanden hat. Vor dem Hintergrund des Jahrs der Milizarbeit und zu Beginn der neuen Legislatur war es angebracht, sich auf die Vorteile der Zweitrangstellung der Politik in einer offenen und kompetitiven Ordnung zu besinnen.

Einführend erinnerte LI-Direktor Pierre Bessard daran, dass die Realpolitik von dieser Zurückhaltung ziemlich weit entfernt ist. Davon zeugten etwa der Aufstieg der rotgrünen Klimabewegung, die anhaltende ultraexpansive Geldpolitik und die beabsichtigte Einführung eines staatlichen Vaterschaftsurlaubs. Aufgrund des aus dem Ruder laufenden Umlageverfahrens stiegen ab Januar auch die Lohnabzüge — nachdem bereits über ein Viertel der AHV-Ausgaben durch andere Steuern finanziert werden. Politische Zurückhaltung bedeute daher nicht Nachlässigkeit oder Nichtstun, wo Handlungsbedarf besteht und die Freiheit zunehmend verloren geht. Vermehrt müsse sich die Erkenntnis durchsetzen, dass eine Politisierung nie zu einer besseren oder preiswerteren Befriedigung echter Bedürfnisse führe. Im Gegenteil komme es dadurch zur Verdrängung besserer Lösungen, zu Bürokratie und Ineffizienz.

In einem solchen Kontext sei wirtschaftliches Denken unerlässlich. In diesem Sinne wurde bereits zum 10. Mal der Röpke-Preis für Zivilgesellschaft des Liberalen Instituts verliehen. Ausgezeichnet wurde Prof. Tobias Straumann, Wirtschaftshistoriker und Titularprofessor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich, für seine praxisnahe Verständigung wirtschaftlicher Zusammenhänge und der marktwirtschaftlichen Grundlagen von Wohlstand. Professor Straumann promovierte und habilitierte an der Universität Zürich. Er leitet dort das berufsbegleitende Masterprogramm in angewandter Geschichte und forscht vor allem über europäische Geld- und Finanzgeschichte, die Industrialisierung, den technologischen Wandel sowie über die Wirtschaftsgeschichte und -politik der Schweiz. Er wirkte viele Jahre als Autor für den Tages-Anzeiger und Finanz und Wirtschaft und ist seit letztem Jahr Kolumnist für die NZZ am Sonntag.

In der Laudatio hob Pierre Bessard hervor, dass sich Prof. Tobias Straumann mit einem dreifachen Appell an Vernunft, Erfahrung und Tatsachen für eine Versachlichung der wirtschaftswissenschaftlichen Debatte nicht nur in akademischen Kreisen beteiligt.

Im Bereich der Geldpolitik griff er in seinem jüngsten, viel besprochenen Buch mit dem Titel «1931», das dieses Jahr bei Oxford University Press erschienen ist, eine Reihe wesentlicher Themen auf, die den heutigen währungs- und geldpolitischen Machbarkeitswahn in ein neues Licht rücken: Hier machte Tobias Straumann — wie Wilhelm Röpke — den entscheidenden Unterschied zwischen echtem und falschem Internationalismus, zwischen tatsächlicher Offenheit und politischem Wunschdenken. Rund 90 Jahre nach dem damaligen Börsencrash von 1929 erinnerte er auch an die zentralbank- und politikbedingten Ursachen der damaligen Verwerfungen. Tobias Straumanns Kritik der leider immer populäreren sogenannten «modernen monetären Theorie» ist ebenfalls erwähnenswert: Darin entlarvt er den illusionistischen, ja utopischen Charakter dieser Neubelebung des Vulgär-Keynesianismus.

Darüber hinaus erinnert er im Bereich der Schweizer Wirtschaftsgeschichte an die Quellen des Wohlstands, in einem Land, wo die Regierung inzwischen lieber besteuert und umverteilt. So zeigt er auf, dass die Schweiz durch ihre Städte als Finanz-, Handels- und Industriezentren seit Jahrhunderten und nicht durch ein Wunder ein reiches Land geworden ist. Im aktuellen Meinungsklima sind auch seine Überlegungen zum Thema Ungleichheit wichtig.

In seiner Dankesrede befasste sich Prof. Tobias Straumann mit der Frage, ob die Bevölkerung der Schweiz nur deshalb so reich sei, weil andere Länder arm sind. Sinnbildlich für diesen weitverbreiteten Nullsummenglauben zitierte er Mani Matter, der im Lied «Dene wos guet geit» sang: «Dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser, wos weniger guet geit, was aber nid geit, ohni dass's dene, weniger guet geit, wos guet geit». Die internationale Wirtschaft könne gemäss Straumann allerdings nicht mit einem Geburtstagskuchen verglichen werden, bei dem alle anderen ein kleineres Stück bekommen, wenn einer ein grösseres Stück erhält. Die internationale Arbeitsteilung, Spezialisierung und Kooperation hätten den Kuchen vielmehr anwachsen lassen — und das seit der Industrialisierung in einem unfassbar starken Ausmass. Oftmals werde impliziert, dass der damalige westliche Kolonialismus den Entwicklungsländern Wachstumspotenziale geraubt hätte. Doch in Wahrheit sei der rasante Aufstieg Japans, Indiens, Chinas und anderer Länder in den letzten Jahrzehnten ohne westliche Technologien kaum vorstellbar. Diese Erfolgsgeschichten hätten stattgefunden, ohne dass Europa in dieser Zeit ärmer geworden sei, was der These widerspreche, die einen könnten nur reicher werden, wenn andere gleichzeitig ärmer würden. Ein weiteres Argument, dass man in der Debatte um die Gründe der Entwicklungsstörungen einzelner Länder oftmals höre, sei jenes, dass die USA als Weltmacht negativen politischen Einfluss nehme und dadurch — etwa in Argentinien — Fortschritt verhindere. Die derzeit schlechte Situation in Argentinien habe jedoch nicht per se etwas mit der politischen Einflussnahme zu tun, zumal andere Länder, die unter noch stärkerem Einfluss der USA stünden — wie etwa Kanada —, zu den reichsten Ländern der Welt gehörten. Die Gründe für ausbleibende Entwicklung seien daher woanders zu suchen.

Rede von Tobias Straumann:
«Sind wir so reich, weil die anderen so arm sind?»

Anschliessend würdigte Prof. Christoph Frei, Stiftungsratsvizepräsident des Liberalen Instituts, die Leistungen der drei Gewinner des Constant Essay-Wettbewerbs und übergab die Preise im Gesamtwert von 3000 Franken. Der Wettbewerb fand in Medienzusammenarbeit mit dem «Schweizer Monat» und im Rahmen des Jahrs der Milizarbeit mit Unterstützung von Swiss Re statt. Die drei jungen Gewinner stellten einige zentrale Thesen und Erkenntnisse ihrer Analysen vor. Der dieses Jahr auf Deutsch durchgeführte Essay-Wettbewerb schrieb die Frage aus, ob Politikerentschädigungen eine Gefahr für freiheitliche Werte darstellten.

Der erste Preis ging an Matthias Müller von der Universität Zürich. Aus seiner Sicht seien Politikerentschädigungen nicht per se inkompatibel mit der Idee der Freiheit. Allerdings müssten zwei wesentliche Faktoren sichergestellt sein: Einerseits müsse es jedem Bürger möglich sein, ohne finanzielle Nachteile ein politisches Amt übernehmen zu können, was für eine entsprechend angemessene Entschädigung spreche. Andererseits müsse allerdings auch dafür gesorgt sein, dass man sein politisches Amt problemlos — und ebenfalls ohne finanzielle Nachteile —wieder aufgeben könne, was für eine moderate, marktgerechte Entschädigungshöhe spreche.

Essay von Matthias Müller:
«Politiker-Entschädigungen — Ein heisses Eisen»

Die zweite Preisträgerin, Rafaela Schinner von der Universität Fribourg, vertrat die Auffassung, dass Politikerentschädigungen zwar einerseits die Chancengleichheit bei Wahlen sicherstellten — ein zentrales Gut der Demokratie. Allerdings löse sich durch die Bezahlung von Politikern andererseits auch die moralische Würde des Amtes auf: Der Politiker werde dadurch gewissermassen zum Bürokraten. Sie warf die Frage auf, weshalb man Politiker als «Angestellte der Demokratie» bezahlen soll, normale Bürger, die wichtige Milizarbeit leisteten, jedoch nicht. Dies führe zu einer Gleichgültigkeit der Individuen gegenüber der Gemeinschaft.

Essay von Rafaela Schinner:
«Demokratie über Freiheit?»

Der dritte Preisträger, Artur Terekhov von der Universität Zürich, zeigte auf, dass Politikerentschädigungen aus Sicht eines Minimalstaatlers nicht grundsätzlich ein Widerspruch zu freiheitlichen Werten seien. Tiefe Politikerentschädigungen seien auch kein Garant für den Erhalt einer freiheitlichen Ordnung: Politiker seien bis in die 1970er-Jahre lediglich symbolisch entschädigt worden, was die Aufblähung des Wohlfahrtsstaates allerdings nicht aufgehalten habe. Grundsätzlich dürften Politikerentschädigungen aber nicht höher als die Löhne in der Privatwirtschaft sein.

Essay von Artur Terekhov:
«Warum tiefe Politiker- und Beamtensaläre kein Garant für small government sind — Plädoyer für eine empirisch-ideelle Renaissance unserer angeborenen Individualrechte»

Die Freiheitsfeier schloss mit der tröstlichen Aussicht auf ein weiterhin vielfältiges liberales Engagement des liberalen Nachwuchses sowie des durch den Röpke-Preis für Zivilgesellschaft ausgezeichneten prominenten Wissenschaftlers.

Weiterführende Links:
Röpke-Preis für Zivilgesellschaft
Constant Essay-Wettbewerb

12. Dezember 2019

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